Aber auch Helden altern. Ruhm verblasst. Schweinsteiger war seit den Tagen von Rio weitaus öfter verletzt als spielfähig. Ohnehin nie ein Ausbund an Dynamik und Spritzigkeit, wirkte er zuletzt zunehmend tranig, träge. Fast schon wie eine tragische Figur. Als solche kam er zu dieser EM. Doch weil Joachim Löw in Frankreich anscheinend die WM in Brasilien nachspielen will, nahm er auch einen verletzten Schweinsteiger in Kauf. Einen Kapitän im Ruhestand, der gleichwohl seine Rolle als Führungsspieler beanspruchte.
Doch die bisherigen Kurzeinsätze und nicht zuletzt 104 bemühte, aber die Kritiker keineswegs besänftigende Minuten gegen Italien haben gezeigt: Schweinsteiger führt nicht mehr. Er kann das deutsche Spiel nicht mehr ordnen, nicht strukturieren. Schweinsteiger hat genug mit sich selbst zu tun. Genau das müsste der Bundestrainer endlich erkennen. Ganze neun defensive Zweikämpfe hat der 31-Jährige in den 104 Minuten gegen die Italiener bestritten. Drei davon hat er gewonnen.
Eine WM wird nur einmal gespielt. Die EM in Frankreich auch. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont Löw in diesen Tagen, jeden der noch einsatzlosen Spieler aufstellen zu können. Bedenkenlos. Zu jeder Zeit. Dann sollte er es auch tun und einen Emre Can oder Julian Weigl im Halbfinale als Khedira-Ersatz bringen. Es geht nicht darum, den Sportler Bastian Schweinsteiger auf dem Altar der Öffentlichkeit zu opfern. Es geht darum, den Menschen Bastian Schweinsteiger zu schützen.
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