Nürburgring

Millionending vom Nürburgring: Wie Ex-Finanzminister Ingolf Deubel dabei seinen Crash erlebte und am Ende auch im Gefängnis landete

Ingolf Deubel wird der Ring zum Verhängnis.
Ingolf Deubel wird der Ring zum Verhängnis. Foto: dpa

Seit 1927 haben vor allem Motorsportler am legendären Nürburgring Geschichte geschrieben – ob Rudolf Caracciola in der Silberpfeil-Ära, Jackie Stewart, der den Namen „Grüne Hölle“ an der Nordschleife prägte, ob Niki Lauda, der 1976 mit seinem schweren Unglück den Bau der Grand-Prix-Strecke auslöst, oder Michael Schumacher mit seinem Triumph im strömenden Regen 1995. Will 2006 Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) nach dem Triumph der absoluten Mehrheit in der Eifel als Politpilot auch Geschichte schreiben?

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In jedem Fall endet das Kapitel mit einem teuren Crash, mit der Pleite der Nürburging GmbH und einem Ex-Minister hinter Gittern. Heute gehört der Ring einem russischen Unternehmer, der ihn für 77 Millionen Euro oder den Verkehrswert derRennstrecken günstig kaufen konnte. Diese Dimension des Scheiterns hat niemand ahnen können, als Beck 2006 freie Fahrt für den gigantischen Ausbau mit Hotels, Ferien- und Vergnügungsdorf samt Großdisco und Achterbahn in der Eifel sieht, die heute wie ein Menetekel in der Eifel steht. Sie erinnert auch an den tiefen Fall von Ex-Finanzminister Ingolf Deubel, den die „Grüne Hölle“ so aus der Kurve fliegen lässt, dass er mehr als elf Jahre nach dem Finanzcrash im November 2020 im Gefängnis landet. Wegen uneidlicher Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Landtags und Untreue hat ihn das Landgericht Koblenz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt, die er anfangs auch im geschlossenen Vollzug absitzen muss.

Aber wie ist es dazu gekommen? Beck will die Rennstrecke wegen der unbezahlbaren Formel-1-Rennen zu einem Freizeit- und Kongresszentrum ausbauen, um auch im Winter Gäste in die Eifel zu locken und Jobs zu schaffen. Weil der Plan aber vor einem guten Jahrzehnt wegen fehlender Investoren schon einmal gescheiterte, hat 2004 der damalige Koalitionspartner FDP noch gebremst. Seine Bedingung: Für den Löwenanteil von geschätzten 200 Millionen Euro sollen private Investoren aufkommen. Dass Beck aber mit der absoluten Mehrheit an der Rennstrecke richtig Gas geben kann, dafür soll sein neuer Finanzminister Deubel sorgen, der auch Aufsichtsratschef der Nürburgring GmbH wird, die damals noch zu 90 Prozent dem Land und zu 10 Prozent dem Kreis Ahrweiler gehört.

Im November 2007 kündigt Deubel die neue Erlebnisregion an: Rund 80 Millionen Euro übernehme ein Großinvestor, 135 Millionen Euro aber die Ringgesellschaft. Bagger rollen an, wer sie alle finanziert, bleibt lange eher vage, auch wenn der schillernde Projektentwickler Kai Richter als Investor vorgestellt wird. Dass der Düsseldorfer das Projekt allein finanziell nicht stemmen kann, fliegt erst später krachend und überdeutlich auf – nach Deubels Rücktritt am 7. Juli 2009, zwei Tage vor der pompösen Eröffnung, zu der auch Ex-Tennisstar Boris Becker als Ring-Botschafter mit fürstlichem Honorar angeheuert wird.

Wie ungeheuerlich sich Deubels Finanzierungstricks immer mehr gesteigert haben, zeigt sich erst nach und nach – in einer Serie unserer Zeitung, im Untersuchungsausschuss des Landtags und schließlich vor dem Koblenzer Landgericht. Deubel hat windigen Beratern vertraut und am Ende gehofft, dass der Schweizer Urs Ba-randun mit der amerikanischen Miracle Asset Management (Wundervermögensverwaltung) einen großen Geldgeber für ihn und die staatlichen Millionen an der Hand hat.

Doch der vermeintliche Chef Pierre S. Dupont aus Delaware ist kein Mann von großem Milliardärsadel, wie Beck wähnt. Der hat noch keine 100 Dollar auf dem Konto. Becks Zusage, dass der Steuerzahler keinen Euro für die mehr als 330 Millionen Euro teuren Investitionen zahlen muss, platzt wie die Schecks. Und es wird bekannt: Deubel hat den erfolglosen Beratern am Aufsichtsrat vorbei hohe Provisionen zugeschustert und mit 85 Millionen Euro an stillen Anleihen der 
Landesförderbank, für die das Land bürgt, klamme Investoren gestützt.

Elf Jahre später wird Deubel in einem zweiten Prozess in Koblenz rechtskräftig zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, weil er die Nürburgring GmbH um 475 000 Euro geschädigt und den Landtag getäuscht hat. Vorsitzende Richterin Monika Fay-Thiemann hält ihm vor, „mit besonderer krimineller Energie rote Linien deutlich überschritten“ zu haben. Sie geht dabei strafmildernd noch davon aus, dass Deubel seine Pension von monatlich rund 6700 Euro verliert und von 2100 Euro Rente leben muss. Aber die Pension kann sich Deubel vor dem Oberverwaltungsgericht wieder erstreiten. Das Verfahren um die millionenschweren Anleihen wird danach eingestellt. Jetzt kämpft Deubel, noch immer von seiner Unschuld überzeugt, für ein komplettes Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgericht Kaiserslautern. Ausgang offen.