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Warum das blaue Rheingold nie versiegt: 400 000 Menschen hängen am Tropf des Neuwieder Beckens

Von Dirk Eberz
Pro Jahr werden Milliarden Liter Wasser von Sankt Sebastian hoch in den Hunsrück gepumpt Foto: picture alliance/dpa

Reines Wasser muss durch einen tiefen Stein. Aber Sand und Kies tun es auch. Millionen Tonnen dieser Sedimente hat der Rhein über viele Quadratkilometer im Neuwieder Becken angeschwemmt. „Sie sind ein idealer Filter“, schwärmt Ulrich Kleemann, Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord. Rund 90 Tage lang sickert Tropfen für Tropfen langsam nach unten. „Je länger das Grundwasser fließt, desto sauberer ist es auch“, sagt der Chef der obersten Wasserbehörde.

Lesezeit: 3 Minuten
Mythos Neuwieder Becken. Ein schier unerschöpfliches Reservoir. Die Wasseradern verlaufen in Flussnähe schon nahe an der Oberfläche. Aus 8 bis 25 Metern wird das Wasser angesaugt. Kleemanns Abteilungsleiter Joachim Gerke erklärt, wie das funktioniert: „Sand und Kies sind wie ein Schwamm. Da bohren Sie einen Brunnen rein und entziehen ihm ...
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Pro Jahr werden Milliarden Liter Wasser von Sankt Sebastian hoch in den Hunsrück gepumpt

Vom Rheintal in den Hunsrück verläuft ein gigantisches Leitungssystem. Ein Rohrnetz mit rund 1100 Kilometer Länge sorgt dafür, dass die vergleichsweise wasserarmen Höhen auch in den trockensten Sommern nicht verdorren. 2019 ist dazu die enorme Menge von 5,5 Milliarden Litern nach oben gepumpt und kreuz und quer verteilt worden – bis zu 100 Kilometer weit.

Der abgelegenste Außenposten von Rhein-Hunsrück-Wasser ist dabei der Flughafen Hahn. Insgesamt kommt bei rund 85.000 Menschen im Hunsrück und am Mittelrhein Wasser aus dem Neuwieder Becken aus dem Hahn. 145 Orte sind ans Netz des Versorgers mit Sitz in Dörth angeschlossen. Gehoben wird der Schatz bei Sankt Sebastian aus 15 bis 20 Meter Tiefe. Fünf Brunnen fördern das Grundwasser zutage. Zwei weitere stehen als Reserve bereit. Besonders stolz ist Werkleiter Steffen Liehr auf die Qualität, die ständig in Labors überwacht wird. Kaum ein Lebensmittel wird so streng geprüft, sagt der Werkleiter. „Das könnten sie so trinken. Wir brauchen es so gut wie gar nicht aufzubereiten.“ Ein bisschen Kohlensäure kommt raus, dafür etwas Chlordioxid zur Desinfektion rein – das wäre es fast auch schon. „Es ist ein hartes Wasser mit vielen Mineralien“, erklärt Liehr. Und auch bei den Nitratwerten, die zuletzt immer wieder zur Diskussion standen, kann Liehr Entwarnung geben. Mit durchschnittlich 22 Milligramm pro Liter wird der Grenzwert von 50 Milligramm deutlich unterschritten. „Und das ist die Konzentration des Grundwassers“, betont Liehr. „Wir holen da nichts mehr raus.“ Das spart schon mal viel Geld. Weitaus aufwendiger ist es da schon, das Wasser aus dem Tal zu pumpen. Immerhin sind über mehrere Zwischenschritte bis zu 530 Höhenmeter zu überwinden. „Energie ist einer unserer Hauptkostenfaktoren“, sagt Liehr. Im Hunsrück wird das kostbare Nass erst mal in 48 Hochbehältern zwischengespeichert. Von dort wird es dann je nach Bedarf verteilt. Auf Quellen ist Rhein-Hunsrück-Wasser dabei kaum noch angewiesen. Selbst in Hitzesommern nicht. „Wir können immer wieder nachschieben“, sagt Liehr stolz. Bei den Nachbarn im Hunsrück sah das ganz anders aus. In der Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen etwa, die größtenteils nicht aus dem Neuwieder Becken schöpfen kann, wurde das Wasser knapp. Und im Vorderhunsrück würde es ohne die unerschöpflichen Brunnen von Sankt Sebastian auch nicht anders aussehen. Und zwar nicht erst, seit der Klimawandel spürbar geworden ist. „Wir säßen schon seit rund 50 Jahren auf dem Trockenen“, betont Liehr. Zumindest bei Extremwetter. In Emmelshausen haben die Älteren die Dürresommer der 1960er- und 1970er-Jahre noch in unguter Erinnerung. Deshalb wurde schließlich das Neuwieder Becken angezapft. 1972 wurde das Wasserwerk in Sankt Sebastian in Betrieb genommen. Danach gingen nach und nach die ersten Dörfer und Städte ans Netz. Anders wären die Gewerbeansiedlungen an der A 61 und im Bopparder Industriegebiet Hellerwald undenkbar, sagt Liehr. So viel Wasser, wie Bomag und Co. verbrauchen, könnten die Quellen im Huns­rück gar nicht liefern. Dirk Eberz