Als eine Achterbahn der Gefühle beschreibt Lukas Litschel, Torwart und stellvertretender Kapitän des VfB Wissen, die abgelaufene Saison, die seiner Mannschaft über den Umweg der Entscheidungsrunde doch noch den Verbleib in der Fußball-Rheinlandliga bescherte: nach einer nervenaufreibenden Rückrunde und einem noch nervenaufreibenderen letzten Spiel gegen den TuS Mosella Schweich.
Herr Litschel, wie fällt Ihr Fazit nach der Saison mit dem VfB Wissen aus?
Am Ende bin ich ziemlich erleichtert, denn es war schon ein ganz schönes Auf und Ab. Das gilt im Prinzip für die komplette Saison. Wir sind mit zwei Siegen gegen Malberg und Trier-Tarforst gestartet, anschließend ist in schöner Regelmäßigkeit auf einen Sieg eine Niederlage gefolgt. Nachdem wir dann vor der Winterpause, wieder gegen Malberg und Trier nochmal zwei Siege eingefahren haben, waren wir voll im Soll. Und dann hatten wir fünf Abgänge, unter anderem Luca Kirschbaum. Das hat uns schon richtig wehgetan. Seine Tore, seine Präsenz auf dem Platz, das hat gefehlt. Trotzdem haben wir versucht, die Wintervorbereitung zu nutzen, um uns einzuspielen, wurden auch nicht nervös, als wir mit zwei Niederlagen gegen Cosmos und Ahrweiler, gegen die man verlieren kann, gestartet sind. Allerdings war das der Auftakt einer Serie an sieglosen Spielen, wir haben sieben-, achtmal in Folge nicht gewonnen und da hat es bei den jungen Spielern schon angefangen, im Kopf zu rattern. In dieser Zeit haben wir ganz viel geredet, um den Faden wieder zu finden. Das hat dann glücklicherweise geklappt, wenn auch sehr spät.
Wie haben Sie die Endphase der Saison empfunden?
Es war schon eine sehr intensive Zeit, in er wir alle, Mannschaft, Trainer, Vorstand, der gesamte Verein, noch enger zusammengerückt sind, in der auch die Jungs aus der Zweiten sich bereit erklärt haben, uns auszuhelfen. Dadurch kamen auch zwischenzeitlich kleine Erfolgserlebnisse wie der 7:1-Sieg gegen Vordereifel oder das 2:2 gegen Mülheim-Kärlich, die mit Blick auf die Endabrechnung enorm wichtig waren. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn wir den Klassenerhalt in der regulären Saison gegen Morbach klargemacht hätten, aber da waren wir einfach schlecht und man hat gemerkt, dass uns unsere Innenverteidiger Mario Weitershagen und Tom Pirsljin gefehlt haben. Wir waren während des Spiels nicht über die Zwischenstände auf den anderen Plätzen informiert. Als ich dann aber gehört habe, dass es auf eine Dreierrelegation rausläuft, war ich schon erleichtert.
Pirsljin und Weitershagen waren beim Spiel gegen Linz wieder dabei und trotzdem ist es euch da (noch) nicht gelungen, den Klassenerhalt perfekt zu machen. Stattdessen ist der Druck vor dem Spiel gegen Schweich gestiegen.
Ich glaube, ich spreche für die meisten von uns, wenn ich sage, dass wir uns als Erstes Schweich zu Hause gewünscht hätten, weil wir ganz genau wussten, das es in Linz extrem schwer werden würde. Wir sind deswegen aber auch nicht mit dem größten Druck hingefahren, haben uns schon im Vorfeld gesagt, dass wir ruhig bleiben, egal, wie das Spiel ausgeht. Dass wir zu Hause, abgesehen von dem Spiel gegen Morbach, zuletzt positive Ergebnisse eingefahren haben, auf die Resonanz der Zuschauer bauen konnten, das wussten wir, das hat uns geholfen.

Und die Partie gegen Schweich war dann ein echtes Nervenspiel.
Ich habe in der Kabine eine positive Anspannung ausgemacht, die Jungs waren alle super fokussiert, jedem war bewusst, dass es nicht darum geht, ein schönes Spiel abzuliefern, sondern dass die Mannschaft gewinnt, die den größeren Willen auf den Platz bringt.
Dazu passt es dann aber nur bedingt, dass einige der Spieler direkt nach der Partie gegen Linz nach Mallorca geflogen sind und erst kurz vor dem Spiel gegen Schweich zurückkamen.
Das ist tatsächlich ein Thema, das wir ganz intensiv diskutiert haben. Eigentlich war es ja sogar geplant, direkt nach dem Morbach-Spiel zu fliegen, dann kam aber die Entscheidungsrunde dazwischen und die Jungs haben es teilweise auf die Lücke zwischen den beiden Partien verlegt. Ich habe aber auch Verständnis für jeden, der geflogen ist, schließlich war die Reise bezahlt, die Jungs hätten die Kosten nicht erstattet bekommen. Wir haben aber schon einen Appell an die gerichtet, die geflogen sind und ich habe darauf vertraut, dass sie sich zurücknehmen, denn jedem Einzelnen war bewusst, worum es geht.
In der Partie gegen Schweich sah es dann zunächst auch so aus, als würde alles so laufen wie erhofft, bis es dann doch noch einmal eng wurde. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als aus einem komfortablen 3:0 binnen einer Minute ein 3:2 wurde?
Nachdem es 3:0 stand, habe ich den Jungs noch zugerufen, dass der Fokus der gleiche bleiben muss. Als wir dann das 3:1, ehrlicherweise war ich daran nicht ganz unschuldig, kassiert haben, war ich noch relativ entspannt. Das hat sich mit dem 3:2 dann aber schnell geändert, da habe ich auch bei den Jungs und bei den Zuschauern die Anspannung gespürt. Dann gab es noch zehn Minuten Nachspielzeit, da ging schon jedem von uns die Flatter. Aber wir haben uns als Team noch einmal zusammengerissen, haben um jeden Ball gefightet und haben uns ein wenig glücklich mit dem 4:2 belohnt. Da war die Erleichterung zu spüren, denn da wusste dann jeder: Jetzt haben wir es geschafft. Allerdings ist bei mir die Anspannung erst nach einer Stunde wirklich abgefallen. Das hat mir gezeigt, wie groß der Druck dann doch war.
Was waren Ihrer Meinung nach die Gründe, dass es nach 29 Punkten vor der Winterpause überhaupt noch mal eng wurde?
Ich glaube, da kamen viele Dinge zusammen. Die erwähnten Abgänge zur Winterpause, die wir nicht kompensiert haben, dann haben wir oft mit relativ wenig Leuten trainiert, weil wir viele Schichtarbeiter und Polizisten haben und natürlich kam dazu, dass wir irgendwann, als es nicht gelaufen ist, angefangen haben zu denken und uns damit selbst im Weg standen.
„Und gerade in der schweren Zeit sind wir alle noch einmal näher zusammengerückt, sind ruhig geblieben, nicht in Aktionismus verfallen, wir wussten, dass wir das nur alle zusammen, nur als Mannschaft schaffen können.“
Lukas Litschel
Stand denn der Trainer zu irgendeinem Zeitpunkt zur Diskussion?
Nein. Wir haben alle ein sehr gutes Verhältnis zu „Sporni“, er trifft vor allem bei den jungen Spielern immer den richtigen Ton, der Umgang ist vertrauensvoll. Und gerade in der schweren Zeit sind wir alle noch einmal näher zusammengerückt, sind ruhig geblieben, nicht in Aktionismus verfallen, wir wussten, dass wir das nur alle zusammen, nur als Mannschaft schaffen können.
Was muss sich denn ändern, damit in der kommenden Saison nicht bis zum Schluss gezittert werden muss?
Der Kader muss besser werden, sowohl mit Blick auf Qualität als auch auf Breite. Auch die Trainingsintensität muss sich erhöhen. Hier bedingt das eine aber das andere. Wenn ausreichend Spieler im Training sind, dann lässt es sich für den Trainer besser arbeiten, dann werden auch die Spiele besser. Das ist ein Thema, das wir schon angesprochen haben. Der Anspruch der Jungs muss es sein, jedes Training, jedes Spiel wahrzunehmen und hier alles möglich zu machen, damit das funktioniert.
Bislang wurde der eine oder andere Neuzugang vermeldet. Wie beurteilen Sie die Verpflichtungen?
Das sind sechs junge Spieler, die alle eine gute Ausbildung genossen haben. Wie sie dann im Männerbereich performen, muss sich zeigen. Ich hoffe, dass wir noch zwei, drei Jungs dazubekommen, aber aktuell gibt der Markt nicht allzu viel her.
Welche Rolle spielt hier der Hartplatz?
Der spielt tatsächlich eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ich erinnere mich, dass ich mich selbst damit beschäftigt habe, als ich nach Wissen gewechselt bin, für mich war es kein K.o.-Kriterium, für andere ist es das offensichtlich schon. Aber hier gibt es ja zum Glück Hoffnung, dass der Kunstrasen doch zeitnah umgesetzt wird. Darauf freuen wir uns natürlich alle.
Sie haben schon die eine oder andere Station hinter sich. Was macht für Sie den besonderen Charme des VfB Wissen aus?
Es ist ein sehr familiärer Verein, in dem alles harmonisch läuft, viel geredet wird, in dem Probleme, wenn sie auftauchen, gemeinsam gelöst werden. Zudem hat der Verein eine beeindruckende Vergangenheit, mit Knallerspielen im DFB-Pokal, mit vielen Zuschauern, was sich auch in der Infrastruktur mit einem wirklich tollen Stadion widerspiegelt. Zudem habe ich mit Sascha Kill den besten Torwarttrainer der Liga (lacht).