Nach Drohungen gegen Räte
Stadtrat Bad Ems tagt unter Polizeischutz 
Eine Zuschauerbank mit ungewöhnlicher Besetzung: Im Stadtrat Bad Ems saßen zwei Polizeibeamte, die Recht und Ordnung einhalten sollten.
Marta Fröhlich

Eigentlich ging es um einen Spielplatz und eine fehlende Baugenehmigung. Der BEN-Kurier berichtete – tendenziös, sagen einige Fraktionen. Es kommt zu Bedrohungen und Druck – und Polizeischutz im Rat. Eine Ratssitzung, wie es sie wohl noch nie gab. 

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Auf diesen Besuch hätten wohl im Stadtrat am Dienstagabend gern alle verzichtet. In den Zuschauerreihen, die wegen des großen Interesses an der Sitzung sehr gut gefüllt waren und sogar angebaut werden mussten, saßen zwei Polizeibeamte. Nicht zum Zuschauen, sondern „weil es heute turbulent werden könnte“, so Stadtbürgermeister Oliver Krügel. Denn auf der Tagesordnung stand der Punkt: „Rechtsangelegenheiten; Beauftragung eines Rechtsbeistandes in Sachen Medienberichterstattung Spielplatz ,Große Wiese’, Bad Ems“.

Was war passiert? Die Stadt baute den Spielplatz „Große Wiese“, formaljuristisch wurde gebaut, bevor eine Baugenehmigung vorlag. In einem Statement führte Krügel aus: „Wir wollten etwas Gutes für die Kinder und Familien in unserer Stadt schaffen. Und ja: In diesem Prozess wurden Fehler gemacht – auch von mir. Ich habe diese Fehler nie abgestritten, habe immer über diese in unseren Gremien informiert und trage auch dafür Verantwortung.“

Der BEN-Kurier berichtete mehrfach über die „Große Wiese“ – nach Meinung von Krügel und anderen Stadtratsmitgliedern tendenziös und nicht neutral. Dagegen möchte Krügel als Bürgermeister vorgehen. Außerdem verfassten einige Fraktionen und Ratsmitglieder einen offenen Brief, in dem sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem Onlinemedium ausschlossen. Das Ganze schlug Wellen, unsere Zeitung berichtete über die Hintergründe des BEN-Kuriers.

Krügel will mit Anwalt Rechte der Stadt wahren

Vor der nun anstehenden Stadtratssitzung berichteten laut Oliver Krügel mehrere Stadträte, dass sie bedroht und unter Druck gesetzt worden seien und Befürchtungen hätten, was in der Sitzung passieren könnte. „Deshalb habe ich zwei Polizeibeamte für diesen Tagesordnungspunkt dazu gebeten, um die Räte zu schützen und gegebenenfalls Hausrecht durchzusetzen“, so der Stadtchef.

In seinem Statement begründete Krügel, warum er sich rechtlichen Beistand für die Stadt erbittet: „In der Hauptausschusssitzung vom 24. Juni wurde auf Wunsch einiger Mitglieder ein Artikel des BEN-Kuriers thematisiert. Ich wurde gebeten, rechtlichen Rat einzuholen, ob dort medienrechtliche Verstöße vorliegen. Dem bin ich nachgekommen. Die Frage, ob die Stadt vorab – wie rechtlich gefordert – um eine Stellungnahme gebeten wurde, musste ich verneinen.“ Um die Rechte der Stadt zu wahren, wollte Krügel einen Anwalt einschalten und musste sich dafür das Okay des Rats einholen – dieser war sich jedoch uneinig.

Es ist schlimm, was sich beide Seiten angetan haben.
Gisela Bertram (SPD)

Gisela Bertram (SPD) betonte zunächst, dass sie froh sei, dass es den neuen Spielplatz gibt. „Und ich bin froh, dass du Fehler eingeräumt hast“, richtete sie ihr Wort an den Bürgermeister. „Für uns ist das Thema erledigt“, so Bertram. „Es ist schlimm, was sich beide Seiten angetan haben und auch schlimm, was du durch die Berichterstattung mitgemacht hast“, führte sie aus. „Aber wenn ich an der Öffentlichkeit teilnehme, muss ich auch mit Gegenrede rechnen. Gleichmut bringt hier manchmal weiter“, so die Sozialdemokratin zu der Begründung, warum sie dem Antrag auf anwaltlichen Beistand nicht zustimmen wird, „auch wenn wir als vernünftige Demokraten die Leute, die ein falsches Spiel spielen, aus der Diskussion stellen müssen. Man muss zeigen, wo man steht!“

Petra Spielmann von den Grünen rief dazu auf, sich zu mäßigen und mit besserer Öffentlichkeitsarbeit weiteren Imageschaden von der Stadt fernzuhalten, sich jedoch nicht gegenseitig mit Klagen und Unterlassungen zu belegen.

Markus Wieseler (FDP) kritisierte, dass man sich wieder zu lange mit diesem Thema aufhalte: „Wir diskutieren über solchen Schwachsinn, statt uns mit den wichtigen Themen und Entscheidungen der Stadt zu beschäftigen“, wurde er deutlich. „Aber eine Linie ist überschritten. Räte, die Anwaltspost bekommen haben, müssen sich wehren. Auch ich habe Post bekommen. Deshalb stimmen wir für den Antrag“, so Wieseler.

Es ist bezeichnend, wie perfide das ist, Ehrenamtlern ohne Fraktionsschutz die Meinung einschränken zu wollen.
Jennifer Redert (fraktionslos) zu einem Anwaltsschreiben, das sie erreicht hat

Igor Bandur von der Unabhängigen Liste Bad Ems-Nassau lobte Krügel für dessen Selbstreflexion und dafür, dass dieser Fehler eingestanden habe: „Ein Schiff hat einen Kapitän und eine Mannschaft. Da braucht es Transparenz.“ Zum Antrag, einen Anwalt einzuschalten, sage er jedoch Nein. „Man löscht kein Feuer mit Feuer. Und wir müssen hier wieder in ruhigere Fahrwasser kommen. Denn wir haben wichtige Aufgaben, vor denen wir stehen“, so Bandur.

Jennifer Redert, ehemals UL-BEN-Mitglied und heute fraktionslos im Stadtrat, führte aus, dass auch sie, nachdem sie den offenen Brief mitunterzeichnet hatte, eine Unterlassungserklärung vom Anwalt des BEN-Kuriers bekam – als einziges Stadtratsmitglied: „Es ist bezeichnend, wie perfide das ist, Ehrenamtlern ohne Fraktionsschutz die Meinung einschränken zu wollen.“ Redert übte offen Kritik an der UL BEN: „Die Fraktion betont, dass sie für Transparenz und offenen Dialog steht. Ob dieses Selbstbild mit dem Verhalten übereinstimmt, davon konnte sich der Stadtrat selbst ein Bild machen.“ Sie habe den Eindruck, dass sich die politische Arbeit immer stärker darum drehte, Feindbilder zu konstruieren. „Aus meiner Sicht geriet der Bürgermeister dabei auffällig oft ins Visier“, so Redert.

Herr Abt – wir schämen uns für Sie!
CDU-Fraktionschef Manfred Brückmann zu Äußerungen des ehemaligen Stadtbürgermeisters

In einer persönlichen Erklärung fand Manfred Brückmann (CDU) ebenfalls deutliche Worte: „Was wir derzeit erleben, ist keine politische Auseinandersetzung mehr – es ist eine gezielte, persönliche Vernichtungskampagne gegen Stadtbürgermeister Oliver Krügel. In der Sache darf und soll es Meinungsverschiedenheiten geben. Doch was hier passiert, ist kein demokratischer Diskurs mehr – es ist eine perfide Kampagne“, so Brückmann, „in internen Chats nennt der frühere Stadtbürgermeister Berny Abt unseren Stadtbürgermeister Oliver Krügel einen Wichser und spricht von Krügels Affen. Wer als ehemaliger Amtsinhaber auf dieses sprachliche Niveau sinkt, hat jedes politische und moralische Maß verloren. Herr Abt – wir schämen uns für Sie!“, so der Fraktionschef.

Dass Brückmann aus einem Mitgliederchat der UL BEN zitiert, rief stante pede Michael Brüggemann (UL BEN) auf den Plan: „Herr Brückmann hat soeben zugegeben, dass er im Besitz des Chats ist. Das verstößt gegen Persönlichkeitsrechte. Ich möchte, dass die anwesende Polizei das Chatprotokoll sichert.“ Dem widersprach Sitzungsleiter Krügel: Brückmann habe nicht behauptet, im Besitz eines solchen Protokolls zu sein. „Es steht jedem frei, Rechtsmittel zu ergreifen“, wandte er sich an Brüggemann. Die Beamten blieben sitzen.

Schlussendlich kam es dann zur Abstimmung über den Rechtsbeistand für die Stadt. Mit elf Ja-Stimmen der CDU, einem SPD-Mitglied, der FDP und Redert, vier Neinstimmen aus UL BEN und SPD sowie fünf Enthaltungen stimmte der Stadtrat der Beauftragung eines Rechtsanwalts und der Vertretung der rechtlichen Interessen der Stadt Bad Ems und des Stadtbürgermeisters zu.

Warum hat die SPD sich nicht am offenen Brief beteiligt?

Die SPD-Fraktion hat sich nicht am offenen Brief beteiligt. Auf Anfrage unserer Zeitung antwortet Pauline Sauerwein, Vorsitzende SPD Bad Ems: „Die SPD-Fraktion im Stadtrat Bad Ems hat sich nach sorgfältiger Abwägung gegen eine Unterzeichnung des offenen Briefes entschieden. Wir teilen die Kritik an der Berichterstattung zum Spielplatz ,Große Wiese’ und stellen klar: Die Darstellung der Arbeit der Stadtratsmitglieder in diesem Zusammenhang war aus unserer Sicht unzutreffend und wird den tatsächlichen Abläufen im Gremium nicht gerecht.“

Unsere Zeitung erhielt die Information, die Initiative für den Brief sei von der SPD ausgegangen. Dazu Sauerwein: „Im Rahmen des Hauptausschusses wurde die Berichterstattung zum Spielplatz thematisiert. Dabei äußerte ein Mitglied unserer Fraktion die Auffassung, dass man bestimmte Darstellungen in der Öffentlichkeit so nicht stehen lassen könne. Daraus jedoch abzuleiten, die Initiative zum offenen Brief sei von der SPD ausgegangen, trifft nicht zu.“ frö

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