Koblenz

Schwerpunktthema Künstliche Intelligenz bei IT2KO: Schlaue „Blechkisten“ erweitern menschliche Fähigkeiten

30 Firmen und Institutionen informieren derzeit über ihre Angebote: IT-Unterstützung für Kleinunternehmen und Mittelstand, ausgelagerte Software (Cloud Computing) und natürlich Lösungen für das immer noch zu oft unterschätzte Thema IT-Sicherheit. Viele Unternehmen aus unserer Region haben eines gemeinsam: Sie suchen Mitarbeiter und Nachwuchskräfte.

Lesezeit: 4 Minuten
Anzeige

„Heute genügt es nicht, mit dem Finger zu schnippen und Bewerber sind da“, brachte es der Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig in seiner Begrüßung am Donnerstag auf den Punkt. Der OB weiß: Koblenz ist IT-Stadt, „muss man nicht nach Baden Württemberg oder Bayern ,auswandern'“. Deshalb bietet IT2KO am Freitag auch ein ein „Speed-Dating“ unter dem Motto „Meet your Boss“ an. Besucher können mit Unternehmen ins Gespräch kommen und sich über deren Leistungen, auch als Arbeitgeber, informieren.

Weniger Jobs für Geringqualifizierte – Chancen für gut Ausgebildete

Spannendes Experimentieren beim Robotik-Workshop von Dr. Martin Fislake (Uni Koblenz)

Jochen Magnus

Der „Walker“ ist ein Virtual Reality Backback; ein Rucksack mit einem eingebauten Computer. Damit und einer HTC Vive- VR-Brille kann man sich auf 25 Quadratmetern frei bewegen. Das Produkt wird von der Automobilindusrie, bei Immobilienanbietern und Reiseveranstaltern eingesetzt.

Jochen Magnus

Mit einer spannenden Podiumsdiskussion startete am Donnerstag IT2KO. V.l.: Prof. Dr. Paul Lukowicz (Kaiserlautern), Christian Zur Hausen (Unternehmer und Vizepräsident der IHK), Prof. Dr. Ulrich Furbach (Koblenz), Moderatorin Jennifer de Luca, Dr. Holger Schmidt (Netzökonom und Journalist) und Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski (Vallendar).

Jochen Magnus

30 Aussteller bei IT2KO in der Rhein-Mosel-Halle

Jochen Magnus

3D-Ganzkörperscan im Bruchteil einer Sekunde …

Jochen Magnus

… aus den Daten des Scans können die Messebesucher kleine Figuren von sich herstellen lassen (per Internet bestellbar).

Jochen Magnus

Netzökonom Dr. Holger Schmidt ist ein ausgewiesener Kenner der Technologie-Szene.

Jochen Magnus

Die Key-Note, den Grundsatz-Vortrag, hielt Dr. Holger Schmidt, der sich seit Jahrzehnten mit der Netz-Ökonomie beschäftigt. Der Journalist und Buchautor macht sich Sorgen, dass Deutschland in der ersten Phase der Digitalisierung keinen so guten Job gemacht hat. „Wir haben nicht einen digitalen Weltmarktführer.“ Schmidt zeigt die Trends auf: Das Internet der Dinge und direkt dahinter, noch vor dem 3D-Druck, die KI. Sie hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, 42 Prozent der Arbeitnehmer werden betroffen sein; Schmidt rechnet mit 12 Prozent weniger Jobs: „Es trifft die am wenigsten Qualifizierten, Hilfsarbeiter und Maschinenbediener.“ Andererseits bringen Roboter auch Jobs zurück, zum Beispiel Adidas, die in Bayern eine erste „Speedfactory“ eröffnet haben, wo Turnschuhe – auch ganz individualisiert – mit 3D-Druckverfahren hergestellt werden. Das bringt höher qualifizierte Jobs zurück, wenn auch vermutlich in geringerer Zahl. Schmidt ist optimistisch: Deutschland investiert als einziges EU-Land erheblich in Industrieroboter. Neue Arbeitsplätze der Zukunft sieht der Netzökonom vor allem in den Medien und vielen Wissenschaftsgebieten sowie im Bildungsbereich. Insgesamt ist er optimistisch, denn 60 Prozent der heutigen Jobs seien erst in den vergangenen 25 Jahren entstanden und vorher unbekannt oder selten gewesen. Sein abschließender Appell: Offen mit der Digitalisierung umgehen und sich nicht durch die Risiken bange machen lassen, sondern mehr auf die Chancen schauen. „Wir übertreiben bei den Gefahren und müssen mehr volkswirtschaftlich denken.“

In diese Kerbe schlug bei der anschließenden Podiumsdiskussion auch Christian Zur Hausen, IT-Unternehmer und Vizepräsident der IHK zu Koblenz. „KI wird zu oft in negativen Zusammenhängen dargestellt, die vielen positiven Erfindungen dagegen selten erwähnt.“ Als eine der Ursachen dieser Furcht macht Professor Ulrich Furbach von der Uni Koblenz die Erinnerungen an die industrielle Revolution mit ihren Umbrüchen und Missständen aus. Professor Paul Lukowicz aus Kaiserslautern verweist auf den vermeintlichen Kontrollverlust durch KI, der in Wirklichkeit meist keiner sei, weil weiterhin der Mensch die Ziele bestimmt, wie beispielsweise beim autonomen Auto. Alle Diskutanten waren sich einig, dass KI „nicht nur uns Technikern überlassen bleiben sollte“, wie es Ulrich Furbach ausdrückte. Der Koblenzer Hochschullehrer wies auf den neuen Studiengang „Computational Social Science“, den die Uni Koblenz eingeführt hat.

KI ist keine Magie

Ist KI ein Modethema, das (mal wieder) aus der Versenkung auftaucht? Furbach weiß: „KI kam in Wellen, es gab Hoch- und Tiefphasen“. Aber jetzt ist sie da, spürbar unter anderem beim Onlineshopping, der Google-Suche und in den immer selbstständiger fahrenden Autos.

KI stößt auch deswegen auf Skepsis, weil man sich früher zuviel davon versprach, nämlich die intelligente, bewusst denkende Maschine: „Man wollte etwas künstlich beschaffen, von dem wir gar nicht wissen, was es genau ist“, kritisierte der Kaiserslauterner Informatiker Paul Lukowicz in seinem anschließenden Vortrag und korrigiert das schiefe Bild: „Stattdessen bauen wir jetzt Maschinen, die Probleme lösen“.

Ihm gelang es, auch Laien verständlich zu machen, wie schlicht die Grundlagen der KI eigentlich sind: viel Statistik, viel Rechnerei und Suchen in gigantischen Datenbeständen. Daraus resultieren aber auch echte Gefahren: Zwar nicht, weil Menschen von Maschinen überflügelt werden, sondern weil das aus „Big Data“ errechnete Verhalten künstlicher Intelligenzen schlicht unvorhersehbar ist.

Statt von „Übermenschen“ spricht der Informatiker lieber von „Blechkisten.“ Diese, zugegeben hoch komplizierten Blechkisten sind dabei, die wirkliche Welt mit einer neue Schicht zu überziehen: „dieser digitale Layer wird auch nicht mehr verschwinden“, prophezeit Lukowicz. Daher sei es auch Unsinn, Kinder eine „Onlinezeit“ vorzuschreiben. Tatsächlich verschmelzen „Online und Offline zu einer Welt, in der wir uns ständig aufhalten.“. Sein optimistischer Ausblick: „Wir Menschen werden nicht ersetzt werden, aber ermächtigt.“ Will heißen: Wir können unsere Fähigkeiten dank Digitalisierung und KI besser nutzen.

Wird uns die KI überflügeln?

Daten sind das neue Öl – dieser unermüdlich zitierte Spruch begleitete vor vier Jahren das anbrechende Zeitalter von „Big Data“, den riesigen Datensammlungen. Künstliche Intelligenz, kurz KI, sei nun „die neue Elektrizität“, zitierte Steffen Staab bei seinem Vortrag am zweiten Tag der Messe IT2KO in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle. Er stellte die großen Erwartungen an KI heraus, die bis zu der Frage gehen: Werden uns die intelligenten Maschinen eines Tages überflügeln? Da auch ein Informatikprofessor kein Prophet ist, ließ Staab die Frage im Raum stehen. Immerhin hält es der Fachmann für Informationssysteme an der Uni Koblenz für grundsätzlich möglich, wenn auch mit heutiger Technik.
Die aktuellen Gefahren der KI lauern für ihn woanders: Absichtlich oder versehentlich mit falschen Daten gefüttert, wird KI nicht zur neutralen Informationsquelle oder gar zum neutralen Entscheider, sondern genauso tendenziös wie ein Mensch: So wurde ein Microsoft Chat-Roboter kürzlich von missgünstigen Benutzern mit fremdenfeindlichen und antisemitischen Aussagen gefüttert. Der falsch angelernte Bot wurde schnell selbst zum Rechtsradikalen.

Jochen Magnus