Gebraucht stromern – eine gute Idee? Langes Warten auf neue E-Autos macht Gebrauchtwagen interessanter
Wer derzeit auf der Suche nach einem gebrauchten Diesel oder Benziner ist, bemerkt schnell, dass die Preise stark angestiegen sind. Die Materialengpässe, die vergangenes Jahr auch konventionell angetriebene Neufahrzeuge rar werden ließen, haben die Gebrauchtwagenpreise in die Höhe getrieben. Die Verteuerung liegt laut Marktbeobachter DAT bei 5 bis 15 Prozent, laut der Onlineverkaufsplattform Autoscout24 sogar bei bis zu 18 Prozent. Doch für E-Auto-Interessenten gibt es eine gute Nachricht: Diese Fahrzeuge sind weniger von den Teuerungen betroffen.
Entwicklungsfortschritt entwertet gebrauchte E-Autos
Hauptgrund ist natürlich die massive Förderung der neuen E-Fahrzeuge, die dadurch bis zu 9000 Euro günstiger werden, was Gebrauchte entsprechend entwertet. Ein weiterer Grund ist der rasante technische Fortschritt beim E-Auto-Bau, der ältere Fahrzeuge dieser Art auch in technischer Hinsicht zuweilen alt aussehen lässt: kleinere Batterien, langsamere Aufladung, weniger raffinierte Ausstattungen.
Martin Weiss von DAT sagt dazu: „Bei Elektroautos sehen wir diese Preissteigerungen nicht – hier sind die Gebrauchtwagenpreise weiterhin unter Druck.“ Etwas entspannter sieht es Jürgen Rutkowski, Innungsobermeister des Kraftfahrzeuggewerbes Unterlahn, der selbst bei der Auto Bach Gruppe in Diez/Limburg arbeitet: „Die Preise der elektrischen Gebrauchten sind stabiler geworden, vielleicht ein bisschen weniger als bei den Verbrennern.“ Das Angebot an elektrischen Autos ist vorhanden und lässt sich auch gut verkaufen, so Rutkowski. In seinem Fall überwogen gebrauchte Verbrenner im vergangenen Jahr die elektrischen im Verhältnis 40 zu 1.
Fast alle E-Neuwagen sind Geschäftsfahrzeuge
„Das Angebot ist noch gering“, meint Christof Frank von Mercedes-Benz und Smart-Händler KBM in Neuwied. Derzeit sei auch die Nachfrage aufgrund der Neuwagenförderung noch sehr gering. „Mit zunehmender Verfügbarkeit von Fahrzeugen werden die Preise attraktiver“, prognostiziert er. Das kann aber noch etwas dauern, denn wenn weniger Neuwagen verkauft werden können, rutschen auch weniger Fahrzeuge in den Gebrauchtmarkt nach. „90 Prozent der elektrischen Neuwagen sind Geschäftsfahrzeuge“, weiß Rutkowski. Das sind Autos, die normalerweise recht schnell als junge Gebrauchte angeboten werden, so der Fachmann. Und die fehlenden Neuwagen von heute fehlen morgen auf dem Gebrauchtmarkt.
Gibt es beim Kauf eines gebrauchten E-Autos besondere Risiken? Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Akkus, stellt der ADAC fest. Andererseits sieht der Automobilklub, dass E-Autos weniger Verschleißteile als ein Auto mit Verbrennungsmotor haben: kein kompliziertes Getriebe, keine Abgasreinigung, keinen Auspuff und keinen Motorkühler zum Beispiel. Insgesamt halten sich die Risiken wohl die Waage. Der ADAC rät, sich Prüfprotokolle über den Batteriezustand vorlegen zu lassen. Doch momentan wird der Batteriezustand meist von der Fahrzeugsoftware selbst ermittelt und ist keine physikalische Messung – an solchen Verfahren wird noch gearbeitet.
Gebrauchtwagenkauf braucht finanziellen Anreiz
Immerhin stellen die Hersteller Batteriezertifikate aus, die Fahrleistungen bis 100.000 (Mercedes) oder gar 192.000 Kilometer (Tesla) oder Lebenszeiten bis acht Jahre mit einer festgelegten Restkapazität garantieren. Renault stellt neuerdings Zertifikate über die verbleibende Energiekapazität ihrer Antriebsbatterie aus. Aber auch hier stammen die Daten aus dem Batteriemanagementsystem der Fahrzeuge selbst.
Christof Frank von KBM wünscht sich Unterstützung bei den gebrauchten Elektrischen: „Wenn die Mobilitätswende erfolgreich umgesetzt werden soll, ist ein finanzieller Anreiz beim Gebrauchtwagenkauf unabdingbar.“ Momentan kann eine ungefähr halbierte Mobilitätsprämie für Gebrauchte nur in seltenen Fällen beantragt werden: So darf der Wagen maximal zwölf Monate erstzugelassen, höchstens 15.000 Kilometer gefahren und noch nicht durch den Umweltbonus oder eine vergleichbare Maßnahme in einem anderen EU-Staat gefördert worden sein. Jochen Magnus