Hahn

Wer rettet den Hahn? Noch wartet der insolvente Flughafen auf seine neuen Investoren – Doch es gibt Hoffnung

Von Jens Albes
Abendhimmel über dem Tower des Flughafens Hahn: Der Hunsrück-Airport musste Insolvenz anmelden, seine Zukunft ist ungewiss. Jetzt hofft die Belegschaft auf neue Konzepte von neuen Investoren. Der Insolvenzverwalter spricht jedenfalls von einem „regen Interesse“.
Abendhimmel über dem Tower des Flughafens Hahn: Der Hunsrück-Airport musste Insolvenz anmelden, seine Zukunft ist ungewiss. Jetzt hofft die Belegschaft auf neue Konzepte von neuen Investoren. Der Insolvenzverwalter spricht jedenfalls von einem „regen Interesse“. Foto: dpa

Auch im neuen Jahr hält am insolventen Flughafen Hahn im Hunsrück die Spannung an. Wer kauft ihn, wer rettet ihn? Weiterhin starten und landen hier Maschinen. Der vorläufige Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner erklärt: „Der Flugplan für Januar stellt sich gut dar, und wir sind optimistisch, den Betrieb auch im Februar aufrechterhalten zu können.“

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Eine dauerhafte Fortführung hänge allerdings davon ab, „ob wir gemeinsam mit den Beteiligten die Verluste verringern können und der Investorenprozess auch mit Blick auf notwendige behördliche Genehmigungen zeitnah abgeschlossen werden kann“.

Noch verrät der Frankfurter Sanierungsexperte nichts zu möglichen Favoriten bei der Ausschreibung für Kaufinteressenten. Nach dem Ende einer ersten Frist am 20. Dezember 2021 geht es beim Hahn um konkrete Konzepte von neuen Investoren. Diese können für den gesamten Airport oder nur für Teilflächen bieten. Plathner hat im Dezember immerhin von einem „regen Interesse“ aus dem In- und Ausland gesprochen.

Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH (FFHG), Karl-Heinz Heinrich, spricht von einer „gewissen Ungewissheit“, sagt aber auch: „Die Stimmung ist schon hoffnungsvoll.“ Bis Anfang Februar werde der Betriebsrat wohl mehr erfahren. Am liebsten wäre ihm eine Fortführung des Flugbetriebs statt der Umwandlung des Hahns in einen besseren Gewerbepark, „weil dann alle Jobs erhalten werden könnten“, sagt Heinrich, der bei der Feuerwehr des Flughafens arbeitet.

Der inzwischen ebenfalls angeschlagene chinesische Großkonzern HNA hat 2017 für rund 15 Millionen Euro 82,5 Prozent des Airports vom Land Rheinland-Pfalz erworben. Die übrigen 17,5 Prozent hält immer noch das Land Hessen. Der einstige US-Militärflughafen heißt aus Marketinggründen Frankfurt-Hahn – obwohl er rund 125 Straßenkilometer von der Mainmetropole entfernt ist. Er hat weder einen Autobahn- noch einen Bahnanschluss, aber eine begehrte, weil seltene Nachtfluggenehmigung. Seine Mitarbeiter bekommen auch im Januar noch Insolvenzgeld. Ursprünglich sollte dieses nur von Oktober bis Dezember fließen. Doch dann sollten die Oktobergehälter und Oktoberlöhne doch noch vom Flughafen selbst gezahlt werden, wie Plathner erklärt. Heinrich sagt, eine Abwanderungswelle von Kollegen gebe es bislang nicht: „Im Gegenteil – wir hatten sogar die eine oder andere Einstellung oder Entfristung von Zeitverträgen in der jüngsten Vergangenheit.“

Plathner hat schon im November erklärt, im späteren, eigentlichen Insolvenzverfahren müsse der Hahn „allerdings dann auf eigenen Füßen wieder stehen“. Das „Nadelöhr“ zu dieser Phase – nun wohl beginnend im Februar – sei ein generelles Problem solcher Verfahren. Er wisse, „dass es insgesamt mit Regionalflughäfen eher problematisch ist“.

Die Luftfahrtexpertin Yvonne Ziegler befürchtet nach eigenen Worten, „dass es schwierig wird, den Hahn als vollwertigen Flughafen zu erhalten“. Er habe für Passagiere „kein echtes Einzugsgebiet“. Sein Geschäft mit Billigfliegern schrumpfe seit Jahren, „da der Flughafen aufgrund des EU-Beihilferechts nicht mehr so günstige Gebühren anbieten darf und Low-Cost-Airlines ihre Flüge an größere Flughäfen wie zum Beispiel Frankfurt/Main verlagern“. Billigflieger Ryanair hat indes am Freitag verkündet, sich vom größten deutschen Flughafen zurückzuziehen.

Für den Frachttransport fehle „die Verzahnung mit der etablierten Infrastruktur der Spediteure am Flughafen Frankfurt“, erklärt die Professorin der Frankfurt University of Applied Sciences weiter. Potenzial sieht Ziegler bei der Wartung von Flugzeugen im Hunsrück, „weil auch die Flächen an vielen anderen Flughäfen begrenzt sind und sich die am Flughafen Hahn ansässige Wartungsfirma bereits international etabliert hat“. Das Unternehmen Haitec kümmert sich in zwei riesigen Hallen um große Maschinen aus der ganzen Welt.

In Zeiten von Corona-Reisebeschränkungen zählte der Flughafen Hahn von Januar bis November 2021 laut der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen 613.087 Passagiere, 45,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Fracht stieg zugleich um 14,0 Prozent auf 239.257 Tonnen. Auch allein auf den November 2021 bezogen nahm die Zahl der Fluggäste im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wohingegen das Frachtaufkommen zurückging. Das Land Rheinland-Pfalz hat kürzlich in einem langen Rechtsstreit nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dem Hahn gewährte Beihilfen von rund 10 Millionen Euro zurückgefordert. Hierzu teilt ein Sprecher von Plathner mit: „Der Rückforderungsbescheid ist eingegangen. Der vorläufige Insolvenzverwalter prüft das weitere Vorgehen.“

Zugleich laufen die Steuerermittlungen am Airport weiter – das macht die Rettungsversuche für den flügellahmen Hahn nicht einfacher. Schon zweimal gab es eine Razzia. Fünf Beschuldigte und sechs Firmen hat die Staatsanwaltschaft Koblenz im Fokus. Die Beweismittel in digitaler und Papierform sind so umfangreich, dass die Behörde noch keine Angaben zur voraussichtlichen Dauer ihrer Ermittlungen macht. Vieles steht am Hahn in den Sternen – seine Turbulenzen bleiben spannend.

Von Jens Albes