Kristiansand

Kurs auf den Norden: Übers Wochenende auf Kreuzfahrt

Von Dirk Eberz
Einmal Norwegen und zurück: Die „MS Romantika“ steuert auf ihrer Minikreuzfahrt das malerische Städtchen Kristiansand im Süden des skandinavischen Landes an.
Einmal Norwegen und zurück: Die „MS Romantika“ steuert auf ihrer Minikreuzfahrt das malerische Städtchen Kristiansand im Süden des skandinavischen Landes an. Foto: Müller-Touristik

Entspannen und genießen: Mit der MS Romantika geht es über die Nordsee nach Kristiansand an die norwegische Riviera.

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Als die „MS Romantika“ ablegt, zeichnet sich bereits ab, dass die Minikreuzfahrt nach Norwegen eher keine Bildungsreise wird. Auf dem Sonnendeck wummern die Bässe. Partymusik. Die Stimmung ist ausgelassen. Vor dem Zapfhahn am Bierstand haben sich lange Schlangen gebildet, um sich das Industriegebiet Eemshaven irgendwie schön zu trinken, das irgendwann als grau-braune Silhouette am Horizont verschwindet. Vom Norden der Niederlande geht es bei herrlichem Spätsommerwetter nach Kristiansand. Noch eine kleine Kurve um die Insel Borkum herum, die Steuerbord am Schiff vorbeizieht. Dann geht es rund 550 Kilometer über die offene See. Fast immer geradeaus. Kurs Nord.

Bis Dänemark wird das Schiff von Hunderten Windrädern eskortiert. Danach liegt nur noch die graue Nordsee vor uns. Mit 20 Knoten gleitet die „Romantika“ in den Sonnenuntergang. Spiegelglatt liegt die für ihre Stürme gefürchtete Nordsee vor uns. In der Nacht wird es dann aber doch etwas unruhig. Die Kabine vibriert, das Bett schwankt. Das knapp 200 Meter lange Schiff kämpft sich durch das berüchtigte Skagerrak, in dem Ost- und Nordsee aufeinandertreffen.

Gleich hinter dem Jachthafen von Kristiansand beginnt schon die Wildnis mit zerklüfteten Buchten und den berühmten Schäreninseln.
Gleich hinter dem Jachthafen von Kristiansand beginnt schon die Wildnis mit zerklüfteten Buchten und den berühmten Schäreninseln.
Foto: Dirk Eberz

Die Bullaugen sind von einer Salzkruste überzogen. Draußen taucht der Mond das schwarze Meer in ein fahles Licht. Wellen klatschen gegen die Bordwand. Vielleicht ein, zwei Meter hoch. Kein Tosen, nur ein Grundrauschen, das die Passagiere wieder in den Schlaf wiegt – bis eine blecherne Stimme aus dem Kabinenlautsprecher dröhnt, die auf Englisch, Niederländisch und Norwegisch zum Frühstück einlädt. Wer noch nicht wach war, ist es spätestens jetzt. Also Duschvorhang raus – und das Bad wird zur Nasszelle. Die Kabinen, in denen dank zusätzlicher Klappbetten vier Gäste Platz finden, sind zehn Quadratmeter reiner Pragmatismus.

Auf Deck neun steuert der Kapitän die „Romantika“ unterdessen sicher durch die Schäreninseln, die sich vor der zerklüfteten Küste aneinanderreihen. Der Este wirft einen kurzen Blick aufs Radar. „Wir haben rund 100 Meter Wasser unterm Kiel“, sagt er. Bei 6,5 Meter Tiefgang braucht es deshalb keinen Lotsen, um in die breite Bucht vor Kristiansand einzufahren. Zwei rot-weiße Leuchttürme recken sich in den blauen Himmel. Wie aus dem Bilderbuch. Doch sie stehen hier keineswegs nur als pittoreske Deko für Kreuzfahrttouristen rum. „Sie sind immer noch wichtige Orientierungspunkte für die Schifffahrt“, sagt der Kapitän. Trotz all der Bildschirme auf der breiten Brücke, über die Sandbänke und Felsen leuchtend grün auf schwarzem Hintergrund flimmern.

58 Grad Nord zeigt das GPS an, als das Schiff nach einem komplexen Fahrmanöver an der Mole anlegt. 2 Grad nördlicher als Moskau. Aber der warme Golfstrom sorgt für ein mildes Klima in der „Hauptstadt von Südnorwegen“, die von drei Seiten mit Wasser umgegeben ist. An den weißen Stränden wachsen sogar Palmen, die sich sanft in der Meeresbrise wiegen. Hartgesottene können sogar noch in der Nordsee schwimmen. Norweger sind da bekanntlich komplett schmerzfrei. Selbst im Winter schlagen sie noch Löcher ins Eis, um baden zu gehen. Jetzt hat das Wasser immerhin noch erfrischende 19 Grad. Doch für einen Sprung ins kalte Wasser ist für die Tagestouristen jetzt keine Zeit.

Denn das Programm ist eng getaktet. Gerade mal fünf Stunden haben die Kreuzfahrer für ihren Stadtrundgang, dann kehrt die „Romantika“ schon wieder Richtung Niederlande zurück. Und die 1500 Passagiere müssen auch erst mal von Bord. An den Treppen kommt es zu Staus. Für die Norweger ist in Kristiansand Endstation. Sie schleppen ihr Gepäck mit sich nach unten. Bei einigen hat die Nacht angesichts der skandinavischen Freundschaftspreise von 5,50 Euro fürs Bier sichtbare Spuren hinterlassen. Andere rollen mit ihren Autos aus den Laderäumen. Eine Rockergruppe nutzt den Landgang für eine Spritztour mit ihren schweren Maschinen, die dröhnend über die Pier hinwegrasen.

An Land wartet die deutsche Gästeführerin Julia und gibt schon mal eine kurze Einführung in die Stadtgeschichte. „Kristiansand wurde 1641 als Quadrat wie auf dem Schachbrett geplant und ist im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut“, sagt sie. Auf einer Sandbank, um genau zu sein. „Es gibt im Zentrum von Kristiansand keine Kurven“, sagt die Deutsche, die seit fünf Jahren in der Stadt lebt.

Dank des Golfstroms wachsen an den weißen Stadtstränden sogar Palmen, obwohl Kristiansand noch nördlicher als Moskau liegt.
Dank des Golfstroms wachsen an den weißen Stadtstränden sogar Palmen, obwohl Kristiansand noch nördlicher als Moskau liegt.
Foto: Dirk Eberz

Dafür haben sie hier einen Fluss, in dem sich die Lachse tummeln. Ein Paradies für Angler und Fischer. Denn in Kristiansand beginnt die Natur gleich hinter den Häusern. Bis in die Berge sind es nur wenige Kilometer, um zu wandern oder um Ski zu fahren. „In den Sommerferien kommen die Norweger zu uns, um ihren Urlaub zu verbringen“, sagt Julia. „Auch wenn es in diesem Jahr ziemlich verregnet war.“ Von monatelanger Dürre wie in Deutschland keine Spur.

Kristiansand ist ein wahres Blumenmeer, Wiesen und Wälder sind saftig grün. Erst wenige Tage zuvor stand noch die halbe Stadt unter Wasser. Doch an diesem Spätsommertag präsentiert sich die norwegische Riviera, wie die Einheimischen ihre Südküste selbstironisch nennen, von ihrer Sonnenseite. 20 Grad und blauer Himmel.

Es ist nur ein kurzer Spaziergang bis zum Fischmarkt. Die rot und orange gestrichenen Holzhäuschen sind das Wahrzeichen der 110.000-Einwohner-Stadt. Es ist gerade nicht sonderlich viel los in den Bars und Restaurants, die sich um den kleinen Hafen gruppieren. Zu Festtagen wird es hingegen eng auf dem Wasser. Denn viele Norweger kommen direkt mit dem Boot zum Essen vorgefahren. „Dann ist der Hafen so voll, dass die Leute von Boot zu Boot springen müssen, um an Land zu kommen“, sagt Julia.

Im Reinhartsen schwimmt das Mittagessen sogar noch. In den großen Wasserbecken des Restaurants fristen Krebse und Hummer in allen Größen ihre letzten Stunden. Frisch aus der Nordsee gefangen. Praktisch vor der Haustür. Wahlweise hat die Traditionsfirma auch Krabben und Fischbrötchen im Angebot, die mit Algen serviert werden.

Damit sind schon mal die Grundlagen für das eher rustikale Kontrastprogramm an Bord gelegt. Schon am Nachmittag legt die „Romantika“ wieder ab. Kurs Süd. Die frisch gewonnenen Eindrücke aus Kristiansand werden bei Gin Tonic und Cuba Libre auf dem Sonnendeck verarbeitet, bevor die Passagiere am späten Abend in die Bars und Restaurants auf Deck sechs wechseln. Ein Theater mit Bühnenshow gibt es auch. Nachts wird die „Romantika“ zum Partyexpress.

Das Konzept kommt dabei im ersten Jahr so gut bei den meist norwegischen und niederländischen Gästen an, dass die Holland Norway Line ein zweites Schiff für die Route chartern will. Deutsche mischen sich bisher noch eher selten unter die Minikreuzfahrer. Das hat sich mittlerweile allerdings geändert. Denn neuerdings ist auch Müller Touristik mit am Start. Zum Auftakt hat Geschäftsführer Bernd Niemeyer gleich schon mal seinen eigenen Discjockey einfliegen lassen, um die Schiffsdisco gebührend einzuweihen, die bisher verwaist war. „Die Minikreuzfahrt passt ideal in unserer Konzept“, sagt der neue Chef des Reiseveranstalters aus Münster, der vor allem für Partygruppenreisen bekannt ist.