Wird die Familienfeier im Gasthaus ausgerichtet – oder lieber im Dorfgemeinschaftshaus? In vielen Gemeinden ist es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten durch die von öffentlichen Geldern eingerichteten Häuser zu einer Konkurrenzsituation gekommen, in der die ohnehin gebeutelten Wirte oft den Kürzeren ziehen. Christoph Hoopmann, Geschäftsführer der Westerwald-Touristik, gibt den Gemeinden daher eine Mitschuld am Sterben der lokalen Gastronomiebetriebe.
Viele Gemeinden beklagen das Sterben der lokalen Gastronomie. Hat das Errichten von Dorfgemeinschaftshäusern und Vereinsheimen dieses Sterben unterstützt?
Ja, das hat dazu beigetragen, dass es für die Gastronomie immer schwieriger geworden ist, Geschäfte zu machen. Wenn ich mich im Westerwaldkreis umschaue und zum Beispiel Hattert sehe, da gab es früher mehr als zehn gastronomische Betriebe. Das ist lange vorbei.
Wie ist es zu dieser Konkurrenzsituation gekommen?
Die Dorfgemeinschaftshäuser oder Vereinsheime haben nicht die Kosten, die ein Gasthaus hat. Dann feiern die Leute dort ihre Familienfeste und nicht mehr im Gasthaus – und es ist ihnen egal, dass sie hinterher aufräumen oder putzen müssen oder noch eine Woche lang die Reste vom Schweinelendchen essen müssen. All das müssten sie nicht, wenn sie im Gasthaus feiern würden. Aber das ist vielen egal, oder man sieht diese versteckten Kosten nicht. Meiner Ansicht nach hat aber auch die Gastronomie oft versäumt, ihre Leistungsfähigkeit in den Vordergrund zu stellen und den Leuten überzeugende Angebote für ihre Feiern zu machen. Und heute haben wir damit zu kämpfen, dass es auf dem Land kaum noch Gastronomie gibt.
Haben die Dorfgemeinschaftshäuser inzwischen auch Probleme?
Ja, immer mehr. Die wurden in den 70er- oder 80er-Jahren gebaut und müssten teilweise dringend renoviert werden. Und auch diese Häuser müssen ja betrieben werden, und es gibt immer weniger Menschen, die dazu bereit sind. Auch Vereinsheime leiden darunter – wenn immer weniger Menschen im Verein aktiv sind, veralten auch die Vereinsheime.
Haben die Gemeinden diese Entwicklung nicht bedacht?
Man hat die Folgen nicht bedacht, da bin ich sicher. Man wollte einen neuen Dorfmittelpunkt mit dem Dorfgemeinschaftshaus schaffen – dabei hatte doch jedes Dorf traditionell einen Dorfmittelpunkt: die Kirche und die Kneipe. Und eigentlich ist eine Feier im Dorfgemeinschaftshaus ja gar nicht billiger als in der Kneipe: Wenn ich dort feiern will, brauche ich jemanden, der mir beim Bierzapfen hilft, das kann ich ja nicht allein. Den muss ich doch auch bezahlen. Außerdem muss ich hinterher putzen und aufräumen – das relativiert den Preisunterschied doch.
Kann man denn jetzt noch etwas tun – oder ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen?
Sie können die Dorfgemeinschaftshäuser und Vereinsheime nicht abreißen, das ist logisch. Aber man muss die Menschen überzeugen, doch hin und wieder mal ein Bier in der Kneipe trinken zu gehen und die Wirte, die es in der Gemeinde noch gibt, zu unterstützen. Ich war selbst früher Vorsitzender eines Sportvereins, und wir haben in unserem Vereinsheim um 18 Uhr den Zapfhahn zugemacht und gesagt: „Los, jetzt gehen wir zum Wirt und trinken da unser Bier.“ Aber man muss auch den Wirten sagen, dass sie aufs Preis-Leistungs-Verhältnis achten müssen, damit sie attraktiv sind.
Das Gespräch führte Michael Defrancesco