Mainz – Einige der Hamburger Journalisten waren aus dem Häuschen nach dem 0:1 des HSV im eigenen Stadion gegen den FSV Mainz 05. Das Topthema: Siegschütze Aristide Bancé. Der forsche Bundesligaaufsteiger werde sich den formidablen Torjäger nicht länger leisten können, sagten die norddeutschen Betrachter – und die Hamburger sollten unbedingt mitbieten.
Ein wenig erinnerte das an den 22. April 2007. Damals schaffte der FSV Mainz 05 beim Hamburger SV ein 2:2. Die 1:0-Führung besorgte Mohamed Zidan mit einem Traumtor. Der kleine und wieselflinke Dribbler wackelte Innenverteidiger Joris Mathijsen lässig aus und ballerte die Kugel wuchtig ins entfernte Toreck. Ab diesem Zeitpunkt bekamen die Hamburger den damals überragenden Mainzer Torjäger nicht mehr aus dem Kopf. Und am Ende wechselte der „verrückte Ägypter“ für die Mainzer Rekordablöse von fünfeinhalb Millionen Euro in die Hansestadt. Wo er dann niemals Stammspieler wurde.
Das war einer dieser typischen emotional angehauchten Transfers, die im Profifußball immer wieder vorkommen, wenn ein Klub gerade mal ein paar Scheine mehr auf dem Konto herumliegen hat. Am vergangenen Samstag hat nun hat der 1,93 Meter hohe Hüne Aristide Bancé den HSV beeindruckt. Mit seinem Siegtor nach dem prächtigen Pass von André Schürrle. Und mit seiner nie erlahmenden Laufarbeit mit und ohne Ball und vor allem auch im Pressingverhalten gegen den Ball.
Aber was wäre das für eine Transferpolitik in Hamburg, wenn dort neben dem im Gehalt sündhaft teuren Weltstar Ruud van Nistelrooy und neben dem einst mehr als acht Millionen Ablöse teuren Marcus Berg noch ein dritter wuchtiger Zentrumsstürmer in den Kader gepflanzt werden sollte? Sinn macht das eigentlich nicht.
Wechselgerüchte. Da passte es ins Bild, dass Bancé am Sonntagabend im Südwest-Fernsehen verlautbarte, er werde sich nicht darum bemühen, in diesem Sommer einen neuen Verein zu finden, aber wenn ein Angebot mit Qualität komme, dann... Letztlich eine normale Aussage im Profigeschäft. Der 05-Mittelstürmer spielt gut, er macht wieder Tore, entscheidende Tore, er will irgendwann mal Champions League spielen und er weiß, dass er in höher angesiedelten Klubs wesentlich mehr Geld verdienen kann als am Bruchweg.
Bancé steht in Mainz noch bis zum 30. Juni 2012 unter Vertrag. Das heißt zunächst einmal, dass er ohne Zustimmung des Klubs gar nicht wechseln kann. Klar ist aber auch, dass sich die 05er von jeher weiterentwickelt haben über nette Transfereinnahmen für auf dem Markt gefragte Leistungsträger. Das ist also letztlich immer eine Frage des Geldes.
Kommt morgen ein englischer Erstligist und bietet für den Nationalstürmer aus Burkina Faso eine Transferentschädigung in Höhe 10 bis 15 Millionen Euro, dann ist Bancé, Vertrag hin oder her, weg. Ganz einfach.
Die Frage ist: Kommt dieser Klub? Die absoluten Spitzenvereine in den europäischen Topligen werben dann doch noch mal eine andere Qualität an. Da steht Bancé mit acht Saisontoren in der Bundesliga sicher nicht ganz oben auf den Einkaufszetteln. Die Klubs darunter haben in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten inzwischen überall Mühe, diese extrem horrenden Summen aufzurufen. Bleiben Sonderfälle wie Manchester City, wo ein stinkreicher Scheich die ganz großen Scheine in Umlauf bringt.
In der Bundesliga, das weiß sicher auch Bancé, dürfte er es schwer haben. Der Ruf des Hünen hat gelitten. Bundesweit gilt der Torjäger nach merkwürdigen Vorfällen auf Parkplätzen, nach Platzverweisen und nach dem verbalen Scharmützel mit Eintracht-Verteidiger Maik Franz als schwieriger Typ. Dass er das gar nicht ist, wissen nur die Mainzer.
Thomas Tuchel reagierte auf entsprechende Fragen in Hamburg ausgesprochen gelassen. „Dass Ari außergewöhnliche Fähigkeiten hat, das wissen wir“, sagte der 05-Coach. „Aber er kann sein Potenzial noch verbessern. Und dann kann er von uns aus auch gerne in ein, zwei Jahren zu den Bayern oder zu Inter Mailand wechseln.“ Derzeit sei der Stoßstürmer aber in Mainz noch sehr gut aufgehoben. „Wir haben auch überhaupt keine Angst“, so Tuchel, „denn wir halten alle Karten in der Hand.“
Entweder spielt Bancé noch ein oder zwei Jahre am Bruchweg – oder es gibt richtig viel Geld für den Mittelstürmer, und damit ließe sich dann auch wieder ein geeigneter Toremacher finden. In seiner Entwicklung sei der 25-Jährige jedenfalls noch nicht fertig, betonte Tuchel. Weder in seiner Persönlichkeit, noch in seinem Stürmerspiel. Aber er ist stetig besser geworden in Mainz. Technisch, in der Ballbehauptung, in der Weiterleitung, in seinen Laufwegen, in seiner Bereitschaft, leidenschaftlich und extrem mannschaftsdienlich gegen den Ball zu malochen.
Das Siegtor in Hamburg hatte Klasse. Die Hamburger Innenverteidiger waren in diesem Moment fast bis zur Mittellinie aufgerückt, Passgeber Schürrle hatte keinen Druck. Bancé machte ein, zwei kurze Schritte weg von der Abseitslinie, das irritierte den tief hängenden Rechtsverteidiger Guy Demel. Schürrle passte in den Raum, der antrittsschnelle Bancé spurtete davon und traf mit einem präzisen Flachschuss an Keeper Frank Rost vorbei ins lange Eck.
Wer weiß, bei welchem reichen Fußballgönner in Europa diese eine Szene mal wieder Fantasie geweckt hat.
Reinhard Rehberg