Er hat ohne Frage eine Torhüter-Ära bei der SG 2000 Mülheim-Kärlich geprägt: Michael Wall stand von 2007 bis 2013 und dann noch mal seit 2018 beim Fußball-Rheinlandligisten und zwischenzeitlichen Oberligisten zwischen den Pfosten, bestritt in der abgelaufenen Saison alle 38 Pflichtspiele. Und er hätte, daraus macht er keinen Hehl, seine letzte Saison als Aktiver nur allzu gerne mit der Meisterschaft und dem damit verbundenen Aufstieg in die Oberliga beendet. Daraus wurde nichts. Dennoch geht der 36-Jährige mit einem guten Gefühl in den Fußball-Ruhestand.
Herr Wall, nach knapp 20 Jahren im Seniorenfußball ist jetzt Schluss. Wie fühlt sich das an?
Durch die Relegation und den Pokal hatten wir in dieser Saison 38 Pflichtspiele, in denen ich jede Sekunde auf dem Platz stand. Da ist man erst einmal froh, wenn man den Fußballplatz mal eine Zeit lang nicht sieht (lacht). Momentan fühlt es sich ohnehin noch an wie immer in der Sommerpause. Ich bin mit meiner Familie in Urlaub und erhole mich von den Strapazen der Saison. Ich bin aber gespannt, wie es dann wird, wenn die Jungs wieder ihre ersten Runden auf dem Platz drehen und ich dann nicht dabei bin. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dann anfängt, sich komisch anzufühlen.
Was waren die Gründe für den Entschluss, die Karriere zu beenden?
Ich habe meine Entscheidung schon im Oktober vergangenen Jahres getroffen, auch, weil ich dem Verein Zeit geben wollte, sich auf die Suche nach geeigneten Nachfolgern zu machen. Ich werde in einem Monat 37, ich denke, da darf man aufhören, auch wenn ich mit Blick auf die Fitness sicherlich noch ein, zwei Jahre hätte spielen können. Aber aktuell ist meine Tochter noch im Kindergarten und dieses Jahr will ich noch mitnehmen, will die Zeit mit ihr bewusster erleben. Zudem habe ich beruflich mehr Aufgaben bekommen, sodass es aus meiner Sicht an der Zeit war, ein neues Kapitel zu beginnen.
Der Fußball hat Jahre, sogar Jahrzehnte Ihr Leben bestimmt. Haben Sie Angst, in ein Loch zu fallen, oder haben Sie schon Pläne für die Zeit danach?
Nein, Angst habe ich nicht. Der Fußball hat tatsächlich weit über 30 Jahre mein Leben im positiven Sinn bestimmt, ich habe alles danach ausgerichtet, weil ich es sehr ernst genommen habe. Jetzt freue ich mich aber auf die neu gewonnene Zeit, die ich bestmöglich mit meinem Kind, mit meiner Familie verbringen möchte. Zudem möchte ich vielleicht die Gelegenheit nutzen, auch mal andere Sportarten wie Tennis oder Schwimmen auszuprobieren. Dazu war bislang eigentlich nie Zeit.

Heißt das auch, dass Sie dem Fußball erst einmal komplett den Rücken kehren?
Das werde ich nicht. Allein schon durch mein Engagement mit der Inklusionsmannschaft werde ich dem Fußball treu bleiben. Als wir die Mannschaft für Menschen mit Beeinträchtigungen vor rund zwei Jahren ins Leben gerufen haben, war schnell klar, dass ich mich mit darum kümmere, weil ich durch meine Arbeit bei der Rhein-Mosel-Werkstatt viele Schnittmengen habe. Der Erfolg gibt uns seither recht, es kommen zu jeder Einheit 15 bis 20 Aktive und viele besuchen dann auch die Heimspiele der Rheinlandligamannschaft. Das Projekt fördert das soziale Miteinander und mir macht die Arbeit großen Spaß. Aber unabhängig davon werde ich sicherlich auch noch bei vielen Heimspielen dabei sein – dieses Mal aber sicherlich deutlich entspannter.
Können Sie sich denn vorstellen, noch einmal aktiv zu werden, als Spieler oder auch als Trainer?
Ich habe mir erst einmal fest vorgenommen, ein Jahr Pause zu machen und dann Bilanz zu ziehen, wie es sich ohne Fußball anfühlt. Sollte bei Mülheim aber, wovon ich allerdings nicht ausgehe, ein Engpass auf der Torhüterposition entstehen, würde ich den Verein nicht hängen lassen. Mein Pass ist weiterhin da und ich bin fit. Aber das ist sicherlich nicht mein Ziel, ich will jetzt wirklich eine Pause einlegen. Und ob ich dann irgendwann mal als Trainer oder Torwarttrainer arbeite, das wird sich zeigen.
Zuletzt sind Sie mit der SG 2000 zweimal in der Relegation am Aufstieg in die Oberliga gescheitert. Sie wären sicherlich lieber mit einem Erfolgserlebnis in den Ruhestand gegangen.
Mein Wunsch war es, nach 34 Spieltagen die Meisterschaft zu holen. Da sind wir leider mehr an uns selbst als an Cosmos Koblenz gescheitert, denn auf der Zielgerade ist uns ein wenig der Sprit ausgegangen. Als Meister zu gehen, das wäre ohne Frage mein Traum gewesen. Der Umweg über die Relegation ist dann immer ein Stück weit Lotterie, aber auch da hätten wir im Rückblick mehr erreichen können. Unterm Strich sehe ich aber das Positive: Wir haben eine junge, gute Mannschaft und ich durfte bis zum Schluss um etwas spielen, durfte dabei mitwirken, etwas zu bewegen. Am Ende war es dennoch eine erfolgreiche Saison, waren es zwei erfolgreiche Jahre zum Abschluss. Jetzt drücke ich den Jungs natürlich die Daumen, dass sie es im dritten Anlauf schaffen.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihre aktive Laufbahn zurück, was waren die Höhen, was die Tiefen?
Schöne Erinnerungen habe ich sicherlich an den Aufstieg in die Rheinlandliga 2009, auch daran, als wir in der Corona-Saison 2019/20 in die Oberliga aufgestiegen sind. In der Zeit war ich Trainer, Kapitän, Torwart und Betreuer in Personalunion, da hätte es nur noch gefehlt, dass ich auch die Würstchen gebraten hätte (lacht). Das war eine unglaublich intensive Saison. Als meine Frau dann schwanger geworden ist, bin ich wieder ins zweite Glied zurück, war nur noch Torwart und Co-Trainer unter Thomas Arzbach.
„Ich wohne mittlerweile seit vielen Jahren in Mülheim, bin dort zur Schule gegangen, habe eine intensive Bindung zum Ort, meine Tochter hat immer sehr viel Spaß auf der Anlage. Es gab also wenig Gründe für mich zu sagen: Ich gehe weg.“
Michael Wall erklärt, warum er fast seine komplette Laufbahn bei der SG 2000 verbracht hat
Was sicherlich auch positiv war: dass ich von größeren Verletzungen wie Brüchen oder Kreuzbandrissen verschont geblieben bin und jetzt in einem wirklichen fitten Zustand in den Fußball-Ruhestand gehen kann. Ich hoffe, die Wehwehchen kommen nicht noch. Bitter war natürlich das zweimalige Scheitern in der Relegation, aber Niederlagen gehören zum Sport nun mal dazu.
Wie kommt es, dass Sie den Großteil Ihrer Karriere bei der SG 2000 gespielt haben?
Mülheim ist ein sehr familiär geprägter Verein und ich bin nicht der Typ, der ständig wechselt, wenn er sich wohlfühlt. Ich wohne mittlerweile seit vielen Jahren in Mülheim, bin dort zur Schule gegangen, habe eine intensive Bindung zum Ort, meine Tochter hat immer sehr viel Spaß auf der Anlage. Es gab also wenig Gründe für mich zu sagen: Ich gehe weg. Dass ich mich damals, 2013, zu einem Wechsel entschieden habe, lag an einer Meinungsverschiedenheit zwischen mir und dem Trainer. Dann habe ich tatsächlich dreieinhalb Jahre keinen Fußball gespielt, auch das hat funktioniert.
Wie sehr und in welcher Form hat Sie der Fußball geprägt?
Der Fußball hat mich sehr geprägt. Ich habe gelernt, im Team zu arbeiten, aber auch, mich durchzusetzen. Ich glaube, das trifft auf die meisten Mannschaftssportarten zu, dass man auf spielerische Weise Sozialkompetenz lernt, auch wenn man als Torwart ja doch auf sich allein gestellt ist. Mir hat das große Freude gemacht, denn für mich ist es die Position mit der größten Verantwortung: Macht der Keeper einen Fehler, hat der in der Regel ein Gegentor zur Folge. Aber genau das macht es auch so spannend: Man ist auf sich allein gestellt, hat auch ein Trikot in einer anderen Farbe und ist so etwas wie die letzte Hoffnung für seine Mannschaft. Auch das hat mich sicherlich sehr geprägt.
Gab es auch Trainer, die Sie geprägt haben?
Jeder sicherlich auf seine Weise. In meinen ersten Jahren in Mayen war Stefan Ruthenbeck, der kürzlich mit der U19 des 1. FC Köln Deutscher Meister wurde, mein Trainer. Das war schon eine besondere Zeit. Aber auch von den anderen, so viele waren es ja gar nicht, habe ich etwas mitgenommen. Sei es Thomas Arzbach, Marco Wagner, Tom Theisen, der mich wieder zurück nach Mülheim geholt hat, oder zuletzt Nenad Lazarevic, dem es ein besonderes Anliegen ist, Dinge kollegial und freundschaftlich zu lösen, der dafür sorgt, dass sich jeder wohlfühlt und der zugleich selbst eine beachtliche Vita vorzuweisen hat. Eine besonders enge Bindung hatte ich natürlich immer zu meinen Torwarttrainern, bei der SG 2000 waren das Michael Schneider, Werner Kohl und zuletzt Patrick Guthart, die mich ebenfalls geprägt haben.