Gesetzliche Erbfolge
Wer erbt eigentlich, wenn es kein Testament gibt?
Schattenumrisse einer Gruppe auf Kopfsteinpflaster
Schattenumrisse einer Gruppe auf Kopfsteinpflaster
Stefan Sauer. DPA

Auch wenn es keinen letzten Willen gibt, wird das Vermögen eines Verstorbenen unter Angehörigen verteilt. Dann allerdings nach den Regelungen des Staates. So sieht die gesetzliche Erbfolge aus.

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Berlin/Heidelberg (dpa/tmn) – Wer kein gültiges Testament oder keinen Erbvertrag aufsetzt, dessen Vermögen wird nach der gesetzlichen Erbfolge weitervererbt. Sie sieht vor, dass in jedem Fall Bluts­verwandte profitieren. Für Ehe- und einge­tragene Lebens­partner gilt ein spezielles gesetzliches Erbrecht. Doch wie genau wird dann in einem Todesfall vererbt? Und was ist zu tun, wenn die gesetzlichen Regelungen im Einzelfall ungünstig sind? Wir klären auf.

Die Ordnungen

Wenn es kein Testament gibt, bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch die Erbfolge. Danach werden die Verwandten in sogenannte Ordnungen unterteilt. Das ist eine bestimmte Rangfolge, die festlegt, wer unter den Blutsverwandten wie viel bekommt.

Erben erster Ordnung sind die Nachkommen des Verstorbenen. Nach den Kindern erben die Enkelkinder, dann deren Kinder und so weiter. «Gibt es keine Verwandten erster Ordnung, erben Eltern und Geschwister», sagt Sophie Mecchia, Expertin für Erbrecht bei der Stiftung Warentest, «sie sind Erben zweiter Ordnung.» Erben dritter Ordnung sind Großeltern und deren Nachkömmlinge, also Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Erben vierter Ordnung Urgroßeltern und deren Nachkömmlinge. Und so weiter.

Vererbt wird dabei nach einer bestimmten Grundregel: «Solange zum Zeit­punkt des Todes­falls noch mindestens ein Verwandter einer vorrangigen Ordnung lebt, erbt dieser», sagt Mecchia. «Verwandte nach­rangiger Ordnungen gehen dann leer aus.» Die Eltern oder Geschwister des Verstorbenen zum Beispiel erben also nur, wenn es keine Kinder oder Enkelkinder gibt.

Das Ehegatten-Absplitting

«Die Ehegatten gehören keiner Ordnung an, sie erben separat», sagt Jan Bittler, Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht
und Vermögensnachfolge und Fachanwalt für Erbrecht. Wie viel Prozent des Erbes der überlebende Partner bekommt, hängt vom Güterstand der Eheleute und von der Anzahl der erbenden Blutsverwandten ab. Ohne Ehevertrag gilt die Zugewinngemeinschaft. «Bei der Zugewinngemeinschaft bekommt der Ehegatte 50 Prozent des Erbes», sagt Jan Bittler. «Hat er Kinder, teilen die sich die andere Hälfte.» Gibt es keine Kinder, bekommt der Partner drei Viertel der Hinterlassenschaft, die Eltern des Verstorbenen ein Viertel davon.

Sind die Eltern des Verstorbenen nicht mehr am Leben, erben die Geschwister des Erblassers das Viertel. Gibt es keine Geschwister, erben die Nichten und Neffen, danach die Großeltern. Gibt es diese nicht oder sind sie auch nicht mehr am Leben, bekommt der hinterbliebene Partner auch das restliche Viertel.

«Wenn der Ehevertrag vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft abweicht, kann das erheblichen Einfluss auf die Erbquote haben», sagt Sophie Mecchia. Bei Gütertrennung kann die Erbquote, je nach Anzahl der weiteren Erben, auf ein Viertel fallen. Denn das Erbe wird in diesem Fall durch alle Erben gleichermaßen dividiert, der Ehepartner verliert seinen Sonderstatus. Nur weniger als ein Viertel bekommt der oder die erbende Partnerin in keinem Fall.

Ist der Verstorbene nicht verheiratet, erben die Kinder alles. Hat er auch keine Kinder, geht es wieder durch die verschiedenen Ordnungen, also erst über die Eltern und Geschwister, dann zu den Neffen, Nichten und Großeltern. Findet sich kein Erbe oder wird das Erbe ausgeschlagen, bekommt der Staat alles – genauer gesagt das Bundesland, in dem der oder die Verstorbene zuletzt gemeldet war. Das soll herrenlose Vermächtnisse vermeiden.

Die Probleme

«Der Nachlass bei der gesetzlichen Erbfolge wird nach Quoten verteilt, nicht nach Dingen», sagt Jan Bittler. Die Erben müssen sich also unter Umständen eine Immobilie, einen Oldtimer oder wertvolle Kunst teilen. Das sei fast immer mit Konflikten verbunden.

Außerdem werden im gesetzlichen Erbrecht viele heute gängige Lebensformen wie Patchwork oder unverheiratetes Zusammenleben nicht berücksichtigt. Vor dem Gesetz ist der unverheiratete Partner ein Fremder und wird als Erbe nicht bedacht.

Unangenehm kann es auch werden, wenn die Kinder noch minderjährig sind. Da sie dann noch nicht voll geschäftsfähig sind, nimmt das Familiengericht bei zahlreichen Entscheidungen die Rechte der Kinder wahr.

Wer keine Kinder hat, der muss sich mit den Schwiegereltern das Erbe teilen. Auch das kann unschön sein. Aber all diese Schwierigkeiten sind einfach zu lösen: und zwar mit einem eigenen letzten Willen.

Die Lösung

Es gibt Fälle, in denen ein Testament oder Erbvertrag unerlässlich ist: zum Beispiel, wenn minderjährige Kinder oder größere Vermögenswerte vorhanden sind oder die Nachfolge eines Unternehmens geregelt werden muss. Aber auch, wer mit der staatlichen Erbfolge nicht glücklich ist, sein Erbe selbstbestimmt verteilen möchte, oder einen Streit der Erben vermeiden möchte, sollte selbstständig vorsorgen.

Grundsätzlich ist der letzte Wille auch ohne Notar gültig. «Wichtig ist es, das Testament komplett eigenhändig, handschriftlich und leserlich zu schreiben», sagt Sophie Mecchia, Expertin für Erbrecht. «Auch die Unterschrift ist ein Muss. Ohne sie ist das Testament unwirksam.» Es ist auch ratsam, dem Ganzen einen bestimmten Rahmen zu geben. «Mein Testament» sollte die Überschrift sein, es sollte mit Datum versehen sein, die Erben mit Vor- und Nachnamen genannt werden, am besten noch mit Geburtsdatum und die Aufteilung des Erbes klar geregelt.

Ob ein Anwalt oder Notar nötig sind, hängt von der individuellen Situation ab. Je komplexer die Konstellation, desto eher. Ein Erbvertrag ist ohne notarielle Beglaubigung gar nicht wirksam abzuschließen. Die Kosten für eine juristische Unterstützung orientieren sich bei einem Notar an der Erbmasse, bei einem Anwalt muss man mit 226,10 Euro für ein erstes Beratungsgespräch rechnen.

© dpa-infocom, dpa:250611-930-657878/1

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