Manuel Neuer: Wir sind reifer geworden

An ihm gibt es noch kein Vorbeikommen bei der EM: Torhüter Manuel Neuer.  Foto: dpa
An ihm gibt es noch kein Vorbeikommen bei der EM: Torhüter Manuel Neuer. Foto: dpa

Die Galerie mit den vielen Pokalen und Urkunden kann warten, sagt Manuel Neuer. „Ich halte mich nicht lange mit Vergangenem auf.“ Im Sportlerleben gibt es immer eine neue Herausforderung, sagte er im Interview mit unserer Zeitung. „Aktuell: Wir wollen Europameister werden.“

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Es ist der EM-Titel, der dem Weltmeister und Welttorhüter Manuel Neuer noch fehlt. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und die ultimative Herausforderung wartet bereits am Samstag: Das Team um den Ersatzkapitän Neuer trifft auf Italien.

Aus Évian-les-Bains berichtet unser Redakteur Klaus Reimann

Die Trainer haben schon gesagt, dass die Vergangenheit keine Rolle spielt. Aber lässt die sich bei so einem Klassiker ausblenden?

Ja. Diese Partie ist wie ein Pokalfinale Bayern gegen Dortmund. Die Spiele während der Saison spielen keine Rolle mehr. Es ist unwichtig, wie wir vor drei Monaten oder beim letzten Turnier gegen Italien gespielt haben. Die Mannschaften sind nicht mehr vergleichbar. Wir sind vier Jahre älter als bei der Niederlage 2012, sind Weltmeister und reifer geworden. Gleichwohl wartet da ein starker Gegner.

Welche Eindrücke haben Sie von Italien?

Sie treten auf, wie sie kaum einer erwartet hat. Sie attackieren früh, vertrauen ihrer Abwehr. Sie wirken sehr gut vorbereitet, haben für jeden Gegner einen Plan, auch wenn sie gegen Spanien in den letzten 20 Minuten ein bisschen müde wurden. Wir sind gewarnt. Trotzdem wünscht sich Italien sicher auch nicht Deutschland als Gegner, denn wir sind ein Team, das immer Tore machen will.

Wie lange hat der Frust nach der 1:2-Halbfinal-Niederlage vor vier Jahren nachgewirkt?

Es war eine bittere Phase. Wir Bayern-Spieler sind Zweiter hinter Dortmund geworden, haben das Pokal- und das Champions-League-Finale verloren. Da kam einiges zusammen.

Joachim Löw hat eingeräumt, dass er sich 2012 beim Halbfinalspiel in Warschau verzockt habe. Wie hat es die Mannschaft damals empfunden?

Es ist der falsche Ansatz, die Schuld auf sich zu laden. Es ehrt ihn, aber die Protagonisten stehen auf dem Platz und treffen die Entscheidungen. Wir haben verloren.

Ist man vier Jahre später inzwischen als Weltmeister so selbstbewusst, dass man im Gegensatz zu damals nur noch den eigenen Stärken vertraut?

Wir wollen unser System durchziehen, wie bislang gegen jede Mannschaft im Turnier. Wir vertrauen unseren Stärken.

Wird es das Duell der Abwehrreihen?

Schwer zu sagen. Italiens Abwehr ist seit Jahren auch im Verein bei Juve eingespielt, wir haben mit Mats Hummels und Jerome Boateng zwei Verteidiger von großer Klasse. Dazu kommen zwei Torhüter, die noch keinen Gegentreffer während der EM kassiert haben. Vielleicht entscheidet wie so oft das erste Tor.

Gianluigi Buffon hat erklärt, Sie seien der bessere Torwart?

Wir tauschen regelmäßig öffentlich Komplimente aus. Wir haben ein gutes Verhältnis. Er ist auch im höheren Alter noch ein überragender Keeper, der enorm wichtig für sein Team ist. Aber das Spiel ist nicht das Duell der Torhüter.

Sie haben eine minimal bessere Quote bei Elfmetern. Strafstöße könnten wichtig werden. Studieren Sie stundenlang Videos?

Nein, das würde mir nicht so helfen. Ich verlasse mich auf die Erfahrung und mein Bauchgefühl. Ich habe ja schon ein paar Elfmeterschießen hinter mir. Der Schütze entscheidet, wo der Ball hinfliegt, nicht der Torwart.

Ihnen persönlich fehlen noch 107 Minuten bis zum nächsten Superlativ. Zuletzt hat vor 50 Jahren eine Nationalmannschaft in sechs Spielen in Serie keinen Treffer kassiert.

Davon habe ich gehört. Es ist kein wichtiges Thema für mich.

Bereiten Sie sich auf ein Viertelfinale mental anders vor?

Ich mache nichts anders als vor der Partie gegen die Slowakei. Klar, der Rummel ist größer. Aber mit 30 Jahren wird man gelassener.