Lesertelefon: „Folgeschäden von Diabetes sind kein Schicksal“

Aus der Behandlung des Diabetes sind sie nicht wegzudenken: die Blutzuckerwerte. Warum stabile Werte so wichtig für die Gesundheit sind, wie Erkrankte in Schulungen lernen, gemessene Werte richtig zu deuten, was in Punkto Sicherheit zu beachten ist und wie sich Ernährung und Bewegung auf den Blutzucker auswirken, wussten die Experten an unserem Lesertelefon.

Lesezeit: 5 Minuten
Anzeige

Die Experten am Telefon im Überblick:

  • Claudia Bobe, Diabetesberaterin DDG, Evangelisches Krankenhaus Köln-Weyertal
  • Dr. Peter Loeff, Leitender Oberarzt und Diabetologe, Evangelisches Krankenhaus Köln-Weyertal
  • Dr. Matthias Riedel, Internist, Diabetologe und Ernährungsmediziner, Gemeinschaftspraxis „Diabetes am Ring“, Köln

Es heißt immer, Diabetiker sollen sich gesund und ausgewogen ernähren. Was bedeutet das genau?

Claudia Bobe, Diabetesberaterin DDG: Menschen mit Diabetes müssen etwas mehr auf ihre Ernährung achten als Menschen ohne Diabetes. Aber grundsätzlich gelten für alle die gleichen Empfehlungen. Gesunde Ernährung ist reich an Ballaststoffen, also an Gemüse, Vollkornprodukten, Kartoffeln oder Hülsenfrüchten, sie ist fettarm, enthält Vitamine und Mineralstoffe wie zum Beispiel Calcium oder Magnesium.

Gibt es Empfehlungen, die in besonderem Maße für Menschen mit Diabetes gelten?

Dr. Matthias Riedel: Viele Typ-2-Diabetiker bringen zu viele Kilos auf die Waage. Hier gilt vor allem: auf die Gesamtkalorien achten. Wer abnehmen möchte, sollte weniger Kalorien aufnehmen, als er verbraucht. Eine einfache Möglichkeit Kalorien zu sparen, ist fettige Mahlzeiten zu reduzieren. Ballaststoffreiche Lebensmittel machen länger satt: Auch das kann bei der Kalorienbilanz helfen. Achten Sie daneben auf versteckte Kalorien, beispielsweise in Getränken: Ein Glas Orangensaft etwa entspricht einer Mahlzeit – macht aber nicht satt!

Bei mir wurde gerade ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert – ich fühle mich aber gar nicht krank. Was ist so schlimm an den erhöhten Blutzuckerwerten?

Dr. Peter Loeff: Diabetes tut nicht weh, daher bleibt er lange unbemerkt. Langfristig kann ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerwert jedoch zu Schädigungen von Blutgefäßen und Organen führen. Häufig betroffen sind zum Beispiel Augen, Nieren, Nerven und das Herz-Kreislauf-System. Auch Fußprobleme sind bei Diabetes häufig. Folgeschäden von Diabetes sind jedoch kein Schicksal. Durch eine optimale Blutzuckereinstellung, regelmäßige Kontrollen und fachgerechte Behandlung kann das Risiko für Folgeschäden verringert werden.

Was lerne ich in einer Diabetiker-Schulung?

C. Bobe: Hier erhalten Sie ganz praktische Tipps zum Leben mit der Erkrankung: Wie gelingt eine Änderung des Lebensstils mit angepassten Essgewohnheiten und mehr Bewegung? Wie wirken die Medikamente genau? Wie messe ich richtig, was bedeuten die gemessenen Werte und wie dokumentiere ich sie? Wie lassen sich Unter- und Überzuckerungen vermeiden? Und wie senke ich das Risiko für Folgeerkrankungen? Jeder neu diagnostizierte Diabetiker hat Anspruch auf eine solche Schulung – sollten Sie noch keine erhalten haben, sprechen Sie Ihren Arzt an!

Wie hoch ist ein normaler Blutzuckerwert?

Dr. M. Riedel: Der Nüchternwert – aus dem Fingerblut gemessen – liegt bei 70-130 mg/dl, nach dem Essen kann der Wert üblicherweise bis 180 mg/dl steigen. Menschen mit Diabetes sollten versuchen, sich diesen Normwerten zu nähern; bei älteren Patienten ist die Einstellung teils weniger streng. Hier reicht ein Langzeitwert (HbA1c) unter 8 Prozent.

Ich habe Typ-2-Diabetes und mein Arzt kontrolliert regelmäßig meine Langzeitblutzuckerwerte. Sollte ich zusätzlich selbst messen?

Dr. P. Loeff: Die vierteljährliche Kontrolle beim Arzt zeigt, wie hoch der durchschnittliche Blutzuckerwert im Zeitraum von drei Monaten war. Was der Durchschnittswert nicht zeigt, sind Blutzuckerschwankungen mit besonders hohen oder niedrigen Werten. Eine gute Diabetes-Therapie kommt daher ohne eine strukturierte Blutzuckerselbstkontrolle nicht aus. Sie gibt einen Überblick über den Blutzuckerverlauf und hilft, die Wechselwirkungen zwischen Bewegung, Ernährung und Blutzuckerwerten besser zu verstehen und selbst aktiv die Einstellungen positiv beeinflussen zu können.

Ich habe Typ-2-Diabetes und die Krankenkasse will die Kosten für die Teststreifen nicht erstatten.

C. Bobe: Bei nicht insulinpflichtigen Diabetikern übernehmen Krankenkassen die Kosten für Teststreifen leider nicht – nur einmalig bei der Ersteinstellung. Dabei empfehlen wir auch Diabetikern, die kein Insulin spritzen, hin und wieder ihren Blutzucker zu kontrollieren. Für einen guten und realistischen Überblick sorgen bereits drei Tagesprofile pro Quartal. Es gibt Teststreifendosen mit 25 Teststreifen, die genau für drei solcher Profile reichen, beispielsweise von Accu-Chek.

Was genau ist ein Tagesprofil?

C. Bobe: Über den Tag verteilt wird der Blutzucker zu besonders aussagekräftigen Zeitpunkten gemessen: vor jeder Mahlzeit und 1,5 bis 2 Stunden danach sowie vor dem Schlafen. Die sieben so ermittelten Messwerte können in einem speziellen Tagebuch notiert, zu Kurven verbunden und mit dem Arzt besprochen werden. Wer so strukturiert den Blutzucker misst, sammelt viele wichtige Informationen über seinen Stoffwechsel.

Wie sollte ich die gemessenen Werte dokumentieren?

Dr. P. Loeff: Komfortabel ist die Dokumentation und Analyse der Blutzuckerwerte am Computer. Das Auslesen eines Blutzuckermessgeräts ist auch für eher Computer-Unerfahrene kein großes Hindernis. Die Auslesegeräte sind ganz einfach zu bedienen und direkt einsetzbar. Alle gemessenen Daten werden an den PC übermittelt. Einfach anschließen, auslesen und Sie erhalten sofort einen Überblick über den persönlichen Therapieverlauf. Grafiken und Diagramme geben Ihnen und auch Ihrem Arzt zudem wertvolle Hinweise.

Ich habe gehört, dass es mit manchen Geräten Probleme hinsichtlich der Messgenauigkeit gibt. Wo kann ich mich über die unterschiedlichen Produkte informieren?

Dr. M. Riedel: Auf dem Markt gibt es ein große Zahl an Blutzuckermessgeräten. Wichtig für Verbraucher ist: Die CE-Kennzeichnung, über die alle Geräte bei Markteinführung verfügen müssen, ist kein Qualitätssiegel. Verlässliche Kriterien für die Bewertung der Messgenauigkeit liefert die ISO-Norm 15197. Diese findet sich allerdings nicht als Siegel auf den Geräten – da hilft nur die Nachfrage beim Hersteller. Eine Orientierungshilfe können unabhängige Institute, wie beispielweise die Stiftung Warentest bieten. Das Modell Accu-Chek Aviva hat von der Stiftung das Gesamturteil „rundum gut“ erhalten und war mit der Note „Gut“ (1,7) mit zwei weiteren Messgeräten Testsieger.

Wie verwahre ich Messgerät und Teststreifen richtig?

C. Bobe: Beachten Sie die empfohlene Lagerung der Teststreifen und die optimale Betriebstemperatur Ihres Blutzuckermessgerätes. Hohe und tiefe Temperaturen sowie Luftfeuchtigkeit können sich nämlich auf die Messwerte auswirken. Bewahren Sie die Teststreifen immer in der dafür vorgesehenen Teststreifendose auf. Der feste Verschluss der Dose hilft zu vermeiden, dass die Teststreifen feucht werden.

Warum ist Bewegung für Menschen mit Diabetes so wichtig?

C. Bobe: Sind die Muskeln aktiv, sprechen sie besser auf Insulin an und nehmen mehr Blutzucker auf. Zudem lässt Bewegung überflüssige Pfunde schmelzen und das beeinflusst den Blutzuckerspiegel positiv.

Wie viel Bewegung ist „ausreichend“?

Dr. M. Riedel: Täglich mehr als 30 Minuten Bewegung reichen bereits aus, das Leben zu verlängern und die Wirkung des Insulins zu verbessern. Gehen Sie zu Fuß zum Bäcker, steigen Sie eine Haltestelle eher aus und laufen Sie das letzte Stück. Nehmen Sie die Treppe statt den Aufzug. Sport in der Gruppe macht mehr Spaß, nutzen Sie das aus. Feste Trainingstermine und nette Sportkameraden helfen, auch in motivationsschwachen Momenten dabeizubleiben.

Kann ich auch trotz Diabetes richtig feiern gehen und mal ein Glas mehr trinken?

Dr. P. Loeff: In kleinen Mengen und als genussvoller Begleiter zum Essen zum Beispiel darf es auch mal Alkohol sein. Denken Sie nur daran, dass sich dies auf den Blutzucker auswirkt. Mit einer Messung können Sie Unterzuckerungen rechtzeitig erkennen und gegensteuern.