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Neuwied

Der letzte Blick auf das Mahnmal der Unvernunft: Alt-OB Manfred Scherrer erinnert sich an Anti-AKW-Kampf

Von Ulf Steffenfauseweh
Manfred Scherrer blick auf die Reste des AKW-Kühlturms, den er immer für ein "Mahnmal der politischen Unvernunft" gehalten hat.
Manfred Scherrer blick auf die Reste des AKW-Kühlturms, den er immer für ein "Mahnmal der politischen Unvernunft" gehalten hat. Foto: Ulf Steffenfauseweh

Heute, am Freitag, soll er fallen. endgültig. Ab 14 Uhr will RWE die entscheidenden „Klötze“ aus dem Meiler in Mülheim-Kärlich schlagen, auf dass der mittlerweile baulich gezielt geschwächte und auf die Hälfte seiner ehemaligen Höhe geschrumpfte Kühlturm kontrolliert zusammenfällt. Mehr als die 13 Monate, die das von 1975 bis 1986 für rund 7 Milliarden Mark gebaute Atomkraftwerk im regulären Betrieb lief, werden es also definitiv nicht mehr werden. Und schuld daran ist nur die SPD. Wobei: Allein war sie es nicht (siehe Text unten). Aber die damals SPD-geführte Stadtverwaltung prozessierte jahrelang gegen das AKW – und siegte 1998 schließlich final.

Lesezeit: 4 Minuten
„Dass wir gewinnen würden, hatte sich dann abgezeichnet“, erinnert sich Manfred Scherrer. Aber die Bundesverwaltungsgerichts-entscheidung war nur der Schlusspunkt eines sehr langen Kampfes. Der damalige Oberbürgermeister, heute nach eigener Aussage „ganz gelassen“, wetterte schon in den 70er-Jahren als SPD-Stadtrats-fraktionschef gegen das AKW auf der anderen Rheinseite. Und da waren die ...
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Vowinckel, Thal und die Bürgerinitiative Neuwied

Neuwied/Mülheim-Kärlich. Der Kampf gegen das AKW in Mülheim-Kärlich war langwierig und ist von mehreren Personen auf verschiedenen Ebenen geführt worden. Der Deutschlandfunk berichtete vor einigen Jahren von 259 Einwendungen im Genehmigungsverfahren.

Neben dem juristischen Vorgehen der Stadt Neuwied sind an erster Stelle Helga Vowinckel – später bei den Grünen Schriftführerin – und Walter Thal zu nennen. Die Oberstudienrätin aus Neuwied und der Rentner aus Lahnstein hatten die „Bürgerinitiative Atomschutz Mittelrhein“ gegründet und sich ab 1975 als Einzelkämpfer auf den Rechtsweg begeben. Sie hatten dabei nicht nur mit schweren finanziellen Belastungen, sondern auch mit Anfeindungen zu leben und mussten zeitweise unter Polizeischutz gestellt werden. 1977 erreichten sie einen zwischenzeitlichen Baustopp, verloren dann aber 1985 einen Berufungsprozess gegen die erste Teilgenehmigung. Dass das AKW 1986 – zunächst im Testbetrieb – anlief, erlebte Vowinckel bereits nicht mehr. Sie starb im selben Jahr. Thal erreichte dann 1988 vor dem Bundesverwaltungsgericht die vorläufige Stilllegung des Meilers: Die Richter erklärten die erste Teilgenehmigung für rechtswidrig. Ein Meilenstein.

In Neuwied war darüber hinaus die „Bürgerinitiative gegen das AKW Mülheim-Kärlich“ aktiv, der unter anderem Neu-Stadtrat Joachim Adler (Grüne) und seine Frau Elisabeth angehörten. „Wir waren 20 bis 25 aktive Personen“, sagt er und zählt aus dem Stegreif die Namen Barbara und Klaus Jadischke, Gustav Gehrmann, Wolfgang Faller, Wilfried Petry, Willi Marmé, Jörg Vogel, Monika Mehlbrauer und Heinz Dillmann auf. „Es begann 1980 oder 81 mit einer Fastenaktion von Eirene in der Marktkirche“, erinnert er sich im Gespräch mit der RZ und erzählt von verschiedenen Aktivitäten wie einer Menschenkette, Montagsspaziergängen mit Sambagruppe und dem Verkauf von „Harrisburgern“. „Man muss der Stadt Neuwied und der SPD Respekt zollen, dass sie ins Risiko gegangen sind und den juristischen Weg beschritten haben. Das wäre für uns nicht möglich gewesen. Aber ohne die Basisbewegung wäre es für die Entscheidungsträger auch nicht so sichtbar gewesen, dass sie dem Willen der Bevölkerung entsprechen“, ist er überzeugt.

Bürgerinitiativen gab es aber nicht nur in Neuwied. Grünen-Fraktionssprecherin Regine Wilke weist auch auf die von Elke Sodemann-Müller geführte Bendorfer Umweltinitiative hin. Als weitere Engagierte gegen das AKW nennt sie Jupp Thyssen, der als damaliger Stadtrat mit einer Rede maßgeblich dafür gesorgt habe, dass die Stadt gegen RWE klagt, und den Lahnsteiner Aktivisten Joachim Scheer.

Public Viewing der SPD im Neuwieder Jachthafen

Der SPD-Stadtverband lädt zum „Public Viewing“ des Kühlturm-Einsturzes ein. Die Genossen treffen sich dazu um 13.45 Uhr auf dem Parkplatz bei den Stadtwerken (Hafenstraße) und gehen von dort gemeinsam in den Jachthafen, wo es ungehinderte Sicht gibt. „Leider sind der Termin und vor allem die Uhrzeit erst recht kurzzeitig bekannt gegeben worden, sodass wir nichts Größeres organisieren konnten“, bedauert SPD-Stadtverbandschefin Lana Horstmann. „Aber wir laden alle ein, gemeinsam mit uns zu gucken. Denn natürlich sind wir froh, das der Kühlturm endlich verschwindet.“ ulf

Über den heutigen Abriss berichtet die RZ laufend aktuell im Internet unter www.ku-rz.de/abriss

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