Koblenz/Chemnitz

Wenn Gesundheit zum Herzenswunsch wird

Ein Mann mit Kämpferherz: Auch im Trikot der TuS Koblenz ist Andreas Richter (rechts, im Zweikampf mit dem Duisburger Dorge Kouemaha) nie einem Zweikampf aus dem Weg gegangen.
Ein Mann mit Kämpferherz: Auch im Trikot der TuS Koblenz ist Andreas Richter (rechts, im Zweikampf mit dem Duisburger Dorge Kouemaha) nie einem Zweikampf aus dem Weg gegangen. Foto: dpa

Für Glanz und Glamour hatte er nie viel übrig. Große Worte oder Gesten sind sein Ding nicht. Auch in den vier Jahren, in denen er für TuS Koblenz in der Regionalliga und der 2. Liga auflief, verkörperte er eher den Typ des „ruhigen Vertreters“. So unaufgeregt kam der Profi Andreas Richter daher, dass man sagen konnte: Eine Herzinfarkt bekommt der nie. Jetzt erholt er sich genau davon.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

Koblenz/Chemnitz – Für Glanz und Glamour hatte er nie viel übrig. Große Worte oder Gesten sind sein Ding nicht. Auch in den vier Jahren, in denen er für TuS Koblenz in der Regionalliga und der 2. Liga auflief, verkörperte er eher den Typ des „ruhigen Vertreters“. Wenige Worte außerhalb des Platzes, viel Engagement auf dem Rasen, stets solide und verlässlich. Die Erinnerungen in Koblenz an Andreas Richter sind die eines tadellosen Profis, der so unaufgeregt daherkam, dass man mit Fug und Recht hätte sagen können: Einen Herzinfarkt bekommt der nie.

So wird auch Andreas Richter sich selbst und seine Gesundheit eingeschätzt haben – bis zu jenem Tag im September dieses Jahres. Am 8. September, eine Woche vor seinem 34. Geburtstag, brach der Abwehrspieler des Drittligisten Chemnitzer FC im Training plötzlich zusammen. Zunächst wurde ein Kreislaufkollaps vermutet. Doch die wenig später im Klinikum Chemnitz getroffene Diagnose war eine viel schlimmere, weil lebensbedrohliche: Herzinfarkt.

Leben stand auf der Kippe

Zwei Tage lang stand das Leben des groß gewachsenen, stets robust wirkenden Defensivspezialisten auf der Kippe. Erst allmählich stabilisierte sich sein Zustand, bis schließlich feststand, dass sein Herz weiterschlagen würde. „Ich weiß, dass ich nah dran war und dass es dramatische Stunden gab“, erinnert sich Richter – und seine Stimme wird auf einmal ganz leise. Er denkt nur ungern an die ereignisreichen Tage im September. Tage, die er nur lückenhaft in Erinnerung hat. Vieles von der Dramatik der Situation hat er gar nicht richtig mitbekommen, das meiste davon wird sich im Unterbewusstsein abgespielt haben. Ab und an aber kämpfen sich die Geschehnisse ins Bewusstsein zurück.

„Ich will nicht ständig daran denken, ich schaue lieber in die Zukunft“, sagt der gebürtige Cottbuser heute. Doch alles, was künftig kommen mag, wird in unmittelbarem Zusammenhang stehen mit dem, was am 8. September auf dem Trainingsplatz passiert ist. Seine Profikarriere musste Richter jedenfalls beenden.

Von überall her kam Post

„Ich bin glücklich und dankbar, dass ich das überlebt habe“, sagt Richter wenige Tage vor dem Weihnachtsfest, das er in diesem Jahr mit seinen Eltern in deren Haus in Cottbus feiern wird – „sicher etwas ruhiger und nachdenklicher als sonst“. Überhaupt hat er seinen Eltern viel zu verdanken. „Sie waren mir in der Zeit nach dem Infarkt eine große Stütze.“ Aber nicht nur Vater und Mutter waren für den Schwererkrankten da. Aus der gesamten Republik flatterte Post in Haus. Genesungswünsche anderer Vereine trafen ein, viele Chemnitzer Fans sprachen ihm Mut zu. Nicht zuletzt steht ihm sein Klub Chemnitzer FC bis heute zur Seite. Auch aus Koblenz kamen aufmunternde Worte. Peter Auer, TuS-Urgestein, meldete sich bei seinem einstigen Teamkollegen. „Wir haben lange telefoniert und ein gutes Gespräch gehabt“, erinnert sich Richter und ist auch für diese Geste dankbar.

Genau so lieb wäre es ihm, die Ärzte würden bei der Suche nach den Ursachen für den Herzinfarkt noch fündig werden. Doch danach sieht es nicht aus. Die Mediziner haben den Profi auf den Kopf gestellt, eine Erklärung für das Geschehen indes können sie nicht liefern. Frühere Untersuchungen haben nie Auffälligkeiten zutage gefördert, in der Familiengeschichte hat der Herzinfarkt als Todesursache bis dato nie eine Rolle gespielt. Das haben zumindest Richters Nachforschungen ergeben. „Vielleicht bin ich einfach nur der Erste gewesen. Einer muss ja den Anfang machen“, meint Richter – und kann dabei sogar lachen.

Doch nagt es natürlich an einem Menschen, wenn es keine genaue Ursache für ein Krankheitsbild gibt. Es macht das Verarbeiten nicht einfacher. Vielleicht ist das der Grund, warum der 34-Jährige demnächst auf psychologische Hilfe zurückgreifen will. „Es ist nicht so, dass ich mich in einer Sinnkrise befinde. Doch ich will das im neuen Jahr angehen“, lautet einer seiner guten Vorsätze für 2012.

Verstehen vor Verändern – dies ist die Reihenfolge, in der Richter sein Leben neu gestalten möchte. Was genau er in Zukunft beruflich machen wird, steht für den Profi im Ruhestand noch in den Sternen. Auch hier haben die Verantwortlichen des Chemnitzer FC ihre Hilfe angeboten. Irgendwas im Sport, vielleicht sogar im weiten Feld des Fußballs soll es schon sein. Womöglich in Verbindung mit seiner Ausbildung zum Industriekaufmann, die er vor seiner Profikarriere absolviert hat. „Aber da will ich mir Zeit nehmen und mir genau überlegen, was ich anfange.“

Herz muss abtrainiert werden

Derzeit bestimmen noch ambulante Reha-Maßnahmen, Arztbesuche und Sport in Maßen den Alltag. Sport, „wenn auch nicht mehr volle Pulle“, wie Richter es ausdrückt, ist wichtig. Schließlich muss das über Jahre hinweg stark belastete Herz abtrainiert werden. Und wer als Profi tagaus, tagein Höchstleistungen bringen musste, der kann und will auch nicht von einem auf den anderen Tag ganz auf physische Belastung verzichten. Das verlangen Körper und Geist – der Mensch ist eben ein „Gewohnheitstier“.

Wenn Andreas Richter nach seinen Wünschen fürs neue Jahr gefragt wird, muss er nicht lange überlegen. Es ist die Standardantwort der Menschen in diesen Tagen, bei ihm allerdings bekommt der Herzenswunsch durch die Ereignisse der vergangenen Monate Gewicht. „Na klar, gesund bleiben, die Dinge verarbeiten. Alles andere wird sich dann schon ergeben“, sagt Richter. Es klingt vorsichtig optimistisch aus dem Mund eines Mannes, der um seine Person nie großes Aufheben macht – und der vielleicht gerade deshalb stets so sympathisch rüberkommt. Das war auch in Koblenz so.

Von unserem Redakteur Klaus Reimann