Im Betrugs- und Untreueprozess gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Held wurde der erste Zeuge vernommen
Was beweist das Fehlen von Beweisen? Im Prozess gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten Held wurde der erste Zeuge vernommen
Marcus Held steht derzeit in Mainz vor Gericht. Der SPD-Politiker soll in seiner Funktion als Bürgermeister einer Kleinstadt krumme Immobiliengeschäfte gemacht haben. Doch war der Makler, an den 200.000 Euro Courtage gezahlt wurden, tatsächlich ein Makler?
dpa

Rheinland-Pfalz. Ermittler suchen nach Beweisen. Das ist ihre Aufgabe. Im Strafverfahren übernimmt sie die Polizei – stets im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Das Kommissariat 14 des Polizeipräsidiums Mainz hat dann auch Kisten voller Akten produziert, die die Schuld des SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held belegen sollen.

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Der soll in seinem Amt als Bürgermeister der rheinhessischen Kleinstadt Oppenheim Maklercourtagen in Gesamthöhe von rund 200.000 Euro an seine beiden Mitangeklagten überwiesen haben, ohne dass es eine Vermittlung gab. Im Gegenzug sollen die beiden Immobilienvermittler an den SPD-Ortsverein wiederum mehr als 24.600 Euro überwiesen haben. Held werden nun Untreue, bandenmäßiger Betrug, Bestechlichkeit sowie Verstöße gegen das Parteiengesetz vorgeworfen. Doch obwohl am ersten Tag der Zeugenvernehmung ständig von Befragungen und Asservaten die Rede war, geht es um etwas, was nicht gefunden wurde.

Als die Geschäftsräume der Gesellschaft der Mitangeklagten durchsucht wurden, war der leitende Ermittler, der als erster Zeuge aussagte, zugegen. „Es hat meiner Meinung nach nichts darauf hingedeutet, dass jemand hier eine Gesellschaft betreibt, die Immobilien als Makler vermittelt“, sagte der Kriminalhauptkommissar. „Zweck dieser Gesellschaft“, fuhr er fort, „bestand auch nicht im Maklergeschäft, sondern in der Vermietung von Ferienwohnungen.“ Dementsprechend tauchten zu erwartende Beweismittel kaum auf. In Erinnerung blieb ihm vor allem ein Kassenbuch, in dem die Anschaffung von Verbrauchsartikeln dokumentiert war.

Sein Fazit: „Es gab nichts, woran man festmachen könnte, dass dort jemand einer Tätigkeit nachgegangen sein könnte.“ Das steht klar und deutlich im Widerspruch zur Aussage von Held. Der hatte vor rund zwei Wochen am zweiten Prozesstag den Makler zur Schlüsselfigur in der Entwicklung eines Baugebiets in Oppenheim stilisiert. Nur durch dessen „ausgeprägte Vernetzung in der Stadt Oppenheim und zu den Eigentümern von Grundstücken in dem Baugebiet“ seien der Stadt überhaupt die notwendigen Ankäufe möglich gewesen. Auch sei Eile geboten gewesen. Schließlich habe es für jedes Grundstück zwei oder drei Interessenten gegeben.

Der ermittelnde Polizist, der rund 30 Vernehmungen durchgeführt hat, fand dafür allerdings keinerlei Belege. Auf die Frage des Richters nach Hinweisen auf andere Interessenten für die Grundstücke zur Erschließung eines neuen Baugebiets antwortete der Polizeibeamte: „Ist mir nichts in Erinnerung.“ Im Gegenteil: „Auf jeden Fall ist mir in Erinnerung, dass die meisten Zeugen gesagt haben: Es gab sonst keinen anderen Interessenten.“ Auch zur Firma des laut Held so wichtigen Maklers ging es in diesen Gesprächen. Ergebnis: „Die Firma war meines Wissens bei keinem der Grundstückseigentümer bekannt.“

Ein Beleg für die Tätigkeit wurde dann aber tatsächlich an die Wand des Schwurgerichtssaals projiziert. Held las ihn vor, denn er war in seiner Handschrift abgefasst. Im formlosen Brief an den „lieben Frieder“, gemeint ist der inzwischen verstorbene Beigeordnete Frieder Reichert, bedankt sich Held „dass Du Herrn X motivieren konntest, aktiv zu werden“. Das Gericht interessierte sich dafür, wie diese handschriftliche Botschaft als Kopie in den Akten der Gemeinde Oppenheim landen konnte. Der Ermittler war einigermaßen ratlos. Held ebenfalls. „Ich habe mich das auch schon gefragt“, sagte er und vermutete, dass „ein Zivi“ oder „eine Sekretärin“ das Schriftstück beim Aufräumen des Reichert’schen Nachlasses in einen Ordner geheftet haben könnte.

Auch die Verteidiger des Mitangeklagten machten sich anschließend auf die Suche nach Belegen für dessen Maklertätigkeit. Daraus entspann sich ein kurioser Dialog. „Haben Sie einen mündlichen Vertrag gefunden?“, fragte ein Verteidiger. „Einen mündlichen Vertrag kann man nicht finden“, antwortete der Richter trocken. Die Verteidigung bekräftige daraufhin, dass es ihr darum gehe, ob die Staatsanwaltschaft auch in alle Richtungen ermittelt hat, sprich Zeugen nach mündlichen Verträgen befragt habe.

Held und der Mitangeklagte verstehen sich derweil noch immer bestens. In einer Prozesspause plauderten sie und machten deutlich, wo sie ihre Gegner vermuten. Unweit der „politisch motivierten“ Staatsanwaltschaft sitzen sie auch auf der Pressetribüne. „Da steht morgen wieder Scheißdreck in der Zeitung“, sagt der Mitangeklagte. SPD-Mandatsträger Marcus Held lachte und stimmte zu: „Ja.“

Von unserem Mainzer Korrespondenten Carsten Zillmann

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