Rheinland-Pfalz
Wahlen: Ein Regierungswechsel ist noch kein Machtwechsel

Ein neuer Landtag und eine neue Regierung heißen noch nicht, dass die Macht den Besitzer gewechselt hat. Der Prozess ist komplizierter.

dpa

Rheinland-Pfalz. Die rheinland-pfälzische Landtagswahl hat sich zu einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU entwickelt. Der Ausgang ist ungewiss. Doch einmal vorausgesetzt, die Christdemokraten würden den Urnengang tatsächlich gewinnen, wäre ein Regierungswechsel noch nicht automatisch ein Machtwechsel. 

Von unserem Redakteur Dietmar Brück

In vielen Ministerien, Behörden und auch in der Staatskanzlei würde die CDU die schwarze Spitze einer weitgehend roten Verwaltung bilden. Ein Vierteljahrhundert SPD hat den staatlichen Behördenapparat sozialdemokratisiert. Selbst wenn die Genossen auf den harten Oppositionsbänken Platz nehmen müssten, würden ihre Leute immer noch an sämtlichen Schaltstellen sitzen.

Es gibt mächtige Abteilungsleitern in den Ministerien, denen nahezu egal ist, wer unter ihnen Minister ist. An diese Schlüsselpositionen würde die CDU nicht so einfach herankommen. Ihre eigenen Leute könnten die Christdemokraten halbwegs problemlos nur dann an die Spitze der Ministerialabteilungen setzen, wenn die entsprechenden Beamten in den Ruhestand gehen. Die dazu passenden Listen dürften schon auf beiden Seiten kursieren.

Teuer für die Staatskasse

Überhaupt darf eine neue Regierung nicht schalten und walten wie sie will. Selbst die politischen Beamten kann sie nicht massenhaft aus dem Verkehr ziehen. Man könnte sie allenfalls auf weniger sensible Positionen versetzen. Denn um einen politischen Beamten loszuwerden, muss eine neue Regierung diesen in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Das wird richtig teuer für die Staatskasse. Und die CDU will die Sanierung der Staatsfinanzen zu einem ihrer Markenzeichen machen. Da ist Haushaltsdisziplin angesagt.

Trotzdem bringt jede neue Regierung ihre eigenen Leute mit. Ministerpräsidentin, Minister, Staatssekretäre und der Chef der Staatskanzlei wechseln selbstverständlich, auch der Chef der ständigen Vertretung in Berlin und Brüssel. Zudem ernennt jeder Minister sein engstes Team: seinen Büroleiter, seinen persönlichen Referenten und seinen Pressesprecher. Im Leitungsstab wird ausgetauscht und umgebaut. Das gilt auch für die Büros der Staatssekretäre.

Ingesamt reden wir bei einem Ministerium (und auch bei der Staatskanzlei) von einer Handvoll bis zu einem Dutzend Stellen. Wer glaubt, dass eine Staatskanzlei zum Beispiel, das Machtzentrum einer Regierung, besenrein an die neue Ministerpräsidentin übergeben wird, der irrt. Selbst dort bleiben zahlreiche, sogar die allermeisten Beamten im Amt. An manchen Stellen wäre alles andere auch reichlich skurril. Denn warum sollte beispielsweise eine Protokollchefin oder der Verantwortliche für Orden und Ehrungen weichen müssen, obwohl deren Ämter keine besonders politischen sind?

Und: Selbst beamtete Staatssekretäre müssen in den einstweilgen Ruhestand wechseln, will man sie komplett kaltstellen. Anders ist das mit den parlamentarischen Staatssekretären. Das sind rein politische Positionen, und deren Karriere ist bei einem Regierungswechsel meist vorbei. Oder sie wechseln das Bundesland wie einst Umweltstaatssekretär Thomas Griese (Grüne), der zuvor in Nordrhein-Westfalen amtierte.

Unter politische Beamte fallen übrigens auch die wenigen Ministerialdirektoren (MD) – etwa die Ständige Vertreterin des Chefs der Staatskanzlei oder der MD im Innenministerium.

Doch auf der Liste derer, die einem Regierungswechsel fast zwangsläufig zum Opfer fallen, stehen noch mehr Verantwortungsträger. Da wären die Regierungssprecherin und ihr Stellvertreter. Dazu kommen Präsident und Vizepräsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), Präsident und Vize der Struktur- und Genehmigungsdirektionen (SGD) Nord und Süd, der Chef der Abteilung für Verfassungsschutz und der Beauftragte der Landesregierung für Migration und Integration. Sind sie politische Beamte, haben sie den einstweiligen Ruhestand als Ausweg. Aber nur dann, wenn sie mindestens fünf Jahre, also eine ganze Legislaturperiode, im Dienst waren. Sonst werden sie entlassen.

Politische Beamte fallen recht weich. Erst einmal läuft für gut drei Monate ihr volles Gehalt weiter, dann erhalten sie bis zu drei Jahren knapp 72 Prozent. Danach kommt die verminderte Pension, die ebenfalls knapp ein Drittel niedriger als normal ist. Die ursprünglichen Monatsgehälter der Betroffenen können zwischen 7300 und knapp 10 200 Euro liegen.

Loyalität entscheidet

Unabhängig von Fragen der Finanzen und der Gerechtigkeit stellt sich für eine neue Regierung auch die Frage der Loyalität ihrer Mitarbeiter. Viele Beamte denken erst an die Sache, dann an das Parteibuch – wenn sie überhaupt eins haben. Mit ihnen wird jede neue Regierung gut zurecht kommen.

Schwieriger ist es mit den eingefleischten Parteigängern. Da könnte eine CDU nie sicher sein, ob pikante Internas nicht postwendend und bestens dokumentiert zum politischen Gegner, also der SPD, wandern. Sogar im Falle einer Großen Koalition wären die Genossen eindeutig im Vorteil. Ihre Netzwerke und Seilschaften sind weit besser als die der CDU. Also selbst wenn die Regierung wechseln sollte: Ein Machtwechsel braucht Zeit und langen Atem.

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