Drehte erst nach dem Schlusspfiff auf: Lukas Podolski (mit FC-Hut).
Die ersten Anzeichen dafür hatte es schon während der Partie gegeben. Hing doch auf der einen Tribünenseite schräg hinter dem Tor ein großes Plakat mit der Aufschrift „Am 8. Tag schuf Gott den 1. FC Köln“. Diese Botschaft aus der Domstadt musste einem im Nachhinein wie die Prophezeiung des Guten erscheinen.
Ob sich der Köln-Profi Jonas Hector tatsächlich auch gut fühlte, wie er da als 18. Schütze mutterseelenallein auf Punkt und Ball zulief, darüber schwieg sich der Verteidiger im Nachhinein aus. Aber was blieb ihm anderes übrig? „Es waren ja nicht mehr so viele da“, meinte der Linksfuß grinsend. Genauer gesagt waren das Benedikt Höwedes und Manuel Neuer. Letztgenannter hatte schon genug damit zu tun, den italienischen Schützen den Spaß zu verderben, was ihm bekanntlich gleich zweimal gelang und ihm die Auszeichnung zum „Mann des Spiels“ seitens der Uefa bescherte.
Klasse parierte Neuer die Strafstöße von Leonardo Bonucci und Matteo Darmian. Bonucci hatte den Bayern-Torwart nach 78 Minuten bei einem Handelfmeter noch vom Punkt bezwungen. „Den Bonucci wollte ich nicht zweimal treffen lassen. Deshalb habe ich seinen Strafstoß gehalten“, meinte Neuer trocken.
Alle Italiener, die verwandelten, hatten im Übrigen mittig ins Tor gezielt. Wussten sie am Ende, dass Manuel Neuer wusste, welche Ecke sie favorisieren? „Das ist doch bezeichnend. Die Italiener sind davon ausgegangen, dass ich meine Hausaufgaben gemacht habe“, fügte Neuer an. Dennoch, einfach in der Tormitte stehen zu bleiben und abzuwarten, was passiert, ist Neuers Ding auch nicht. Er will agieren statt reagieren. „Am Ende verlasse ich mich doch aufs Bauchgefühl.“ Nun, das hat ihn gegen Italien zweimal nicht getrogen. Was zum Erreichen des Halbfinales langte.
Legte sich den Ball zum finalen Schuss zurecht: Jonas Hector.
Aber es musste ja auch nach den ersten fünf Schützen noch Spieler geben, die sich dieAufgabe zutrauten. Die Defensivspieler Jerome Boateng, Mats Hummels und Joshua Kimmich erwiesen sich als nervenstärker als ihre Offensivkollegen. Hector hatte also einen Ruf zu verteidigen. „Ich habe mein Herz in die Hand genommen und einfach draufgehalten. Ich bin überglücklich, dass er reingegangen ist.“ Und Manuel Neuer, wann wäre er zum Punkt gegangen? „Wenn sich gar keiner mehr gemeldet hätte“, meinte der Keeper, wohl heilfroh, diesem Stresstest entgangen zu sein.
Hector hatte auf der linken Seite schwer ins Spiel gefunden und sich in der ersten Hälfte einige Abspielfehler geleistet. Doch der 26 Jahre alte gebürtige Saarländer wusste sich zu steigern. In dem Maße, wie die deutsche Mannschaft nach der Pause das Tempo erhöhte, marschierte auch Hector über die linke Seite mit. Famos seine Vorbereitung zum 1:0, als der Kölner einen Rückpass Mesut Özil genau in den Lauf spielte.
Plakat kölsch, Hector kölsch, einer fehlte da noch im lustigen Dreigestirn. Und wenn es lustig wird, ist Lukas Podolski bekanntlich nie weit weg. Unbeeindruckt von der Tatsache, es bislang nur zu einem EM-Kurzeinsatz gebracht zu haben, lief der ewige Kölner bei den Jubelarien in Bordeaux immer vorneweg. Flugs hatte er die Kölner Fans unter den Anhängern ausgemacht, sich einen FC-Hut aufgesetzt – fertig war das gewohnte Poldi-Bild.
Klaus Reimann