Spitzenkandidatin Malu Dreyer setzt zu Beginn des Listenparteitags auf Geschlossenheit - in Partei und Gesellschaft
SPD startet den Wahlkampf fast ohne Attacken: Spitzenkandidatin Malu Dreyer setzt auf Geschlossenheit
Bildungspolitik spielt eine zentrale Rolle im Wahlkampf. Dreyer und die SPD wollen dabei mehr Verantwortung auf die Basis übertragen: „Schulen werden freier sein, ein eigenes Budget haben und mehr Freiheiten für eine eigene Lernkultur und ein eigenes Profil.“ Foto: Carsten Zillmann
Zillmann

Rheinland-Pfalz. Die Ministerpräsidentin und designierte SPD-Spitzenkandidatin Malu Dreyer hat ihre Partei beim digitalen Auftakt zur Landesvertreterversammlung am heutigen Samstag in der Mainzer Halle 45 auf einen geschlossenen Wahlkampf eingestimmt. „Wir sind eine Partei, die in die Zukunft schaut“, rief Dreyer ihren Genossen an den Endgeräten zu. Der Schlüssel zum Erfolg seien Zusammenhalt und Solidarität. Man habe bewiesen, dass man das Land gut regieren könne. „In guten Zeiten. Und immer wieder auch in Krisen.“

Dreyer soll nun von den Delegierten als Spitzenkandidatin bestätigt werden. Auf den Plätzen hinter ihr sollen nach Vorstellung des Landesvorstands Fraktionschef Alexander Schweitzer, Finanzministerin Doris Ahnen, Innenminister und Landeschef Roger Lewentz, Anke Simon, Landtagspräsident Hendrik Hering und Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler folgen. Die Liste der Genossen ist bis Platz 42 quotiert. Auf einen Mann folgt stets eine Frau. Jüngste Kandidatin ist die 27-jährige Ruth Greb aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis auf Platz 33, ältester Kandidat ist der 68-jährige Hans Jürgen Noss aus dem Kreis Birkenfeld auf Platz 16. Da innerhalb der SPD große Einigkeit herrscht, ist – ähnlich wie auf dem CDU-Landesparteitag – nicht mit Kampfkandidaturen zu rechnen. Thematisch legte die Regierungschefin den Schwerpunkt auf die Megathemen Digitalisierung und Transformation – in verschiedenen Bereichen.

Bemerkenswert: Dreyer stieg mit dem Thema Wirtschaft ein. Die Zukunft der Industrie sei keine utopische Vision mehr, sie habe in Rheinland-Pfalz längst begonnen. Vom Weingut bis zum Chemieriesen BASF stünden die Unternehmen vor einem „gigantischen Umbruch“. „Unzählige Unternehmen stellen sich längst neu auf. Und einige von ihnen erfinden sich sogar neu“, sagte Dreyer. Sie kündigte eine „Zukunftsagenda Industrie“ an, „mit einem klaren Fahrplan, wie Rheinland-Pfalz ein starkes Industrieland der Zukunft bleibt“. Neben klassischer SPD-Perspektive, sprich Arbeitnehmerqualifikation und betrieblicher Mitbestimmung, lieferte Dreyer auch sehr viel ökonomischen Blickwinkel wie günstige Energie oder Kapital für die zweite Finanzierungsrunde von Start-ups.

Auch in der Bildungspolitik spiele Digitalisierung eine Hauptrolle: Den analogen Ort „Schule“ werde es auch in Zukunft geben. Aber es wird auch mehr digitale Lernorte geben als heute: „Einen digitalen Schulhof und Klassenchats, Online-Lerngruppen und digitale Plattformen, auf denen Schüler und Schülerinnen gemeinsam an Projekten arbeiten.“ Beide sollen sich nach dem Willen der Ministerpräsidentin ergänzen. Den einzelnen Schulen will sie dabei mehr Verantwortung überlassen: „Schulen werden freier sein, ein eigenes Budget haben und mehr Freiheiten für eine eigene Lernkultur und ein eigenes Profil.“

Während Dreyer die inhaltliche Linie der SPD klarmachte, beschwor Landeschef Lewentz die eigenen Stärken. Denn auch im Wahljahr 2021 wird der Weg der SPD zum Wahlsieg nur über eine Aufholjagd führen. Laut einer Umfrage Ende Oktober lagen die Sozialdemokraten mit 27 Prozent der Wählerstimmen 6 Prozentpunkte hinter der Union mit Spitzenmann Christian Baldauf. 2016 betrug der Rückstand zu einem vergleichbaren Zeitpunkt 11 Prozentpunkte. Der Bundestrend war damals aber mit immerhin 22 Prozent nicht ganz so schwach wie die aktuellen 15 bis 17 Prozent (je nach Umfrageinstitut). „Wir müssen 20 Prozent drauflegen“, glaubt Lewentz. „Wir müssen um die 36 Prozent holen.“

Dass das funktionieren kann, bekräftigte Lewentz mit dem Beispiel der Landratswahl in der Vulkaneifel. Dort setzte sich Julia Gieseking deutlich gegen den Amtsinhaber durch. „Das zeigt: Wenn das personelle Angebot stimmt, haben wir alle Chancen“, sagte er. „Nun kommt es auf unsere Stärke und unsere Kraft an.“ Diese verkörpere auch Dreyer. „Ich freue mich sehr, mit dir an der Spitze in den Wahlkampf zu ziehen“, sagte er in Richtung der Ministerpräsidentin.

Auf Attacken gegen die politische Konkurrenz verzichtete Lewentz angesichts der Ereignisse von Trier weitgehend, warf Baldauf aber vor, „unverantwortlich Angst vor islamistischen Gefährdern“ geschürt zu haben: „Das ist in dieser Lage kein Führungscharakter. Das zeugt nicht von einer Führungspersönlichkeit.“

Von unserem Mainzer Korrespondenten Carsten Zillmann

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