RZ-KOMMENTAR: Präsident aller Deutschen

Deutschland braucht schnell ein neues Staatsoberhaupt. Aber aus welchem Holz soll er oder sie geschnitzt sein, damit von Horst Köhlers Nachfolger positive Kräfte ausgehen?

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Deutschland braucht schnell ein neues Staatsoberhaupt. Aber aus welchem Holz soll er oder sie geschnitzt sein, damit von Horst Köhlers Nachfolger positive Kräfte ausgehen?

Was darf man als Bürger von dem hohen Amt erwarten, von dem sich Köhler in einer Art Fahnenflucht entledigt hat? Ist das Ganze nicht nur eine große Farce, weil der Bundespräsident ohnehin nur für Schönwetterreden gebraucht wird? Mitnichten. Ein guter Präsident ist auch gut fürs Land. Selbst wenn er so gut wie nichts entscheiden kann.

Ein Bundespräsident muss gerade in diesen Zeiten der Krise eine integrative Rolle spielen. Zuallererst muss der oder die Neue also über Lagergrenzen hinweg akzeptiert sein. Deutschland kann jetzt niemanden gebrauchen, der spaltet und polarisiert. Dieses Rollenverständnis kann durchaus auch mit Parteivertretern funktionieren – Richard von Weizsäcker oder Johannes Rau haben es vorgemacht. Sie waren Vorzeigepräsidenten.

Zweitens braucht das Staatsoberhaupt Reputation und das Stehvermögen, um der Politik nötigenfalls auch die Leviten zu lesen – unabhängig von der Parteicouleur. Da hat Köhler Zeichen gesetzt und Reden gehalten, die den Bürgern aus der Seele gesprochen waren. Wer dies tut, muss aber auch aushalten, wenn die Politik zum Gegenschlag ausholt. Daran hat es offenbar Horst Köhler letztlich gemangelt.

Drittens schließlich wäre es von größtem Vorteil, wenn auch das Volk seinen Präsidenten oder seine Präsidentin schätzen würde. Eine Kandidatin Ursula von der Leyen würde all diese Voraussetzungen durchaus erfüllen. Doch Kanzlerin Merkel wird das Schwergewicht nicht gerne ziehen lassen.

Nach der Köhler-Katastrophe ist Schwarz-Gelb gut beraten, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu besinnen. Am besten jemand, den auch die Opposition akzeptieren und vielleicht sogar mittragen könnte. Jetzt noch ein heftiger Streit ums Präsidialamt – und der Koalition könnte endgültig eine Debatte über die Machtfrage in Berlin bevorstehen.

E-Mail an den Autor: Manfred.Ruch@Rhein-Zeitung.net