Streitbarer Funktionär zieht Parallelen zwischen Sport und Gesellschaft
Satt, träge, selbstgerecht – warum Handball-Boss Hanning die Fußballer abkanzelt
Bunt gekleidet und wortgewaltig: Bob Hanning. Foto: Robert Michael/dpa
dpa

Bob Hanning polarisiert. Und das ist auch ein gutes Stück Methode beim 54-jährigen Handball-Manager. Dass immer wieder über seinen Kleidungsstil diskutiert wird – Hanning trägt mit Vorliebe extravagante Oberteile –, ist dabei nur eine Nebensache. Vielmehr scheut sich der Geschäftsführer des Bundesligisten Füchse Berlin nicht vor klaren Worten, er wählt sie sogar bewusst.

So griff er in seiner im Oktober 2021 erschienenen Autobiografie „Hanning. Macht. Handball“ unter anderem Ex-Bundestrainer Heiner Brand scharf an. Jedermanns Liebling ist Hanning nicht. Er will es vermutlich auch gar nicht sein. Was das alles mit Fußball zu tun hat? Nun, Hanning hat sich in einem Gastbeitrag für den „Tagesspiegel“ über die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Besonderen und über die deutsche Gesellschaft im Allgemeinen ausgelassen. Im „ARD-Morgenmagazin“ am Montag erörterte der ehemalige Vizepräsident des Deutschen Handballbundes nun seine Beweg- und Hintergründe.

Es sei ihm demach gar nicht um „Fußball-Bashing“ gegangen, vielmehr „wollte ich nur eine Diskussion anstoßen“. Entsprechend „überwältigt vom riesigen Echo“ sei er jetzt. Das kauft man dem streitbaren Funktionär aber nur bedingt ab, natürlich muss er gewusst haben, welche Wirkung seine Worte haben würden. Es war ja schließlich nicht das erste Mal.

Die Fußballer als überbezahlte, verwöhnte Versager hinzustellen, weil das irgendwie immer gut ankommt, vor allem, wenn es von den bodenständigeren Handballern kommt, ist Hanning aber zu billig. Er geht tiefer. „Wir haben bei der Weltmeisterschaft genau die Nationalmannschaft bekommen, die wir aktuell verdienen. Sie ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft“, äußert er und umschreibt eben jene Gesellschaft als „satt, träge, selbstgerecht“. Hanning schlägt einen weiteren weiten Bogen: „Wenn wir uns dieser Tage über unsere Nationalmannschaft aufregen, regen wir uns ein gutes Stück über uns selbst auf.“ Der Fußball ist demnach also nicht nur Spiegelbild, sondern auch Projektionsfläche für die gesellschaftlichen Missstände.

Hannings Beitrag mag auf den ersten Blick polemisch wirken, er ist aber differenziert und zweifellos gut formuliert. Der Deutsche Fußball-Bund bekommt sein Fett weg („ein besorgniserregendes Bild“), auch für den Umgang mit der „One Love“-Kapitänsbinde, den Hanning als „peinlichen Schlingerkurs“ geißelt. Am Ende stand die „Mund-zu-Geste“ der deutschen Spieler vor der verhängnisvollen Auftaktpartie gegen Japan, die Hanning als „albern“ bezeichnet: „Ich würde ja selbst lachen, wenn es nicht so traurig wäre.“

Seiner Ansicht nach hätte man sich entweder für einen WM-Boykott entscheiden oder aber in Katar den Dialog suchen sollen, „ohne uns dabei als Wertepolizei aufzuspielen und dabei alles auf der medialen Bühne auszubreiten“. So sei der Fokus vom Sportlichen auf das Politische gelenkt worden – was der Leistung der deutschen Mannschaft nicht wirklich zuträglich war. Den Spielern macht Hanning allerdings keinen Vorwurf – „zumal nicht alle Sportler die kognitiven Kapazitäten haben, sich vernünftig und in aller Öffentlichkeit zu diesen Themen zu artikulieren“. Der Macher Hanning, Spitzname „Napoleon“, hat noch niemanden mit seinen Taten und Worten ver- oder geschont.

Die sportlichen Darbietungen der Fußballer in Katar bewertet er wie folgt: „Ohne Feuer. Ohne Eifer. Ohne Ehrgeiz. Ohne Mumm.“ Und: „Kein Plan, keine Leistung, kein Konzept.“ Hanning wäre aber nicht Hanning, wenn er nicht auch Anregungen geben würde, wie es besser laufen könnte. Auch hier wählt er in seinem Essay prägnante Stakkato-Sätze: „Leistung statt Labern. Mut auf dem Platz statt Meinung am Mikro. Mehr Sein, weniger Schein.“

Es brauche neue Gedankengänge, aber auch altbewährte Tugenden, wie Hanning nun im „Morgenmagazin“ ausführte: „Wir müssen zu den Werten zurückkommen, die uns mal stark gemacht haben. Wir brauchen viel mehr Leidenschaft und Ehrgeiz.“

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