Wir Sind Helden: Weniger „Haha“, mehr „Hmmm“

Das heldenhafte Familienfoto: Judith Holofernes mit (von links)
Das heldenhafte Familien Foto: Judith Holofernes mit (von links) Mark Tavassol, Jean-Michel Tourette und Pola Roy.

„Schluss mit den Faxen und Schluss mit dem Greinen“, singt Judith Holofernes im Song „Alles“ – denn: Wir Sind Helden sind wieder da! Deutschlands interessanteste Popband meldet sich aus einer dreijährigen Pause zurück, in der die vier Musiker sich nicht nur vom immensen Hype um ihre Musik erholten, sondern neben Babys (Holofernes und Schlagzeuger Pola Roy haben zwei kleine gemeinsame Kinder) auch neue Musik produziert haben. Und was für welche!

Lesezeit: 2 Minuten
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Von unserem Redakteur Tim Kosmetschke

„Bring mich nach Hause“ (Columbia) heißt das neue Werk. Und es ist wie bei den drei Vorgängeralben, die in rascher Folge zwischen 2003 und 2007 erschienen sind: Man muss sich zunächst hineinhören. Beim ersten Durchhören rauscht manches vorbei, was nach und nach seinen Zauber entfaltet.
So weicht denn auch der erste Gesamteindruck auf, es handele sich hier um ein eher langsames, stark introvertiertes Album, nachdem der in weiten Teilen tanzbare Vorgänger „Soundso“ viele offen vorwärtsströmende Mitsingkracher in höherem Tempo bot („Die Konkurrenz“; „Soundso“, „The Geek ...“). „Bring mich nach Hause“ ist tatsächlich langsamer, vielleicht melancholischer. Aber sicher kein trauriges Album.
Den Titel trägt die Platte, weil es „ums Verlaufensein geht und um Verlorenheit, mehr als ums Pfadfinden zum Beispiel“, erklärt die Band.
So gibt sich Texterin Holofernes im Titelsong verletzlich, dabei ungewohnt offen: „Ich brauch’ einen Schutz“, singt sie, „ich brauch’ eine Bahre, Blaulicht und Sirenen.“ Dazu perlt ein Piano, und die Band begleitet sie zurückhaltend, Chöre füllen die Flächen. Dann hebt der Refrain an, getragen von gediegenen Trompeten.
Überhaupt, auf der neuen Platte sind die allermeisten Instrumente auch wirklich solche. Synthesizer, zu Beginn der Helden-Karriere noch typisch für den oft aufgekratzten Stil der Gruppe, wurden weitgehend zurückgedrängt von einem bunten, vielgestaltigen Instrumentarium, auf dem wiederum vielschichtiger, schillernder Pop hergestellt wird.
Mit „Alles“ beginnt die Platte – ein typischer Helden-Song, der auch als erste Single erscheint. Klavierakkorde entfalten einen fast hypnotischen Sog, der in das Album zieht. Holofernes’ Stimme klingt wie eh und je. Sanft singt sie in typischer Manier „vom wolln und nich kriegen, von Kriegen und Frieden“. Ein großer, beinahe hymnischer Refrain mit sachten Elektro-Spielereien gibt dann die Richtung dieses alles in allem starken Albums vor. Das geht weiter mit dem beschwingten Schunkler „Was uns beiden gehört“, bevor der Titelsong die Stimmung ein wenig trübt.
Ein weiteres zentrales Stück ist „Die Ballade von Wolfgang und Brigitte“. Statt um „John und Yoko“ geht es hier sehr deutsch und leicht ironisch um ein Hippie-Paar, das sich in Liebe, Lust, Eifersucht ergeht.
„Im Auge des Sturms“ schließlich klingt verdächtig nach „White Album“, jedenfalls in seiner kunstvollen Verrockung nach späten Beatles. Und dann geht die Platte zu Ende, selbstverständlich mit einem ruhigen, nachdenklichen Stück: „Wir sind verlorn“, heißt es in „Nichts, was wir tun könnten“. So endet ein Werk, von dem Holofernes sagt, es biete „weniger Haha und dafür ein wenig mehr Hmmm“. In seiner Vielseitigkeit fasst dieses vierte Helden-Album das bisherige Schaffen der Band zusammen – und führt es zu einem neuen Höhepunkt.

Am 17. Oktober beginnt die „Bring mich nach Hause“-Tour. Stationen (u. a.): Mainz (21. 10.) und Köln (31. 10./1. 11). Infos unter www.wirsindhelden.de