Eine schnelle Drehung, ein kurzer Blick – und rein mit dem Ding: Weil die großen Turniere nicht zuletzt von den TV-Rückblicken auf die ganz besonderen Momente des Fußballs leben, dürfen wir in diesen Tagen zwischendurch auch noch einmal die Tore von Gerd Müller genießen. Aus einer Zeit, in der es noch die D-Mark gab und Stürmer einfach nur dazu da waren, um Tore zu schießen. Und wer konnte das besser als der „Bomber der Nation“ (was für ein Ausdruck)? 365 Treffer in 427 Bundesliga-Spielen, 68 Tore in 62 Auftritten im Trikot mit dem Adler auf der Brust. Eine Quote, die wohl auf ewig unerreicht bleiben wird.
Allein aufgrund dieser Zahlen hinkt der Vergleich zu Mario Gomez. Und doch werden beim Blick auf den Nach-Nachfahren Müllers viele Gemeinsamkeiten deutlich. Weniger bei der Frisur, die sowohl früher als auch heute diskutabel war. Nein, auch im Fußball der Moderne mit Gegenpressing und Vertikalspiel gibt es einen Platz für jene Spieler, deren Stellenprofil sich auf das ureigenste Prinzip des Fußballs beschränkt: den Ball mit allen erdenklichen Körperteilen irgendwie über die Linie zu drücken. Für das Drumherum sind andere zuständig.
Nun hat Mario Gomez das entscheidende 1:0 der Deutschen gegen Portugal sogar vergleichsweise filigran erzielt, der Treffer entsprang nahezu der einzigen Möglichkeit für die deutsche Elf – und sein Kopfball ins Glück könnte zu einer Art Brustlöser für den gesamten Turnierverlauf werden.
Viel mehr geht nicht für einen Stürmer, weshalb sich Fernseh-Experte Mehmet Scholl den falschen Zeitpunkt ausgesucht hat, um den Torjäger zu kritisieren. Was nichts daran ändert, dass sich die klaren Worte des Jung-Trainers wohltuend von den weichgespülten Analysen der Branchen-Größen abhebt. Und im Kern trifft Scholls Schelte durchaus zu: Eine einseitig veranlagte Spezies wie Gomez kommt schnell in Erklärungsnöte, wenn der Ball am Pfosten vorbeifliegt. Bis dahin gilt: Wer trifft, hat Recht.
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