Der überzeugte Föderalist Horst Seehofer sah sich schon vor der Hochwasserkatastrophe gezwungen, mehr Verantwortung für die Kooperation zwischen den Ebenen seinem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zuzuschieben. Denn zuvor hatte sich bei einer Trockenübung, einem bundesweiten Warntag, gezeigt, dass da einiges schiefläuft, wenn einheitlich gewarnt werden soll und sich dann die regionalen Stellen nicht an die Absprache halten. Der Testlauf wurde zum Fiasko, und Seehofer tauschte den Behördenleiter aus, um zu unterstreichen, wie nötig ein Neuaufbau des Systems ist.
Doch als es nun zehn Monate später nicht um eine Simulation ging, sondern um das Retten von Menschenleben, zeigten sich erneut mehrere Regionen überfordert und scheuten sich, vor den schnell bedrohlich werdenden Wassermassen zu warnen. Wenn etwas zuerst in einer Übung versagt und dann im Ernstfall wieder, müssen sich die Verantwortlichen dringend von der Überzeugung trennen, dass alles so weiterlaufen könne wie bislang. Eine Verhinderungs- oder Verzögerungsinstanz darf bei Warnungen nicht länger zwischen der Wetterlage und den davon Betroffenen stehen. Was in Kriegszeiten zählt, muss auch in Friedenszeiten gelten, wenn die Folgen von Unwetterschäden so groß sind „wie im Krieg“.
Seehofer hat recht mit der Konsequenz, dass es einen Mix aus analogen und digitalen Warnsystemen geben muss. Wer nur auf seine App vertraut, bekommt nicht mit, was sich da zusammenbraut, während er schläft. Wer nur auf die Sirene setzt, wird erst einmal nicht wissen, was zu tun ist. Die technisch längst mögliche Alarmierung aller Handybenutzer in einer gefährdeten Region muss nun jenseits allen Zuständigkeitsgerangels auf den Weg gebracht werden. Je schneller, desto besser.
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