Nürburgring

Besucherschwund vor Festival: Rock am Ring hofft auf Kurzentschlossene

Von Kevin Rühle, Finn Holitzka
Noch ist Testbild: Die Utopia Stage wird für die größten Konzerte des diesjährigen Rock-am-Ring-Wochenendes hergerichtet.
Noch ist Testbild: Die Utopia Stage wird für die größten Konzerte des diesjährigen Rock-am-Ring-Wochenendes hergerichtet. Foto: Kevin Rühle

Rock am Ring zählt einen Tag vor Konzertbeginn nur etwa 70 000 Festivalgäste – bei gutem Wetter und verfügbaren Tageskarten hofft man auf spontane Besucher. Die Produktion gehe ohnehin wieder „in Richtung Gigantismus", wie eine Tour durch den Backstage zeigt.

Lesezeit: 4 Minuten
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Ein bisschen Herrentags-Feeling herrscht am Nürburgring, rund 24 Stunden, bevor das größte Rockfestival Deutschlands losgeht: Mit Bollerwägen trotten bierselig philosophierende Grüppchen über das weitläufige Rennstrecken-Gelände. Ein Discounter verleiht die Wägelchen hier, der Dosenvorrat muss schließlich auch in den entlegenen Ecken des Campingplatzes gesichert werden. Die Sonne knallt.

Die Stimmung ist gut, bei denen, die da sind – nur sind das so wenige wie lange nicht mehr. Im zweiten Jahr nach der Pandemiepause lief der Vorverkauf für Rock am Ring (wie auch für das Schwesterfestival Rock im Park) deutlich schlechter als zuletzt. Veranstalter Dreamhaus rechnet diesmal nur mit rund 70 000 Besuchern, das wären etwa 20 000 weniger als im Vorjahr.

Festivaltradition: Beim Flunkyball geht es um den präzisen Einsatz eines Wurfgeschosses – oder doch vor allem um Bier?

Kevin Rühle

Diese Truppe ist besonders engagiert mit von der Partie.

Kevin Rühle

Wer nicht schwarz trägt (was auch viele tun) hat ausgefallene Outfits an: Diese werden unseren Reportern als „Michael-Jackson-Jacke“ und „Traditions-Bademantel“ verkauft. Er habe sogar drei Bademäntel für das ganze Wochenende dabei, sagt der Herr links.

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Kirmes am Nürburgring: Im Bereich eines Discounters, der einen Festivalsupermarkt anbietet, werden auch Spiele gespielt. Viele Fans reisen schon einen oder gar mehrere Tage früher an, um sich gute Zeltplätze zu sichern.

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Die Temperaturen steigen über 20 Grad, dazu kommt der heiße Asphalt – aber wer bunt sein will, muss leiden.

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Nürburg und Zeltburg – sicherlich eine der schöneren Campingstellen für die Festivalbesucher.

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Auf dem Zeltplatz geht's lustig zu – hier darf getanzt werden (aber bitte ohne Ellbogen).

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Man macht es sich gemütlich auf dem Zeltplatz. Wer früh genug da war, hat sogar einen Platz auf einer Ebene. Andere schlafen am Hang.

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Es ist wichtig, viel zu trinken, mahnt das Deutsche Rote Kreuz. „Gerne auch mal ein Mineralwasser“, so die Sanitäter...

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Festivalwochenende – das heißt, auch mal Konventionen zu durchbrechen.

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Während sie auf die Auftritte der Profimusiker warten, vergnügen sich diese Jungs mit einer eigenen Jamsession.

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Musikalisch sein schadet nicht – doch vor allem geht es um den Spaß.

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Dieser Festivalbesucher hat sich jemanden zum Kuscheln mitgebracht.

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Gut 24 Stunden vor Einlass auf dem Konzertgelände laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren – dazu gehört auch das Testen der riesigen Bildschirmflächen.

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Die Gründe? Im Vergleich zu vor fünf Jahren seien die Lebenshaltungskosten um 30 Prozent gestiegen – das gelte auch für die Ticketpreise, teilten die Veranstalter mit. Zuvor hatte Festivalsprecherin Steffi Kim bereits in dieser Zeitung und im Podcast RZInside die gestiegenen Energiekosten als Begründung aufgeführt.

Ohne Stau zu Rock am Ring

Bemerkbar macht sich der Besucherrückgang schon vor dem eigentlichen Festivalstart: Ein Helfer in Warnweste und Rentenalter kontrolliert am Morgen die Parkausweise der Besucher. Viel los ist noch nicht. Der Anreisestau blieb aus. „Das sind schon deutlich weniger Leute als letztes Jahr“, sagt der Ordner. Woran es liegt, weiß er auch nicht. Vielleicht ist es doch das Geld, mutmaßt der Mann. Etwa 300 Euro haben viele Ringrocker für ihr Ticket und den Campingplatz in diesem Jahr gezahlt, ein neuer Höchstwert.

Ob ich für 600 Euro in Urlaub fahre oder hierhin, das tut sich nicht mehr so viel.

Festivalbesucher Maximilian Freese

Für Maximilian Freese aus Dortmund hat Rock am Ring bereits am Mittwoch begonnen. Mit Freunden spielt er Flunkyball – eine Mischung aus Sport und Besäufnis. Über die Festivalkosten will sich der Informatiker nicht beschweren. „Ob ich für 600 Euro in Urlaub fahre oder hierhin, das tut sich nicht mehr so viel“, sagt der 29-Jährige. Der Becher Kaffee für 4 Euro ärgert den Festivalgänger allerdings schon. Seine Zeltplatznachbarin rechnet vor: Für Biere auf dem Festivalgelände habe sie letztes Jahr 150 Euro auf ihr Bezahl-Armband geladen. Dieses Jahr will sie sich mäßigen. Es sollen nur noch 100 Euro sein.

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Hohe Kosten, teure Tickets

Angesprochen auf die voraussichtlich sinkende Besucherzahl zeigt sich auch Basti Walz, „Head of Productions“ bei Rock am Ring, ernüchtert. „Die Laune ist schlechter, der Kostendruck ist da – natürlich.“ Man müsse manche Dinge nun auf das wesentliche konzentrieren. Und Claudia Schulte, Director Marketing & Promotion des Festivals, hat die Hoffnung auf bessere Gästezahlen noch nicht verloren. Das Wetter ist hervorragend, also hofft Schulte auf Kurzentschlossene.

„Die Laune ist schlechter, der Kostendruck ist da – natürlich.“

Basti Walz, Head of Productions, Rock am Ring

Entsprechend warnt das Deutsche Rote Kreuz davor, die Hitze am Festivalwochenende zu unterschätzen. Derart gutes Wetter, wie man es laut Prognosen erwartet, kenne man ja bei Rock am Ring gar nicht, so ein Sprecher. Das DRK ist am Wochenende mit rund 1000 Einsatzkräften unterwegs.

Basti Walz, „Head of Productions“ bei Rock am Ring, hat ein Auge auf die Abläufe.
Basti Walz, „Head of Productions“ bei Rock am Ring, hat ein Auge auf die Abläufe.
Foto: Kevin Rühle/Kevin Ruehle

Damit alles steht, wenn am Freitagmittag die Besucher das Konzertgelände fluten, läuft an Aufbau-Tag 4 alles auf Hochtouren. Mehr als 40 Lkw Material wurden allein für die drei Bühnen angeliefert, 100 Veranstaltungstechniker hängen Lautsprecher und Lampen auf und sorgen dafür, dass technisch alles läuft. Der Headliner Band Foo Fighters ist gar mit 6 eigenen Lkw angereist und hat 40 Mitarbeiter im Gepäck.

„Man merkt, dass sich das Business erholt hat und man wieder Richtung Gigantismus geht“, sagt Basti Walz. Rock am Ring zeichne aus, dass fast jede Band ihre Tourproduktion 1 zu 1 umsetzen könne – wer hier spielt, soll beste Bedingungen vorfinden.

Diese bunte Truppe hat Spaß beim Flunkyball-Spielen. Auf die Kosten für
Diese bunte Truppe hat Spaß beim Flunkyball-Spielen. Auf die Kosten für's Festivalwochenende schaut man lieber nicht so genau.
Foto: Kevin Rühle

Bei Rock am Ring 2023 spielen mehr als 70 Bands. Zu den Highlights gehört der Auftritt der Foo Fighters, die den Tod ihres Schlagzeuger Taylor Hawkins im vergangenen Jahr zu verdauen hatten und ihr neues Album dementsprechend “But Here We Are” (“Und dennoch sind wir hier”) nennen. Die Punkband Sum 41 gibt mutmaßlich ihr letztes Ring-Konzert vor der angekündigten Auflösung, und der Rapper Apache 207, der mit Udo Lindeberg ein erfolgreiches Duet vorweisen kann, spielt als Late Night Special.

„Bei Rock am Ring ist alles so dabei, mal Rap, mal Hip-Hop, es ist ein Mix aus allem – und trotzdem verstehen sich alle. Das finde ich am Ring das Besondere“, beschreibt Maximilian Freese aus Dortmund sein Rock am Ring.