Marseille

Hartmanns verrückte Plauderstunde: Der wirre Waldi und die Italiener

Hoch die Tassen: Ex-Moderator Waldemar Hartmann.
Hoch die Tassen: Ex-Moderator Waldemar Hartmann. Foto: dpa

Dass das ZDF zehn Sekunden zu spät zum deutschen Halbfinalspiel gegen Frankreich schaltete – geschenkt. Es mussten schließlich noch zwei Werbeblöcke und der EM-Einspieler untergebracht werden. „Das nehmen wir auf unsere Kappe“, erklärte Dieter Gruschwitz, der Sportchef des Zweiten. Sollte nur bei einem Fußballspiel, das knapp 30 Millionen Fernsehzuschauer sehen wollen, eigentlich nicht passieren.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Von unserem Sportchef Jochen Dick

Der größte Aussetzer ereignete sich aber zu späterer Stunde beim gemütlichen Gefasel von und mit „Markus Lanz“. Markus Lanz, das ist der Talkshow-Conferencier, der sich gern verständnisvoll über seine Moderatorenkarten beugt und am allerliebsten seinen Talk-Gästen ins Wort fällt. Hätte das der smarte Südtiroler mal besser gemacht nach dem Frankreich-Spiel. Aber so wurde Waldemar Hartmann Tür und Tor geöffnet. Der ehemalige ARD-Moderator knöpfte sich nach dem 0:2 der deutschen Auswahl alles und jeden vor, der mit der Niederlage irgendwie zu tun gehabt haben könnte.

Hartmann gab dabei den Stammtischparolen-schleudernden Weißbier-Waldi mit solch einer überzeugenden Unverschämtheit, dass der 68-Jährige mittlerweile ein sehr guter Schauspieler oder tatsächlich so unreflektiert geworden sein muss. Weißwurst-Freund Hartmann zuzelte jedenfalls allerlei Verschwörungstheorien aus seinem mächtigen Bauch. Hauptangriffspunkt waren die Schiedsrichter. Schon die Ansetzung: „Schau dir das an“, hatte sich Hartmann bei der Bekanntgabe des Unparteiischen gedacht: „Wir haben die Italiener rausgehauen, und er teilt den Rizzoli ein.“ Mit „er“ meinte Hartmann den Schiedsrichter-Chef Pierluigi Collina, ein Italiener. Und mit Rizzoli meinte Hartmann den Halbfinalreferee Nicola Rizzoli, auch ein Italiener. Zwei Italiener machen eine Verschwörung, rechnete der wirre Waldi hoch. Zumal Rizzoli ja noch etwas gutzumachen gehabt habe nach dem 2014er-WM-Finale, als er dem deutschen Endspielgegner Argentinien einen klaren Elfmeter verwehrt hatte. Diesen Makel trug Referee Rizzoli laut Plaudertasche Hartmann „seit zwei Jahren mit sich herum“. Um dann zwei Jahre später mit einem Elfmeterpfiff nach Bastian Schweinsteigers unzweifelhaftem Handspiel alles wieder schön ins Gleichgewicht zu bringen. Eine steile These! Und so durchdacht und wenig polemisch.

Der geistige Tiefflug des Waldemar H. fand noch eine Fortsetzung. Zum Schweinsteiger-Handspiel dampfplauderte der Bayer: „Der war doch mit dem Kopf am Ball!“ Um dann nach Ansicht der Wiederholung einsehen zu müssen, dass Schweinsteigers Kopf in diesem Falle doch die Hand war. Hartmann blieb hartnäckig. „Den kannst du geben.“ Na, immerhin. „Aber ich würde ihn nicht geben.“ So? „In der 44. Minute eines EM-Halbfinales. Punkt.“ Fragezeichen, möchte man anfügen: Entweder gibt man einen Elfmeter, oder man gibt ihn nicht, unabhängig von der Spielminute oder der Wertigkeit einer Partie. Schiedsrichter Rizzoli lag jedenfalls richtig, Hartmann abermals schwer daneben.

Bei allem Respekt vor seiner glorreichen Vergangenheit als Duz-Freund sämtlicher Nationalspieler, sei die Frage erlaubt, ob es für den bayerischen Bauchmenschen nicht besser wäre, sich künftig nur noch beim heimischen Dorfwirt und nicht in der breiten Öffentlichkeit zum Thema Fußball zu äußern. Und das ZDF hätte an diesem Abend getrost ein weiteres Mal zu spät einschalten können. Gegen 0.55 Uhr am Freitagmorgen, da war die Lanz-Sendung nämlich gerade zu Ende – und Waldemar Hartmann wohl auf dem Weg ins Bett. Oder in die Wirtschaft.