IT2KO: Unser Dorf soll digitaler werden – Landleben attraktiver gestalten
Einerseits: Die Jungen ziehen in die Stadt, die Dörfer veröden. Diesen Trend erleben deutsche Länder in unterschiedlichem Maß. In Rheinland-Pfalz eher verhalten, aber durchaus spürbar. Die Folge: Irgendwann schließt auch der letzte Dorfladen, die letzte Kneipe und der alte Hausarzt findet keinen Nachfolger mehr, der sich die Anstrengungen des Landarztes antun möchte.
Andererseits: Die zunehmende Digitalisierung des Alltags erlaubt viele Tätigkeiten von zu Hause aus. Manche können online arbeiten und alle können online konsumieren. Kommunikation in Wort, Sprache und Bild ist durch das Internet nahezu kosten- und problemlos möglich geworden. Was liegt also näher, die Arznei „Digitalisierung“ zur Stärkung des Landlebens zu verabreichen?
Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) in Kaiserslautern untersucht zusammen mit drei Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz, ob Digitalisierung zur Steigerung der Lebensqualität in ländlichen Regionen beitragen kann. „Wir haben in der ersten Projektphase gemeinsam mit den Einwohnern von drei Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz verschiedene Mitmach-Szenarien zur Stärkung des Wir-Gefühls innerhalb der ländlichen Gemeinschaft und zur Verbesserung der Nahversorgung durch örtlich ansässige Händler entwickelt. So wurde beispielsweise ein regionaler Online-Marktplatz mit Apps zur Lieferung bestellter Waren durch Freiwillige erprobt“, erzählt Dominik Magin. Der Wissenschaftler ist einer der Organisatoren des Projektes und wird auf der Koblenzer Messe IT2KO von den bisherigen Erfahrungen der ersten Phase erzählen und einen Ausblick geben, „wo die Reise in den kommenden zweieinhalb Jahren hingeht.“
Forscher ist begeistert von der Resonanz
Basis war bislang ein digitaler Dorfladen, eine vom Fraunhofer-Institut entwickelte Onlineplattform, auf der regionale Händler ihre Waren anbieten konnten. Der Clou: Ausgeliefert wurden die Waren von freiwilligen Helfern aus der Nachbarschaft. Auch Dienstleistungen konnten angefragt und angeboten werden. Manch einer fand fand die vierwöchige Testphase zu kurz und die Teilnehmerzahl gering – aber Magin ist dennoch begeistert, wie einige Enthusiasten das Dorfprojekt „viral vorangetrieben haben“. Für ihn sind 700 registrierte Benutzer, davon 150 aktive, „eine stattliche Summe“. Der Forscher stellte auch fest, dass sich selbst in der kurzen Zeit Gewohnheiten ändern ließen: „Anfangs sagten die meisten, dass sie Frischeprodukte eher nicht online bestellen würden. Tatsächlich waren es am Ende fast zur Hälfte genau diese Produkte, die ausgeliefert wurden.“
Nun, in der zweiten Phase, soll das Dorf noch digitaler werden. Magin: „Mögliche Themenblöcke sind das Digitale Dorfzentrum, Digitalisierung von Kommunikation und Dorfleben sowie Digitale Mobile Dienste und Angebote im ländlichen Raum“. In einem anderen Projekt arbeitet das Fraunhofer Institut mit Automobilherstellern zusammen, um sogar Autonomes Fahren ins Konzept einzubeziehen.
Auch KI kann eine Rolle spielen
Auch Künstliche Intelligenz – diesjähriger Schwerpunkt der IT2KO – soll dabei ins Spiel kommen: „Im Idealfall würden wir uns wünschen, dass Benutzer unseres Systems auf sie zugeschnittene Liefervorschläge automatisiert vorgeschlagen bekommen. Frei nach dem Motto ,Du fährst jeden Montag Abend von zu Hause auf den Fußballplatz und wieder zurück, nimm doch ein Paket auf dem Weg mit zum Fußballplatz und gib es Herrn Schmidt'.“
Falls diese Forschungsarbeit fruchtet, verstärkt sie vielleicht einen noch zarten Gegentrend in Deutschland: Den Rückzug von der Großstadt in die ländliche Umgebung. Immerhin verzeichnen sieben Großstädte seit kurzem mehr Abwanderung (von Inländern) als Landflucht. Jochen Magnus
IT2KO findet am 4. und 5. Mai in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle statt. Der erste Tag ist dem Fachpublikum (Anmeldung) vorbehalten, der zweite steht allen Interessieren offen. Dominik Magin hält seinen Vortrag am Freitag, den 5. Mai, Einen Tag zuvor spricht Staatssekretärin Heike Raab zu diesem Thema.