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Beim Landarzt locken leckere Torten

Von Olaf Paare
Beim Landarzt locken leckere Torten Foto: Olaf Paare

Nordsee oder Ostsee? Diese Diskussion brandet in vielen deutschen Wohnzimmern auf, wenn die Reiseplanung ansteht. Wind, Wellen und Gezeiten bestimmen das Leben links von Hamburg, rechter Hand der Elbmetropole locken Sandstrände, Badewannenwasser und Steilküsten. Doch warum eigentlich nicht Nordsee und Ostsee? Bei einer Radreise lassen sich die beiden beliebten Urlaubsregionen gemeinsam erkunden.

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„Von Küste zu Küste“ heißt das Projekt, bei dem Bernd Paulsen seine Reifen im Spiel hat. Der waschechte Friese ist gelernter Zweiradmechaniker, kennt sich also mit dem Fahrrad bestens aus. Vor allem aber ist er von der Einzigartigkeit seiner Heimat überzeugt. „Natur pur. Du wirst es genießen“, sagt er, wenn er den Norden und die Tour zwischen den Küsten beschreiben soll. Gemeinsam mit Kollegen hat Paulsen, der Radler für die Agentur Die Landpartie betreut, eine Route ausgeheckt, die vor Vielseitigkeit nur so strotzt: unterschiedliche Landschaften, liebenswerte Ortschaften, Strandidylle und Promenadenleben. Mit der Schlei begleitet die Strampler sogar noch ein malerisches Flüsschen. Langweilig wird es in der Woche an und zwischen den Küsten garantiert nicht.

Olaf Paare

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Husum bietet sich als Ausgangsort an. Das Hafenstädtchen vermittelt einen Crashkurs in Sachen Gezeiten. Wer mittags in einem der Hafenlokale seinen Kaffee geschlürft und die Boote im Wasser hat schaukeln sehen, traut abends seinen Augen kaum, wenn er einen Lachsburger bestellt und dieselben Boote nun auf dem Trockenen liegen. Jeder weiß um Ebbe und Flut, die Naturgewalten aber an einer derart markanten Stelle vor Augen geführt zu bekommen, ist faszinierend. Wer schon mal die Beine vor der Abfahrt lockern oder das Leihfahrrad auf seine Tauglichkeit testen möchte, der sollte einen Prolog an den Grasstrand von Husum einlegen, der Blick auf das Wattenmeer ist einzigartig. Schon dort machen die Radler das erste Mal Bekanntschaft mit den tierischen Begleitern der nächsten Tage: Schafe, Schafe und noch einmal Schafe. Auf dem Weg nach St. Peter-Ording dienen sie quasi als grasendes Publikum. Neben den Beinen werden auf diesem Abschnitt aber auch die Oberarme trainiert.

Alle paar Hundert Meter wartet ein Gatter zum Schutz der Schafe, das geöffnet und wieder geschlossen werden muss. Wie gut, dass die Radfahrer ein freundliches Völkchen sind, und so helfen sie sich gegenseitig durch die Schleusen.

Bevor die Deichlandschaft und damit die Heimat der Schafe erreicht ist, lockt aber hinter Husum ein architektonisches Schmuckstück: Der Rote Haubarg ist ein historischer Bauernhof aus dem 17. Jahrhundert mit imposantem Reetdach. Es leuchtet in der Morgensonne traumhaft. Ein paar Kilometer weiter geht es idyllisch zu: Der Porrendeich ist eine kleine Siedlung mit sehenswert bepflanzten Höfen und Häusern sowie Fischteichen.

Am imposanten Nordseedeich angekommen, empfiehlt es sich, das Rad unten stehen zu lassen, einen Aufgang zu erklimmen und von oben in die Ferne zu blicken. So ruhig wie hier bleibt es nicht, St. Peter-Ording ist schließlich der Ort in Schleswig-Holstein mit den meisten Ferienübernachtungen pro Jahr, hängt also andere Hotspots wie Westerland, Flensburg, Timmendorfer Strand oder Travemünde ab. Auf dem Weg in die Urlaubshochburg unbedingt auf der Meeresseite des Deichs fahren, um Wasser, Watt und Tiere auf sich wirken zu lassen. Schnell wird dann der Leuchtturm Westerheversand sichtbar. Von ihm aus ist es nicht mehr weit bis ins Strandparadies. Über mehr als zwölf Kilometer Länge erstreckt sich der feinkörnige, breite Sandstrand von St. Peter-Ording. Schöner kann die Karibik auch nicht sein. Das Fußpeeling nach der Radetappe tut gut, ein Strandspaziergang ist Pflicht – auch wegen der sehenswerten Hochbauten, die die Strandhäuser vor hohen Wasserständen absichern.

Die Schafe, meine neuen Freunde, Teil zwei steht am nächsten Morgen an, wenn es 20 weitere Kilometer der Nordsee entlang zum Eidersperrwerk geht. Das größte Küstenschutzbauwerk Deutschlands soll helfen, Flutkatastrophen im hohen Norden zu verhindern. Genau an dieser Stelle sollten die Von-Küste-zu-Küste-Pendler noch einmal tief einatmen, es gibt die letzte Nordseeluft zu schnuppern. Die Tour führt nun ins Landesinnere. Tönning ist dort die erste Station. Der Binnenhafen und die Altstadt sind vom Marktplatz aus per Fuß klasse zu erkunden, vom idyllischen Biergarten der alten Werft aus lässt sich der tolle Blick in den Hafen mit einer kühlen Erfrischung perfekt verbinden. Über Feldwege, die sich am Wikinger-Friesen-Radweg orientieren, geht es weiter nach Friedrichstadt – für viele die Perle des Nordens. Vor allem erinnert die Stadt dank ihrer Grachten an Amsterdam. Kein Wunder, schließlich wollte ein niederländischer Kaufmann den Standort an der Treene zu einem bedeutenden Hafen ausbauen. Das misslang, Friedrichstadt ist noch immer verträumt, aber gerade deshalb wunderschön. An jedem Haus ranken Rosenstöcke. Viele Bewohner haben Bänke vor die Häuser gestellt, auf denen sie mit den Besuchern gern einen Plausch halten. Wer sich Friedrichstadt als Übernachtungsort ausgesucht hat, sollte sich rechtzeitig um ein Abendessen bemühen. Da die Stadt auf Tagesgäste eingestellt ist, schließen viele Cafés, Geschäfte und Restaurants schon am Nachmittag.

Eine Stärkung ist aber vonnöten. Der Abschnitt von Friedrichstadt in Richtung Schleswig ist der urigste. Wälder, Moore, Felder, kleine Bäche – die Landschaft ist abwechslungsreich. Paulsens „Natur pur“ kommt einem wieder in den Sinn. Es kann passieren, dass man 20 Kilometer radelt, ohne einen Menschen zu treffen. Selbst die gepflegten Ortschaften, die durchquert werden, wirken verlassen. „49 Kilometer lang gab es kein Café oder eine andere Möglichkeit, sich zu stärken“, stellte Ilka aus Berlin überrascht fest. Dafür bekommen die Radler ein Unesco-Weltkulturerbe zu sehen. Seit 2018 gehören die Wallanlagen des Danewerks zum renommierten Portfolio. Mit den Wällen, die ein bisschen wie riesige Ameisenhaufen aussehen, haben sich die Wikinger einst gegen Angreifer aus dem Süden abgesichert. Apropos Wikinger: Nur wenige Kilometer vor Schleswig liegt Haithabu an der Schlei. An diesem strategisch gut gewählten Ort stand einst die wichtigste Siedlung der Wikinger, im 8. Jahrhundert das größte Handelszentrum Nordeuropas. Heute befindet sich dort ein Freiluftmuseum, das das Leben der Wikinger näherbringt.

Noch ein paar Tritte und dann ist Schleswig erreicht. Eine Stadt mit vielen Grünflächen, die zum Picknicken genutzt werden dürfen, einem imposanten Schloss und einem einladenden Hafen. Das gilt für die moderne Variante, vor allem aber für den Ortsteil Holm. Um einen Friedhof herum haben Fischer einst kleine Häuschen erbaut. Statt Hausnummern dienen die Jahreszahlen der Erbauung als Orientierung – ein Highlight der Tour.

Der Abschnitt in Richtung Kappeln an der Schlei steht im Zeichen der Landcafés. Ein schlechtes Gewissen sollte sich nicht einstellen, die Kalorien werden schließlich auf dem Rad abtrainiert. Den Anfang macht ein Bio-Café in Goltoft mit leckeren Franzbrötchen. Schlemmen beim „Landarzt“ heißt es nur wenige Kilometer weiter im Lindauhof. Das imposante Gebäude kennen viele aus dem Fernsehen, diente es doch 26 Jahre lang als Kulisse und Drehort für die ZDF-Serie „Der Landarzt“. Im romantischen Hof schmeckt die Preiselbeertorte besonders gut. Wenige Tritte in die Pedale entfernt ist die Klappbrücke von Lindaunis. Die Überfahrt ist spektakulär, ja fast ein bisschen abenteuerlich. Nur ein Auto oder Fahrrad passt über die schmale Brücke. Auf der anderen Seite wartet direkt der Obsthof Stubbe. Wer möchte, kann dort Erd- oder Himbeeren selbst pflücken. Bei einem Stück Rhabarberbaiser lässt sich aber auch der schönste Blick weit und breit über die Schlei genießen. Eine Klappbrücke prägt auch den Hafen von Kappeln. Das Städtchen hat aber noch mehr zu bieten, die schöne Hafenmeile beispielsweise, eine Windmühle und die markanten Türme der Aalräucherei.

Nun ist auch die Ostsee mehr oder weniger erreicht. Zehn Kilometer sind es von Kappeln noch, und schon ist Meeresluft zu atmen und weißer Sand unter den Füßen zu spüren. Über den Ostseeradweg geht es fortan gen Süden bis nach Kiel. Direkten Kontakt zu Meer und Strand gibt es nur selten, da große Teile des offiziellen Radwegs an Straßen entlangführen. Doch der Weidefelder Strand und Damp sind gute Ziele für eine Abkühlung in der Ostsee.

Ein Höhepunkt folgt noch: Eckernförde. Die Heimat der Kieler Sprotten rundet die Tour perfekt ab. Eine einladende Fußgängerzone, der direkt angrenzende Hafen, ein schöner Sandstrand und die Promenade, auf der es sich an lauen Sommerabenden so herrlich flanieren lässt, machen den Charme des Ostseebades aus. Olaf Paare

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Der Sonnenuntergang im Hafen von Eckernförde (oben) ist eine Augenweide. Lohnenswert ist bei der Tour von Küste zu Küste ein Abstecher zum Lindauhof, der früher den Landarzt der gleichnamigen Serie beheimatete und heutzutage zur Kaffeepause einlädt (unten rechts). Sehenswert sind die Grachten von Friedrichstadt (unten Mitte), und an den Deichen der Nordsee säumen Schafe den Weg (unten links).

Fotos: Olaf Paare

Wissenswertes für Reisende

Zielgruppe: Die Radreise „Von Küste zu Küste“ ist geeignet für alle, zumal auch E-Bikes zum Einsatz kommen können.

Beste Reisezeit: Mai bis Oktober

Corona-Lage: Es gelten die aktuellen Vorgaben in Schleswig-Holstein.

Unsere Tipps:

  • An Samstagen im Sommer ist in der Innenstadt von Eckernförde ein Markt mit regionalen Ständen und Straßenmusik.
  • Wer zwischen E-Bike und Muskelkraft schwankt, sollte sich für die elektronische Unterstützung entscheiden. Die hilft speziell bei Gegenwind.
  • Der frühe Radfahrer hat mehr vom Tag. Außerdem sind die Strecken dann oft noch nicht überfüllt.

Unser Autor hat in folgenden Hotels übernachtet: Best Western in Husum, Aalernhüs in St. Peter-Ording, Herzog Friedrich in Friedrichstadt, Waldschlösschen in Schleswig, Zur Mühle in Kappeln und Seelust in Eckernförde. Die Reise wurde unterstützt von Die Landpartie.

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