Évian-les-Bains

Das DFB-Quartier Évian-les-Bains: Mit allen Wassern gewaschen

Der Philosoph Voltaire hatte seine ganz eigene Meinung zur Stadt Genf. „Wenn in Genf ein Bankier aus dem Fenster springt, kann man ihm getrost folgen. Denn dann ist sicher im Fallen noch Geld zu verdienen“, meinte der Franzose einst. Reichtum strahlt aus. Und so spielt auch im rund eine Autostunde entfernten Évian-les-Bains Geld keine große Rolle, wenn es gilt, zum Wohle der Region Geschäfte zu machen.

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Aus Évian-les-Bains berichtet unser Redakteur Klaus Reimann

Rund 600 000 Euro nahm die 10 000-Einwohner-Gemeinde Évian in die Hand, um die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in das Idyll am Genfer See zu locken. Viel Geld, aber das beschauliche Évian weiß einen finanzkräftigen Mäzen an seiner Seite. Ohne den französischen Lebensmittel-Multi Danone läuft nichts in Évian.

Évian ist sozusagen Danone. Auch das gediegene Vier-Sterne-Hotel „Ermitage“, in dem die Nationalmannschaft ihr EM-Lager aufgeschlagen hat, gehört dem Konzern, der 2015 einen Jahresumsatz von rund 22 Milliarden Euro verzeichnete. Unter anderem. Danone ist zudem Ausrichter eines großen Golfturniers für Frauen in Évian und eines weit über die Landesgrenzen bekannten Festivals für klassische Musik. Derzeit aber spielt die Musik auf einem kleinen grünen Rechteck. Für die DFB-Auswahl erhielt der Sportplatz in Évian einen komplett neuen Rollrasen und eine neue Drainage. Jeden Tag wird gemäht, die Länge der Halme ist akkurat vorgegeben. Natürlich soll und wird auch diese Investition eines Tages Gewinn bringen. Die deutsche Nationalmannschaft ist der beste Werbeträger für Évian als Trainingsstandort für namhafte Fußball-Klubs aus ganz Europa. Auch der FSV Mainz 05 genoss bereits die Vorzüge des „Ermitage“ und der angrenzenden Trainingsanlagen. Größere Klubs sollen folgen. Regelmäßig. Sie sollen den Ruhm Évians mehren – und den von Danone gleich mit.

Die Bewohner von Évian nehmen den Rummel oberhalb ihres Örtchens zur Kenntnis. Das ist es aber auch schon. Die Begeisterung über den Fußball im Allgemeinen und die EM im Besonderen hält sich in Grenzen. Ein paar Fähnchen im Ortsbild, ein paar Fußbälle hier und dort, Girlanden mit den Flaggen der EM-Teilnehmer. Im Restaurant des Casinos läuft Golf. Man hat schließlich einen Ruf zu verteidigen.

In der zehn Kilometer entfernten Stadt Thonon-les-Bains mit immerhin 35 000 Einwohnern deutet in der weitläufigen Fußgängerzone aber auch gar nichts auf eine Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land hin. Hier ist der Wassersport zu Hause, die Stadt am Genfer See, der hier Lac Léman heißt, schmückt das Label „France Station Nautique“. Segeln, Wildwassersport auf dem Flüsschen Danse und andere Fun-Sportarten stehen hier hoch im Kurs. Weil derzeit das Wasser zumeist von oben kommt, dämmert das Städtchen so vor sich hin. EM-Stimmung? Fehlanzeige. Ach ja, das gilt im Übrigen auch fürs nahe schweizerische Genf. Seltsam, da Geldverdienen und Fußball doch eigentlich so prima zusammenpassen.

Wasser, Geldverdienen – das führt zum guten Schluss wieder zu Évian und Danone. Wie hierzulande bekannt sein dürfte, ist das stille Wasser namens „Évian“ das Vorzeigeprodukt aus dem Hause Danone. Eine Top-Marke, die just in diesen Tagen in Deutschland für Negativschlagzeilen sorgt. Die Verbraucherzentrale in Hamburg hat „Évian“ zur Mogelpackung des EM-Monats Juni erklärt. Der Grund ist eine saftige Preiserhöhung von knapp 50 Prozent. Dabei hat der mit allen Wassern gewaschene Konzern lediglich die Flaschenoptik verändert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.