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Polizisten unter Strom: Wie Studenten am Campus Hahn auf Extremsituationen vorbereitet werden

Von Dirk Eberz
Lage im Griff: Die Ausbilder fordern klare Ansagen an Angreifer.
Lage im Griff: Die Ausbilder fordern klare Ansagen an Angreifer. Foto: Werner Dupuis

Über den Trainingsplatz des Polizeicampus am Hahn hallen laute Rufe. „Waffen runter! Auf den Boden!“ Eine Gruppe von Studenten hält rote Pistolen im Anschlag. Übungswaffen. Ihre Kollegen sind in die Rolle der Angreifer geschlüpft, bewegen sich mit Schlagstöcken auf sie zu. Kommen immer näher. Ein bedrohliches Szenario. Höchste Eskalationsstufe. Keine Zeit mehr für Höflichkeitsfloskeln. Jetzt ist der Imperativ gefragt. So manche Stimme ist den Ausbildern um Einsatztrainer Michael Schneider zu zögerlich. „Klare Ansagen“, fordern die Profis. Heißt in dem Fall: „Noch ein Schritt, und ich schieße!“

Lesezeit: 4 Minuten
Immer wieder greifen die Ausbilder in die Abläufe ein. Zeigen, wie man die Pistole schnell aus dem Holster zieht. Korrigieren die Haltung der Waffen. Fordern die Polizeischüler auf, immer Augenkontakt zu halten. Einige Angreifer gehen in die Knie, legen den Schlagstock aus den Händen. Lage im Griff. Andere ignorieren die ...
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Wie Extremisten herausgefiltert werden

Wer in Rheinland-Pfalz Polizist werden will, kommt am Team von Dr. Markus Thielgen nicht vorbei. Der Oberpsychologierat leitet am Polizeicampus Hahn die Einstellungstests des Polizeinachwuchses im Land. Die Auswahl ist groß. Mehrere Tausend junge Frauen und Männer bewerben sich Jahr für Jahr auf 580 Stellen. Der Beruf ist attraktiv. „Das Spektrum deckt die gesamte Breite der Bevölkerung ab“, sagt Thielgen. Viele haben seiner Erfahrung nach schon Polizisten in Familie, Verwandtschaft oder Freundeskreis.

Der Psychologe und sein Team sind dabei immer auch ein erster wichtiger Filter, um Kandidaten frühzeitig auszusortieren, die dem anspruchsvollen Berufsprofil nicht entsprechen. Haudraufs etwa können sie bei der Polizei nicht gebrauchen. Extremisten und Rassisten schon gar nicht. Aber wie lassen sich solche Kandidaten im Auswahlverfahren aussieben? Zunächst wird selbstverständlich das Vorstrafenregister durchleuchtet. Wer gar einschlägige Einträge beim Verfassungsschutz hat, fällt schon mal durchs Raster. Aber: „Den Extremistenbaustein gibt es nicht“, räumt Thielgen ein. „Wir schauen uns die Bewerber immer ganzheitlich an.“

Die Psychologen informieren sich etwa auch über Fehlzeiten und Sozialverhalten in der Schule. Längere Interviews und Persönlichkeitsfragebögen mit reflektierten Selbsteinschätzungen der Kandidaten sollen dann ein ausgewogenes Bild der Kandidaten ergeben. Wie stehen die jungen Menschen etwa zur Demokratie? Wie reagieren sie in Stresssituationen? Impulsiv? Oder gehen sie lieber laufen, um angestauten Frust abzubauen? Lässt sich ein Hang zu Waffen konstatieren, bringt das schon mal eher Minuspunkte, betont Thielgen. Und was ist eigentlich die Motivation, Polizist zu werden? „Macht und Dominanz sind Negativkriterien“, sagt Thielgen. „Da haken wir dann noch mal genauer nach.“

Thielgen ist sich dabei der Tatsache bewusst, dass die Persönlichkeitsentwicklung der Bewerber meist noch nicht vollständig ausgereift ist: „Wir bekommen junge Menschen, die noch nicht gefestigt sind.“ Gesucht werden deshalb Jugendliche, die eine engagierte Lebenseinstellung haben, wie es Thielgen formuliert. „Ehrenamtliche Aktivitäten sind immer ein Plus“, sagt er. Das kann die Jugendfeuerwehr sein, aber auch der Fußballklub. Denn wer in Vereinen und Verbänden mit angepackt hat, beweist Teamfähigkeit, die auch bei der Polizei unerlässlich ist.

Wer die erste Hürde nimmt, muss vor dem Berufseintritt noch ein dreijähriges Studium absolvieren – Praktika inklusive. Ein zweiter Filter gegen potenziell rassistische Einstellungen, wie Sabine Jakobi betont, die am Polizeicampus Hahn für Hochschulentwicklung und Internationale Zusammenarbeit zuständig ist: „Wer sich da intolerant äußert, der fällt auf“, sagt sie und verweist darauf, dass im Hunsrück derzeit Studenten mit insgesamt 48 unterschiedlichen Migrationshintergründen unterrichtet werden. Sabine Jakobi ist deshalb überzeugt: „Niemand kann sich drei Jahre lang verstellen.“

Dirk Eberz

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