++ 19:12 Bilanz: Zu wenig Tempo für weniger Zucker
Ostsee

Seebrücken sind gut für Selfies: Auf zwei Rädern durch die Karibik des Ostens

Von Olaf Paare
Mit dem Fahrrad direkt an den Strandkorb. An der Ostsee ist das kein Problem. Die Strandbäder, wie auf unserem Foto Kühlungsborn, sind auf Fahrradtouristen eingestellt.
Mit dem Fahrrad direkt an den Strandkorb. An der Ostsee ist das kein Problem. Die Strandbäder, wie auf unserem Foto Kühlungsborn, sind auf Fahrradtouristen eingestellt. Foto: Olaf Paare

Die unterschiedlichen Charaktere der Ostsee in nur vier Tagen auf zwei Rädern zu entdecken – diese Möglichkeit ergibt sich für Urlauber, die sich für die sportive Variante des Radreisens entscheiden. Zwischen 70 und 90 Kilometer pro Tag sammeln sich dabei locker auf dem Kilometerzähler des Fahrradcomputers an. So ganz nebenbei erfährt dabei auch ein Wessi, wo die Ossis schon vor der Wende ihre Urlaube verbracht haben.

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Aufgrund der Wetterbedingungen empfehlen Ortskundige, den Ostsee-Radweg von West nach Ost in Angriff zu nehmen. In den Morgenstunden lacht die Radfahrer deshalb die Sonne an. Ben Zuckers Hit „Der Sonne entgegen“ muss in diesen Momenten bei den ersten kraftvollen Tritten in die Pedale entstanden sein ...

Als optimaler Startpunkt für eine Tour auf dem Ostseeradweg erweist sich Lübeck. Die Hansestadt ist gut zu erreichen, und der Besuch der Altstadt veredelt den Anreisetag. Zu viel Marzipan sollten die Reisenden aber nicht naschen, schließlich fällt am nächsten Morgen der Startschuss für die sportliche Herausforderung. Es empfiehlt sich angesichts des ambitionierten Tagesprogramms, zeitig die Taschen zu packen und auf den Sattel zu steigen. Allerdings sollten die Radfahrer auch nicht auf Rekordjagd gehen und sich den Tag gut einteilen. Der Weg ist an den folgenden vier Tagen das Ziel.

Überall an der Ostsee stehen ausreichend Radabstellmöglichkeiten zur Verfügung, meist in der Nähe der Seebrücken.
Überall an der Ostsee stehen ausreichend Radabstellmöglichkeiten zur Verfügung, meist in der Nähe der Seebrücken.
Foto: Olaf Paare

Von Lübeck aus geht es quasi zum Einrollen nach Travemünde. Dort ist erstmals ein Blick auf die Ostsee zu erhaschen. Zwei (kleine) Umwege sollten die Radler keineswegs scheuen. Der ausgeschilderte Panoramaweg gibt einige tolle Blicke auf das Hafengelände frei. Und vor dem Übersetzen mit der Fähre darf ein Abstecher an den Strand nicht fehlen. Er führt mitten durch die belebte Flaniermeile Travemündes und am ältesten deutschen Leuchtturm vorbei. Die Strandpromenade von Travemünde ist so breit, dass dort das Radfahren erlaubt ist – im Gegensatz zu vielen anderen Promenaden. Mit ein bisschen Rücksicht klappt das wunderbar. Die Wartezeit auf die Fähre wird von einem kleinen Markt mit regionalen Produkten, der sich direkt am Anleger befindet, versüßt. Auf der anderen Seite der Trave beginnt ein langer, ruhiger Strandabschnitt. Er lädt direkt mal dazu ein, die Füße ins Wasser zu strecken. Für das Rad – und das gilt für die gesamte Strecke – findet sich überall ein Abstellplatz.

An diesem Strandabschnitt verlief einst der Eiserne Vorhang. Wir entdecken nun also Mecklenburg-Vorpommern und damit die Region, die sich seit dem Mauerfall vor 30 Jahren zu einem der beliebtesten Urlaubsgebiete der Deutschen gemausert hat.

Ein Selfie auf der Seebrücke von Zingst ist Pflicht.
Ein Selfie auf der Seebrücke von Zingst ist Pflicht.
Foto: Olaf Paare

Auf den folgenden Kilometern sehen, riechen und spüren die Radfahrer die Ostsee – dank der Nähe entsteht eine natürliche Verbindung zum „deutschen Ozean“. Ach ja, und schmecken lässt sich die Region auch. „Ich habe noch nie an einem Tag so viele verschiedene Früchte genascht“, erzählt Herrmann, ehe er sein E-Bike wieder in Schwung bringt. Beeren aller Art, Äpfel, aber auch Zwetschgen lassen sich unterwegs finden und laden zur Stärkung ein. Schließlich befahren wir eine Steilküste, heißt: Die eine oder andere Steigung muss bewältigt werden, Höhenmeter kommen zu den Entfernungskilometern hinzu. Und auch der Untergrund ist nicht immer eben, der eine oder andere Abschnitt führt über Schotter und durch Waldgebiete. Ein Rennrad wäre da das falsche Vehikel. Kurz vor dem Trubel Boltenhagens biegen wir zu einer Ruheoase ab: Das Café House Karin hat sich auf Dinkelprodukte spezialisiert, die Kuchenkarte wechselt täglich, und der leckere Windbeutel ist eine (Kalorien-)Bombe.

Nach der Stärkung geht es hinunter nach Boltenhagen, dem Startschuss für eine besondere Sammelaktion: Selfies auf der Seebrücke. „Kennst du eine, kennst du alle“, sagen die einen. „Jede hat ihr eigenes Flair“, die anderen. Der Hype setzt sich in den nächsten Tagen fort: Ran an die Brücke, Rad abstellen und an der Spitze ein Foto schießen.

An einsamen Stellen lässt sich das Rad auch schon mal an der Wasserlinie schieben.
An einsamen Stellen lässt sich das Rad auch schon mal an der Wasserlinie schieben.
Foto: Olaf Paare

Doch der Radweg hat neben Ostseebädern noch mehr zu bieten, urbane Sehenswürdigkeiten beispielsweise. Die Hansestadt Wismar ist eine solche Stadt, die eine sehenswerte Altstadt, ein sich ständig veränderndes Hafengelände und die älteste Karstadt-Filiale Deutschlands in sich vereint. Pflicht ist ein Fischbrötchen am Hafen direkt vom Kutter.

Die idyllische Insel Poel kurz hinter der Großstadt ist einen rund zehn Kilometer langen Abstecher wert, ehe wieder die Ostseebäder locken. Rerik macht den Anfang. Es ist toll zu sehen, wie sich die Bäder herausgeputzt haben und mit sonnenüberfluteten Plätzen, idyllischen Häfen, endlosen Stränden und Seebrücken punkten wollen. Bevor wir die Ostseeperle Kühlungsborn ansteuern, lohnt es sich, den Leuchtturm in Bastorf zu besteigen. Sein Besuch kostet sechs Kilometer Umweg, entlohnt aber mit einem atemberaubenden Blick in die gesamte Region. Auch Kühlungsborn ist von oben zu erkennen. Und dorthin radeln wir nun mit Karacho. Der lang gezogene Ort bietet viel mehr als einen kilometerlangen Strand und eine breite Promenade. Die Ostseeallee brilliert mit Prachtbauten. Vom Radweg aus sind die architektonischen Meisterwerke zu bewundern. Am Ortsausgang verzückt zudem der moderne Jachthafen. Auch in Heiligendamm tut sich einiges. Der Kontrast zwischen dem ehrfürchtigen Grand Hotel und den Ruinen aus DDR-Zeiten nebenan hatte sich zu einem Anziehungspunkt entwickelt, doch mittlerweile entstehen dort moderne Wohn- und Ferienanlagen.

Ein Abstecher auf die Insel Poel ist immer drin.
Ein Abstecher auf die Insel Poel ist immer drin.
Foto: Olaf Paare

Die sind in Warnemünde längst zu finden. Der verlängerte Arm von Rostock besticht neben einem traumhaft breiten und feinen Sandstrand auch noch mit seinem Hafenflair. Kreuzfahrtschiffe, Tanker, aber auch ein schnuckeliger historischer Abschnitt sind ein Farbtupfer, ehe wir uns dem Fischland Darß nähern. Es steht für Strände ohne Ende – die Karibik des Ostens. Nun muss der Handyakku wieder Höchstleistung bringen, denn Seebrücken gibt es auf diesem Abschnitt wie Quallen, Strandkörbe und Fischbrötchenstände. In Graal-Müritz, Wustrow, Prerow und Zingst können sich die Besucher den Wind um die Ohren wehen lassen und einen Blick von Meeresseite aus aufs Land riskieren. Die Wege zwischen den Seebädern sind gut zu befahren, und überall gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Rad auch mal stehen zu lassen und ein Sandpeeling an den Füßen bei einem Strandspaziergang zu genießen.

Herzstück des Fischlands ist das Künstlerdorf Ahrenshoop – dort ist aber Schieben oder Spazieren angesagt, zu voll ist es im Sommer in einem Ort, in dem an jeder Ecke ein Kunstwerk wartet. Prerow gilt als Geheimtipp. Die Wasser- und Waldlandschaft Prerower Strom zwischen Ort und Strand unterstreicht das kilometerlange Sandidyll. Eine Dinkelwaffel in Peters Waffelbar ist zur Stärkung Pflicht.

Hinter Zingst verabschiedet sich der Ostsee-Radweg von seiner Namensgeberin. Vorbei an Barth geht es an der Boddenküste entlang, durch Schilfgebiete und über Alleen in Richtung Stralsund, dem Zielort der sportiven Variante, die Ostsee auf zwei Rädern zu erobern. Am Tor nach Rügen lassen sich auf sehenswerten Plätzen und im Schatten ehrwürdiger Gebäude die Erlebnisse der vergangenen Tage noch einmal aufarbeiten.

Von unserem Redakteur Olaf Paare

Wissenswertes für Reisende

Zielgruppe: Eine Ostsee-Radreise ist für jeden Radfahrer geeignet, da die täglichen Distanzen je nach Kondition ausgewählt werden können. Auch E-Bikes stehen zur Wahl. Für die sportive Variante ist eine gute Fitness Grundvoraussetzung. Beste Reisezeit: Mai bis Oktober

Unsere Tipps:

  • Ein Gepäckservice, der die Koffer von Hotel zu Hotel bringt, ist empfehlenswert. Ohne Ballast lässt es sich einfacher radeln.
  • Ein intensiver Blick in den Tourenplan und auf die Karte ist unerlässlich. Der Ostsee-Radweg ist je nach Region sehr unterschiedlich ausgeschildert, teilweise ist die Beschilderung mangelhaft.
  • Als Startzeitpunkt empfiehlt sich ein Tag, an dem in Lübeck das Duckstein-Festival läuft. Kunst, Kultur, Kulinarisches prägen dann das Hafengelände der Hansestadt.
  • Das Meeresmuseum in Stralsund bringt den Menschen die Faszination Ozean näher.

Unser Autor ist auf Einladung gereist mit der Mecklenburger Radtour und hat übernachtet im Hotel Lindenhof in Lübeck, im Hotel Am Alten Hafen in Wismar, im Landhotel Ostseetraum in Warnemünde, in der Pension Sommerlust in Prerow und im Hotel am Jungfernstieg in Stralsund.

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