Kommentar zum Topmodel-Finale: Sei, was du willst!
Marta Fröhlich über zugespitzte Stereotypen und einer Scheinwelt
Reflexartig regt sich die Schelte, die Heidi Klum und ihr Funkelimperium ins Visier nimmt. „Solche Formate verderben unsere Kinder“, tönt es. „GNTM ist schuld, dass viele Mädchen sich zu dick, zu hässlich, schlichtweg nicht ausreichend fühlen.“ Doch das wäre zu kurz gegriffen.
Denn „Germany's Next Topmodel“ ist nur ein Symptom in einer Gesellschaft, in der ein schiefes Frauenbild fern jeder Realität vermittelt wird. Nicht nur von Plakaten und Zeitschriftencovern lächeln uns die perfekten Frauen entgegen, bereits kleine Mädchen lernen, dass es in erster Linie auf eines ankommt: gutes Aussehen. Im Gegensatz zu ihren Brüdern, die clever und stark sein dürfen, müssen sie hübsch und niedlich sein und gefallen. Prinzessinnenkleider für Mädchen, Astronautenanzüge für Jungs. Der Weg zum Erwachsenwerden führt vorbei an wunderschön retouchierten Werbegesichtern, an Konfektionsgrößen, die immer enger werden, an sozialen Medien, die wie eine Lupe das eigene Leben vergrößern und alle Unperfektheiten auf dem Silbertablett servieren. Urteilen und beurteilt werden.
Werbung und Medien vermitteln so stark zugespitzte Stereotype, dass es für Heranwachsende ein Kraftakt ist, ihren eigenen Weg zu finden. Was fehlt, ist Vielfalt. In einem System, das einem unerschütterlichen Schönheitsideal folgt und Frauen auf ihr Äußeres reduziert, ist wie bei Heidi Klum und ihren „Meeedchen“ kein Platz fürs Anderssein. Auch wenn viele der vor allem jungen Zuschauerinnen die Sendung „nur zum Spaß“ schauten, blieben wieder mal Bilder von wunderschön zurechtgemachten, scheinbar perfekten Frauen hängen, die für das perfekte Foto ihren eigenen Willen vergessen und sogar wie Céline die Schule schmeißen. Der Blick auf die Realität wird geblendet durch den Glanz des Makellosen. Doch dann ist es meist schon zu spät. Deshalb müssen wir früher anfangen und junge Mädchen in ihrem Selbstwert stärken, sie dazu ermuntern, ihren eigenen Weg zu gehen – jenseits der Stereotype. Ob sie am Ende Astronautin oder doch wie Céline Topmodel werden wollen – die Wahl sollten sie zumindest haben.