Rheinland-Pfalz

Krieg trifft Wirtschaft an vielen Stellen: Energiepreise und Lieferengpässe belasten regionale Unternehmen

Von Michael Bauer
Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland? Die gewachsenen wirtschaftlichen und menschlichen Beziehungen seien nun auf Jahre belastet, sagt Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz.
Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland? Die gewachsenen wirtschaftlichen und menschlichen Beziehungen seien nun auf Jahre belastet, sagt Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz. Foto: dpa

Enorm gestiegene Energiepreise, Lieferengpässe, Sorgen um die Gasversorgung und Unsicherheit wegen der Sanktionen gegen Russland: Der Krieg in der Ukraine trifft die rheinland-pfälzische Wirtschaft an vielen Stellen. Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rheinhessen, spricht von „einer der größten Turbulenzen der vergangenen Jahrzehnte“, in die die exportstarke rheinland-pfälzische Wirtschaft geraten sei.

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Die Hoffnung, dass mit einem Abflauen der Corona-Pandemie wieder Normalität einkehrt, sei geschwunden. Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) sagte, die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz sei besonders rohstoff- und energieintensiv. Problematisch sei die Situation auch in der Logistik. „Wir sind am Anfang einer großen Herausforderung“, stellt sie fest.

Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, wies darauf hin, dass Erdgas nicht nur ein Hauptenergielieferant, sondern auch ein wichtiger Grundstoff für die chemische Industrie im Land mit dem Weltkonzern BASF an der Spitze ist. Forderungen nach einem sofortigen und kompletten Verzicht auf russisches Gas wies Rössel entschieden zurück. Dies sei aus Sicht der rheinland-pfälzischen Wirtschaft nicht zu empfehlen. „Das würde einen ziemlich heftigen Schlag in die Knie geben“, warnte der Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz.

Rössel forderte vom Bund eine Senkung der Energiesteuer auf Mineralölprodukte und der Stromsteuer. „Energieintensive Betriebe müssen wettbewerbsfähig bleiben“, betonte er. Aber auch an Taxifahrer und andere Selbstständige und Kleinunternehmer müsse gedacht werden.

Sorge um Versicherungsschutz

Zusätzlich zu den Problemen mit den explodierenden Beschaffungskosten für Energie gebe es in der Wirtschaft Sorgen wegen des fehlenden Versicherungsschutzes in Kriegsgebieten, berichtete er. Die Krise werde die gewachsenen wirtschaftlichen und menschlichen Beziehungen auf Jahre belasten.

Sorge bereiten Rössel auch drohende Enteignungen in Russland. Wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine haben zahlreiche, auch deutsche Unternehmen ihr Geschäft in Russland gestoppt. Die russische Regierung hatte daraufhin mit der Enteignung der internationalen Firmen gedroht, die ihre Geschäfte in dem Land aussetzen. Die russische Regierung arbeite nun an Schritten, um eine Insolvenz der Firmen in Russland und dann eine Nationalisierung des Besitzes in die Wege zu leiten, hatte der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, gesagt.

Wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mitteilte, waren bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs noch rund 3650 deutsche Unternehmen in Russland aktiv. Durch den Trend und oftmals den Zwang zur Lokalisierung seien in den vergangenen Jahren die deutschen Direktinvestitionen in Russland gestiegen.

Energieversorgung besonderes Problem

Nach Einschätzung von Wirtschaftsministerin Schmitt stellt die Energieversorgung in Rheinland-Pfalz eine besondere Herausforderung dar. Dabei gehe es nicht nur um die Chemie-, sondern beispielsweise auch um die Glas- und Papierindustrie. Die Abhängigkeit von russischem Gas sei hoch. Die Ministerin rief dazu auf, „einen kühlen Kopf zu bewahren“, da sie eine kurzfristige Umstellung nicht für möglich halte. Mittel- und längerfristig müsse aber umgedacht und die Energieversorgung auf eine breitere und unabhängigere Basis gestellt werden.

Nach Angaben von IHK und Wirtschaftsministerium betreffen die aktuellen Lieferschwierigkeiten infolge von Krieg und Sanktionen verschiedene Güter: Bauholz aus Russland, Kabelstränge aus der Ukraine, landwirtschaftliche Produkte, aber auch Rohstoffe wie Palladium, Nickel und Aluminium.

Um Unternehmen und auch Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen, hat die IHK-Arbeitsgemeinschaft das Onlineportal www.ihk-rlp.de/wirtschafthilft in Betrieb genommen, in dem sich Interessenten – teils auch in ukrainischer Sprache – beispielsweise Erstinformationen über Jobmöglichkeiten oder Hilfsangebote beschaffen können. Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier, erklärte, die Kammern bündelten in ihrem „Welcome Center“ die aktuellen Informationen zu Rechtsgrundlagen für Einreisen und Beschäftigung von ukrainischen Flüchtlingen.

Im Vergleich zum Jahr 2015 sei eine Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen inzwischen mit weniger Bürokratieaufwand möglich, erklärte Glockauer. Erste Rückmeldungen aus Unternehmen hätten gezeigt, dass es sich um Menschen mit einer hohen Arbeitsbereitschaft und breiten Qualifikationen handele.

Erdgas spielt in Rheinland-Pfalz eine außergewöhnlich große Rolle

Mit einem Anteil von rund 38 Prozent am Primärenergieverbrauch spielt Erdgas in Rheinland-Pfalz nach Angaben des Statistischen Landesamtes eine überdurchschnittlich große Rolle für die Energieversorgung. Zum Vergleich: Bundesweit lag dieser Wert bei 25 Prozent (Stand 2019). Erdgas ist den Angaben zufolge sogar der Hauptenergieträger bei der Stromproduktion. Der Anteil lag 2019 demnach bei 45 Prozent, in Deutschland dagegen nur bei 15 Prozent.

In der Statistik belegte Russland zudem im vergangenen Jahr in der Liste der wichtigsten Handelspartner des Bundeslandes den 16. Platz beim Export und den 24. beim Import. Bei den Ausfuhren nach Russland lagen chemische Erzeugnisse und Maschinen vorn, bei den Importen waren es laut dem Statistischen Landesamt Kokerei- und Metallerzeugnisse.