Berlin

Profilkrise der CDU endet im Stimmungstief

Die CDU stößt erstmals in Umfrageniederungen vor, die sie als Volkspartei bisher nur aus weiter Ferne gesehen hat. Ein Heilmittel ist bislang nicht in Sicht. Und auch der personelle Umbruch stimmt viele Mitglieder pessimistisch.

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Berlin – Die CDU stößt erstmals in Umfrageniederungen vor, die sie als Volkspartei bisher nur aus weiter Ferne gesehen hat. Ein Heilmittel ist bislang nicht in Sicht. Und auch der personelle Umbruch stimmt viele Mitglieder pessimistisch.

Angela Merkel schweigt. Bei der Kanzlerin und CDU-Chefin bestimmen derzeit eher Töne von Richard Strauss und anderen Komponisten das Programm, nicht die grellen Missklänge aus der Union. Was sie während ihres Urlaubs bei den Salzburger Festspielen hört, ist weitaus harmonischer als die derzeit laufende Debatte in ihrer Partei. Wenn Merkel in der nächsten Woche aus dem Urlaub an ihren Schreibtisch zurückgekehrt ist, wartet schon ein Berg an Problemen auf sie – nicht nur als Kanzlerin, sondern auch als Parteichefin.

Die CDU steckt im Umfragetief. Sie hat die magische Grenze von 30 Prozent in der jüngsten Forsa-Umfrage ein weiteres Mal unterschritten. Das reißt alte Wunden wieder auf. Besonders beliebt sind in der Sommerzeit gegenseitige Vorwürfe von Unionspolitikern. Saar-Ministerpräsident Peter Müller warnt davor, dass die CDU bald keine Volkspartei mehr sei. In der Union nimmt der Unmut über den Modernisierungskurs der Parteichefin zu. Der Wirtschaftsflügel fordert eine konservativere Politik, um frühere Wähler zurückzugewinnen. Andere wollen dagegen auf neue Wählerschichten setzen.

Drei gehen, eine bleibt

Für manch altgedienten Haudegen wie Roland Koch steht die Partei in der Lebensplanung nicht mehr obenan. Weil Koch und andere sich verabschieden, muss bis zum CDU-Parteitag im November in Karlsruhe die Liste der Nachfolger stehen. Merkels Stellvertreter sind neben Koch derzeit Annette Schavan, Jürgen Rüttgers und Christian Wulff. Nur die Forschungsministerin wird bleiben: Koch geht in die Wirtschaft, Wulff ist Bundespräsident, Rüttgers zieht die Konsequenzen aus dem schlechten Ergebnis bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

Die neue CDU-Spitze wird der Beginn einer Verjüngung – ein Generationenwechsel ist es noch nicht. Für Rüttgers (59) könnte der frühere NRW-Integrationsminister Armin Laschet (49) CDU-Vize werden. Laschet bewirbt sich als Landeschef der CDU an Rhein und Ruhr. Auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen (45) ist für beide Posten im Gespräch. Röttgen war von Laschets Plan überrascht worden. Deshalb dürfte Merkel daran interessiert sein, größeren Streit rasch zu verhindern. Für Koch könnte der designierte hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (58) antreten, was noch unklar ist.

Für Wulff wird Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen antreten. Der neue niedersächsische Ministerpräsident David McAllister will der 51-Jährigen den Vortritt lassen. Sie wird gern schon als Kronprinzessin bezeichnet. Mit dem Aufrücken gewinnt sie deutlich an Macht, ist aber auch enger angebunden als früher und hat weniger Möglichkeiten, mit Ideen vorzupreschen.

Auffällige Zurückhaltung

Ambitionen werden auch dem sächsischen Regierungschef Stanislaw Tillich (51) und Saarlands Ministerpräsident Müller (54) nachgesagt. Tillich sagt allerdings: „Ich werfe meinen Hut nicht in den Ring.“ Auch Müller weist Spekulationen zurück: „Ich sehe meine Aufgabe darin, der Jamaika-Koalition (CDU, Grüne, FDP) im Saarland weiter zur Verfügung zu stehen.“ Beide äußern sich gern mal kritisch über den Kurs der Koalition in Berlin, was als Vize schwieriger wäre.

Das weiß auch Baden-Württembergs Regierungschef Stefan Mappus. Er bringt sich immer öfter in Position. Der 44-Jährige will sich als Konservativer profilieren. Er greift nicht nur Umweltminister Röttgen an, sondern auch Merkel. Die Parteichefin reagiert darauf, indem sie Mappus nennt, wenn es um „gute Persönlichkeiten“ geht, die die Union verkörpern. Sie nimmt ihm damit den Wind aus den Segeln. Das Stühlerücken an der Spitze sieht sie als Chance, nicht als Erosion der Führung.

Die CDU-Chefin hat aber erkannt, dass es an der Basis brodelt. Deshalb lädt sie zu Regionalkonferenzen im Herbst ein. „Wir hören auf die Basis“, versprach CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in der vergangenen Woche. Die schlechten Umfragewerte nennt er ein Alarmsignal. Für einige in der Union geht es dabei nicht nur um das Parteiprofil. Sie sehen auch Querschüsse aus FDP und CSU als Ursache für die schlechten Umfragewerte.

Zu wenig konservativ?

Der Chef der CDU/CSU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Josef Schlarmann, warnt eindringlich: „Das ist ein Trend.“ Er beurteilt den Modernisierungskurs von Parteichefin Merkel äußerst kritisch. Das moniert Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. „Wem die CDU zu wenig konservativ ist, der muss mitarbeiten an der Schärfung des Profils und klar sagen, was fehlt“, sagt er. „Oft kommt dann: Unverkrampfter Patriotismus – nach der Fußball-WM ist das aus meiner Sicht wirklich kein Thema mehr.“

Marc-Oliver von Riegen