Rheinland-Pfalz
Riesenüberraschung bei Freien Wählern: Helge Schwab wird Fraktionsvorsitzender – Wefelscheid bekommt kein Amt
Helge Schwab
Helge Schwab wird neuer Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im rheinland-pfälzischen Landtag.
Torsten Silz/dpa

Mit Spannung war die Fraktionssitzung der Freien Wähler am Freitagmorgen erwartet worden. Innerhalb der Abgeordnetengruppe rumorte es zuletzt gewaltig. Bis Freitag blieb zudem unklar, ob der frisch gewählte Europaabgeordnete und amtierende Fraktioschef, Joachim Streit, sein Landtagsmandat niederlegen würde. Nun gibt es einen Donnerschlag: Helge Schwab wird neuer Fraktionsvorsitzender. Der Pfälzer folgt damit auf Joachim Streit.

Die Freien Wähler (FW) im rheinland-pfälzischen Landtag haben am Freitagmorgen mit einer Personalentscheidung für eine große Überraschung in Mainz gesorgt. Weil Fraktionschef Joachim Streit künftig im Europaparlament sitzen wird, hat er seinen Platz im Landtag und damit die Fraktionsspitze geräumt. Bei der Wahl zu seiner Nachfolge hat sich aber nicht Freie-Wähler-Parteichef Stephan Wefelscheid durchsetzen können. Der Koblenzer hatte seine Kandidatur vorab als einziger angekündigt. Stattdessen wählte die Fraktion den Pfälzer Abgeordneten Helge Schwab zum neuen Vorsitzenden.

Streit übergibt ihm Mitte Juli das Amt. Den Posten der Parlamentarischen Geschäftsführerin übernimmt Lisa-Marie Jeckel (Rhein-Lahn-Kreis) von Wefelscheid, der trotz Favoritenrolle damit komplett leer ausgeht.​

In der Politik geht’s häufig nicht um Logik, sondern um Gefühl.

Freie-Wähler-Parteichef Stephan Wefelscheid

„Ich hatte letztlich keine Mehrheit in der Fraktion, was ich bedauere“, sagte Wefelscheid im Anschluss. Landesparteivorsitzender wolle er bleiben und ebenso sein Landtagsmandat behalten. Nach Informationen unserer Zeitung erhielt Wefelscheid in mehreren Wahlgängen der geheimen Abstimmung nicht genügend Stimmen. Bei einer anschließenden Kampfkandidatur setzte sich Helge Schwab gegen Wefelscheid durch.

„In der Politik geht’s häufig nicht um Logik, sondern um Gefühl“, sagte Wefelscheid. Er sei „betrübt“, aber ein „Stehaufmännchen“, die Abstimmung haue ihn nicht um. ​Der Jurist erklärte, dass er sich durchaus befreit fühle, sich nicht mehr um viele administrative Aufgaben in der Fraktion kümmern zu müssen. Der rechtspolitische Sprecher sagte: „Ich bin jetzt der freieste Freie-Abeordnete, den die Fraktion hat.“

In der Fraktion rumorte es seit Monaten ​

Wegen Streits drohendem Abgang und dadurch womöglich frei werdenden Posten hatte es in der Fraktion der Freien schon länger rumort. Streit hatte sich bis zuletzt öffentlich nicht dazu geäußert, ob er sein Landtagsmandat und gegebenenfalls gar den Fraktionsvorsitz behalten würde. Womöglich, um die zerstrittene Fraktion zu befrieden. Von den Freien Wählern aus der Vulkaneifel gab es sogar eine öffentliche Forderung, dass Streit nach seiner Wahl als Europaabgeordneter „weiterhin unsere Interessen sowohl in Mainz als auch in Straßburg vertritt“. Scharfe Kritik kam wiederum von den Freien Wählern aus Birkenfeld.

Verbandsgemeinde-Bürgermeister Bernhard Alscher wird auf Streit im Landtag als Nachrücker folgen. In einem Brandbrief hatte er Streit vor wenigen Tagen aufgefordert, das Mandat niederzulegen (wir berichteten). Dem kam Streit, der am Freitag wiederum den Brief kritisierte, jetzt nach. ​„Sicherlich hat der Brief, der aus Birkenfeld diese Woche kam, überhaupt nicht dazu beigetragen, die Stimmung ins Positive zu wenden. Das war ein Akt, der für viel Verwirrung auch bei den Abgeordneten gesorgt hat.“

Der Parteitag als erster großer Streit ​

Zum ersten großen Krach unter den Fraktionsmitgliedern war es auf dem Bundesparteitag der Freien Wähler im Februar in Bitburg gekommen. Damals stimmten rund 92 Prozent der Delegierten für ein umfassendes Kooperationsverbot mit der AfD, das Parteichef Wefelscheid gefordert hatte. Allerdings stellte sich die komplette Fraktion außer Streit gegen seinen Antrag.

Ein erstes Misstrauensvotum, das sich mit der Nicht-Wahl nun fortsetzte. Die vier Abweichler, geführt vom neuen Fraktionschef Helge Schwab, hatten sich offenbar auch nun wieder zusammengetan und die Abstimmung in der sechsköpfigen Fraktion dominiert. ​

Joachim Streit
Joachim Streit (Freie Wähler) spricht im Landtag von Rheinland-Pfalz.
Sebastian Gollnow. picture alliance/dpa/Sebastian G

Wefelscheids Brüskierung auf dem Parteitag war in der Fraktion wohl nie richtig aufgearbeitet worden. Im Anschluss war von aus dem Weg gehen zwischen den Parlamentariern die Rede, von Rachegelüsten, von ausbleibenden Aussprachen. Diese soll es selbst am Freitagmorgen in der Fraktionssitzung nicht gegeben haben. Streit selbst bestreitet, einen Scherbenhaufen in der Fraktion hinterlassen zu haben. „Ich gehe mit reinem Gewissen“, sagte der Eifeler unserer Zeitung. Der Frage, ob Schwab der beste Nachfolger für ihn sei, umschiffte er allerdings. ​

Das ist Streits Nachfolger – und das sind seine Pläne

Der 52-jährige Helge Schwab war bislang stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Der Bildungspolitiker stand dabei eher selten im Rampenlicht, gilt als einer der ruhigeren Parlamentarier. Dementsprechend wollte er die Vorkommnisse in der Fraktionssitzung am Freitag nicht kommentieren. Aber: Es sei keine Kampfkandidatur gegen Wefelscheid gewesen. Vielmehr sei Schwab ungeplant vorgeschlagen worden – „und die Fraktion hat entschieden, dass ich der Bessere bin“. Er habe „niemanden vors Schienbein getreten“, sagte Schwab zur Frage nach dem Clinch innerhalb der Fraktion. ​Der gelernte Soldat ergänzte: „Ich persönlich habe mit keinem Menschen Streit.“ Schwab nannte Wefelscheid einen „Top-Mann“.

Er wolle nach dem Ausscheiden von Joachim Streit die Fraktion in die Lage versetzen, auch ohne ihn nach vorn zu kommen. Das Ziel: Der Wiedereinzug bei der Landtagswahl 2026. Schwab strebt danach auch eine Regierungsbeteiligung an. Ob er auch Spitzenkandidat werden wolle? Das wollte der Pfälzer noch nicht beantworten. Diese Frage werde bei einem Parteitag entschieden. Die zweite mächtige Person in der Fraktion wird künftig Lisa-Marie Jeckel als Parlamentsgeschäftsführerin sein. Die 30-Jährige kommt aus dem Rhein-Lahn-Kreis und ist auch Vorsitzende der Jugendorganisation Junge Freie Wähler Rheinland-Pfalz.

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