Schießen: Ohlweilererin holt im Einzel zwei und im Team fünf Titel - Enttäuschung über verpasste Olympia-Nominierung verdaut - Morgen Empfang
Siebenmal Gold: Schützin Hannah Steffen sahnt bei der DM ab – Olympia-Aus gut verarbeitet
Die 25-Jährige Hannah Steffen gewann siebenmal Gold und einmal Bronze – ein herausragendes Ergebnis für die Hunsrückerin, die die Olympiateilnahme in Paris knapp verpasste. ⋌Fotos: Jürgen Heise
Jürgen Heise

Um alle Medaillen an den Arm zu kommen, muss Hannah Steffen diesen schon mächtig ausstrecken. Schließlich ist die Ohlweilerer Sportschützin mit insgesamt sieben Gold- und einer Bronzemedaille von den Deutschen Meisterschaften, die auf der ehemaligen Olympiaschießanlage in München stattgefunden haben, nach Hause gekommen.

Im Einzel errang sie den Meistertitel in der Königsdisziplin 3x20 sowie im 100-Meter-Schießen und wurde Dritte mit dem Luftgewehr. Außerdem sicherte sie sich mit dem Team Baden-Württemberg, wo sie auch ihre Ligawettkämpfe austrägt, fünf weitere Meistertitel. Die Ausbeute war für Hannah Steffen so etwas wie Balsam auf die zuletzt enttäuschte Seele.

Enttäuscht deswegen, weil sie, obwohl sie auf Rang eins der deutschen Rangliste, die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris nicht geschafft hatte. Es waren Kleinigkeiten, die am Ende den Ausschlag gegeben hatten. Entsprechend schwer war es ihr gefallen, die Motivation für die Deutschen Meisterschaften noch einmal nach oben zu treiben.

Wenn man vier Jahre auf ein Ziel hinarbeitet und dieses Ziel dann nicht erreicht, ist das schon eine Herausforderung.

Hannah Steffen

„Wenn man vier Jahre auf ein Ziel hinarbeitet und dieses Ziel dann nicht erreicht, ist das schon eine Herausforderung“, sagt die 25-Jährige. Immerhin hatte sie noch ein Ziel: Platz eins der Rangliste in der Disziplin 3x20 verteidigen. „Ich wollte es mir, aber auch allen anderen beweisen. Zudem nimmt der Erstplatzierte an den Weltcups im Folgejahr teil“, sagt Steffen.

Spaziergang sorgt für „freien“ Kopf

Deswegen sei die Anspannung am ersten Wettkampftag schon groß gewesen. Der Start war um 14.30 Uhr und damit deutlich später, als es Steffen von vielen anderen Wettkämpfen gewohnt ist. Dadurch änderten sich auch die Rituale. „Sonst sind wir schon um 8 Uhr los zur Anlage, dieses Mal musste ich die Zeit überbrücken“, berichtet sie. Mit einem Spaziergang versuchte sie, den Kopf freizubekommen, ehe es gegen Mittag zur ehemaligen Olympiaanlage ging, wo schon die Probe sehr gut lief: „Ich war im Kopf voll da, das hat sich dann auch im Wettkampf gezeigt.“

Beim 3x20, einer olympischen Disziplin, müssen die Schützen jeweils 20 Schüsse im Knien, Liegen und Stehen abgeben, haben dafür insgesamt 105 Minuten Zeit. „Im Knien sind die Zehner nur so reingeflogen, deswegen konnte ich auch zügig aufs Liegendschießen wechseln“, erzählt die Ohlweilerin. Vor allem der Lichtwechsel und die Hitze im halb offenen Stand hätten ihr allerdings zu schaffen gemacht und die Konzentration enorm gefordert: „Stehend wollte ich es anfangs zu genau machen und habe dadurch unnötig Ringe liegen lassen. Dann habe ich aber meinen Rhythmus gefunden.“

Nach Liegendschießen kurz auf letztem Platz

Und sie hatte die ganze Zeit über die Konkurrenz im Blick, sah, dass sie mit 592 von 600 möglichen Ringen auf Rang eins lag. Weil sie auf Rang eins liegend ins Finale ging und damit schon sicher war, dass sie diesen Platz auch in der Rangliste verteidigen würde, war die Anspannung am Abend nicht mehr ganz so groß. Dennoch behielt Hannah Steffen die Nerven: Nach dem Liegendschießen lag sie kurz auf dem letzten Platz, kämpfte sich dann aber Schuss für Schuss beziehungsweise Rang für Rang nach vorne – und sicherte sich schließlich mit ihrem vorletzten Schuss die Goldmedaille, sie setzte sich damit auch gegen die Schützen durch, die für Deutschland bei den Olympischen Spielen teilgenommen hatten.

Genießen konnte diesen Erfolg erst einmal nicht, denn am Folgetag ging es bereits weiter mit dem Luftgewehr-Wettkampf. „Das bin ich relativ entspannt angegangen, weil mir das Kleinkaliber (KK) wichtiger war und ich auch während der gesamten Saison den Fokus darauf gelegt hatte“, so Hannah Steffen. Dennoch lief es gut, auch hier erreichte sie das Finale, kämpfte sich mit jedem Schuss im Klassement weiter nach oben und erreichte am Ende einen guten dritten Platz.

Große Stütze für ihre Mannschaft

Tag drei war für die 25-Jährige dann ein „freier“ Tag, hier agierte sie für ihren Waffenhersteller als Verkaufsberater, ehe es am Montag weiterging mit 60 liegend. Hier ging es für Hannah Steffen vor allem darum, für das Team – jeder Einzelwettkampf ist auch Teil einer Teamwertung – gute Leistungen zu erschießen.

Spaß hatte sie beim Liegendschießen dieses Mal allerdings nicht, vielmehr sei es eine Quälerei gewesen, auch weil das Wetter zwischenzeitlich umgeschlagen hatte, Regen und Wind über die Anlage peitschten. Dadurch wurde auch das Schießen ein wenig zur Lotterie, für Hannah Steffen, die in der Mitte des Schießstands positioniert war, noch mehr als für diejenigen, die am Rand lagen und den Wind nicht ganz so extrem spürten. Am Ende reichte es dennoch für einen guten vierten Platz und Rang eins im Team.

120 Schüsse gehen an die Substanz

Ähnlich gestaltete sich der folgende Tag, bei der 3x40 geschossen wurde, also jeweils 40 Schüsse im Knien, Liegen und Stehen abgegeben werden musste. Die Disziplin war früher olympisch, wurde dann aber von 3x20 abgelöst. Hannah Steffen kann gut verstehen, warum das so ist: „Die 120 Schüsse gehen ganz schön an die Substanz, das tut ab einem gewissen Punkt richtig weh.“ Dennoch wurde sie am Ende Vierte, holte mit ihrem Team Gold.

Am Donnerstag gab es dann noch einmal Gold im Einzelwettkampf, und das in einer ganz besonderen Disziplin: 100 Meter. Während die Abstände bei allen anderen Disziplinen 50 Meter betragen, ist die Zielscheibe hier doppelt so weit weg, die Zehn ist allerdings auch 50 mm groß (im Vergleich zu 4 mm bei 50 Metern).

„Da muss man seinen Kopf im Griff haben und das Programm runterspulen“, sagt die Ohlweilerin. Konkret bedeutet das: 30 Schüsse, wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt. Der 25-Jährigen gelangen drei Zehnerserien in Folge, maximale Punktzahl, Gold. „Als alle geklatscht haben, wusste ich Bescheid“, sagt sie. Die Disziplin sei besonders anspruchsvoll, weil die Kugel eine Kurve fliege und der Wind auch eine Rolle spiele, da müsse man dann eine ganz eigene Technik entwickeln.

Olympia 2028 in LA fest im Blick

Hannah Steffen jedenfalls hatte den Dreh raus – und krönte ihre starken Wettkämpfe. Entsprechend positiv fiel ihr Fazit aus: „Ich habe mich nach der verpassten Olympiateilnahme noch einmal aufgerappelt und die Möglichkeit genutzt, weiter Erfahrung zu sammeln.“ Und genau darum gehe es auch in den kommenden Monaten und Jahren. Ab November hat sie eine Stelle als Sportsoldatin in Aussicht, könnte sich dann voll und ganz auf den Schießsport konzentrieren. Der hält im kommenden Jahr Weltcups in München, China, Argentinien und Peru bereit, an denen die Ohlweilerin hofft, teilnehmen zu können.

Zudem findet die EM in Frankreich und die WM in Ägypten statt – und die nächsten Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles hat Hannah Steffen auch fest im Blick. Nun gibt es aber erst einmal ihr zu Ehren einen Empfang in ihrer Heimat: Am morgigen Freitag findet eine Feier im Schützenhaus Ohlweiler für die siebenfache Deutsche Meisterin statt.

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