Ahrtal

HELFT UNS LEBEN zahlt Spenden aus: Hilfe für insgesamt 400 Familien im Ahrtal

Von Chefredakteur Lars Hennemann
Noch ist das Haus von Jasmin und Matthias Schabo in Ahrweiler eine einzige Baustelle. Vorsitzende Manuela Lewentz-Twer (rechts) überbrachte ihnen jetzt in Namen von HELFT UNS LEBEN den ersten Spendenscheck für die Flutopfer im Ahrtal.
Noch ist das Haus von Jasmin und Matthias Schabo in Ahrweiler eine einzige Baustelle. Vorsitzende Manuela Lewentz-Twer (rechts) überbrachte ihnen jetzt in Namen von HELFT UNS LEBEN den ersten Spendenscheck für die Flutopfer im Ahrtal. Foto: Jens Weber

Die erste von insgesamt 400 Familien im Ahrtal hat jetzt von HELFT UNS LEBEN eine Spende von 10.000 Euro erhalten. Leserinnen und Leser der Rhein-Zeitung hatten fast 4 Millionen Euro für die Flutopfer gesammelt. Darüber hinaus soll ein neuer Waldkindergarten in Rech unterstützt werden. Ein Ortstermin.

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Hier sollen einmal Kinder spielen. Aber noch zeigt sich am Ortsrand von Rech auch nach drei Monaten weiterhin das ganze Ausmaß der Verwüstungen durch die Flutnacht.
Hier sollen einmal Kinder spielen. Aber noch zeigt sich am Ortsrand von Rech auch nach drei Monaten weiterhin das ganze Ausmaß der Verwüstungen durch die Flutnacht.
Foto: Jens Weber
„Uns geht es doch noch gut.“ Diesen Satz wird man noch öfter im Laufe des Tages hören. Gerade fällt er am in Richtung Mayschoß gelegenen Ortsrand von Rech, wo sich eine kleine Gruppe von Menschen versammelt: Gerhard Schreier, Beigeordneter der Ortsgemeinde, Ulrike Ring-Scheel, Vorsitzende des Kinderschutzbundes im Kreis Ahrweiler, Angelika Görres, Anwohnerin und Architektin, und Manuela Lewentz-Twer, Vorsitzende von HELFT UNS LEBEN.

Dort, am Ortsrand, soll eine neue Waldkindergartengruppe entstehen. Die Gemeinde will mit ihr aus der Not eine Tugend machen. Viele Kinder können aktuell entweder gar nicht oder nur in Nachbarorten betreut werden. „Die Kinder haben keine Normalität mehr. Für die Eltern, die entweder mit Aufräumen beschäftigt sind und ihrem Beruf nachgehen müssen, ist das eine große Belastung“, sagt Angelika Görres. Alle Beteiligten waren also froh, als die Arenbergsche Forstverwaltung das Gelände unbürokratisch zur Verfügung stellte. Aber so einfach richtet man hierzulande keinen Kindergarten ein. Auch keine einzelne Gruppe. Betreuungsschlüssel, Höchstzahl an Kindern, deren Mindestalter, das pädagogische Konzept – auf alles muss erst ein Stempel drauf.

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Das Konzept haben sie in Rech. Es folgt dem der „Freunde der Erziehungskunst“ und somit Rudolf Steiner. Das Gelände haben sie auch. Ein Gartenbauer und freiwillige Helfer haben dort schon Pflanzen gesetzt und Spielgeräte aufgebaut. Und abrunden soll alles ein spezieller Bauwagen, wie er als kleines Quartier in anderen Waldkitas in Rheinland-Pfalz bereits im Einsatz ist. Die Anschaffungskosten in Höhe von etwa 85.000 Euro übernimmt über eine Sonderaktion HELFT UNS LEBEN, die Benefizaktion der Rhein-Zeitung. „Rund 50.000 Euro haben wir für den Wagen bereits angezahlt“, berichtet Manuela Lewentz-Twer.

Nur der Stempel fehlt. „Wenn wir in den 50ern eine solche Bürokratie gehabt hätten wie heute, dann würden wir in Köln immer noch Kriegstrümmer schippen“, sagt Gerhard Schreier. Und legt nach: „Man bekommt den Eindruck, dass dieses Land in Wahrheit von der Gerichtsbarkeit regiert wird. Oder von der Angst vor der Gerichtsbarkeit.“ Ulrike Ring-Scheel ergänzt: „Alles, was zivilgesellschaftlich ist, wo Menschen Menschen einfach helfen, funktioniert. Aber der Rest ...“

Unterstützt wird auch die Ortsgemeinde Rech bei der Einrichtung einer Waldkindergartengruppe (vordere Reihe von links): Ulrike Ring-Scheel vom Kinderschutzbund, Architektin Angelika Görres, Lars Hennemann, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, und Gerhard Schreier, Erster Beigeordneter der Ortsgemeinde.
Unterstützt wird auch die Ortsgemeinde Rech bei der Einrichtung einer Waldkindergartengruppe (vordere Reihe von links): Ulrike Ring-Scheel vom Kinderschutzbund, Architektin Angelika Görres, Lars Hennemann, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, und Gerhard Schreier, Erster Beigeordneter der Ortsgemeinde.
Foto: Jens Weber

Es wird für einen Moment still am Ortsrand. Augen beginnen zu schimmern. „Es fehlt immer noch das große Ganze. Im Tal baggert und buddelt weiter jeder vor sich hin“, sagt Gerhard Schreier. Im Dezember oder Januar soll der neue Waldkindergarten mit etwas Glück bereitstehen. „Wir machen weiter und kommen wieder“, verspricht Manuela Lewentz-Twer. „Danke“, sagt Angelika Görres. Und: „Wir haben dieses Wort so oft ausgesprochen in den letzten Monaten, dass wir Angst haben, es sagt nicht mehr aus, was wir empfinden.“

Weiterfahrt nach Bachem. Dort trifft die HELFT UNS LEBEN-Gruppe auf Jasmin und Matthias Schabo. Das schwer beschädigte Haus der Altenpflegerin und des Laboranten steht etwa 50 Meter von der Ahr entfernt. In der Flutnacht schoss das Wasser bis kurz vor die letzte Treppenstufe zum ersten Stockwerk hinein. Dort harrten sie in der Nacht aus, mit der lange krebskranken zweijährigen Tochter, der an Diabetes leidenden Großmutter Doris und der Katze Kira. Als irgendwann ein vom Fluss mitgeschwemmtes Auto ins Haus hineinkrachte, dachten sie, das Haus stürze ein.

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Spendenübergabe.
Aber es hielt. Weil Jasmins Eltern, von denen sie es gekauft hatten, mit einem Keller und somit statisch supersolide gebaut hatten. „Wir haben Glück gehabt, uns geht es gut“, sagt Matthias Schabo. In der Flutnacht lagen sie bereits im Bett, als sie ein Anruf von Jasmins Schwester erreichte. „Warum hat man uns nicht offiziell gewarnt? Ich hätte doch sofort unsere Tochter in Sicherheit gebracht“, sagt sie. Die Antwort auf diese Frage steht weiterhin aus.
Blick ins zerstörte Haus der Familie.
Blick ins zerstörte Haus der Familie.
Foto: Jens Weber

Keine Frage hingegen ist, wann die beiden wieder im Haus wohnen wollen: „nächsten Sommer, wenn alles klappt“. Zwei Jahre hatten sie es seit 2017 renoviert, jetzt müssen sie noch einmal komplett von vorn beginnen. „Aber dann machen wir beim zweiten Einzug nicht noch mal die Fehler vom ersten“, sagt Matthias Schabo lachend. Aktuell haben sie wie viele andere Probleme, entweder Handwerker oder Baumaterial zu bekommen. Die 10.000 Euro, die sie jetzt als erste von insgesamt 400 Familien im Ahrtal bekommen haben, wollen sie in die Neuanschaffung der Haustür und der Fenster investieren. „Ihr Optimismus und Ihre Tatkraft sind unfassbar beeindruckend“, sagt Manuela Lewentz-Twer, als sie dem Paar den symbolischen Scheck überreicht.

„Wir haben Freunde und Familie, die uns helfen, und wir haben weiterhin uns. Uns geht es gut“, sagen Jasmin und Matthias Schabo zum Abschied. Spätestens jetzt weiß man: Wenn es (noch) einen Damm gegen die zweite Welle gibt, die gerade durch das Tal läuft – die der Bürokratie und des Wartens –, dann ist es dieser Satz.

HELFT UNS LEBEN unterstützt Flutopfer mit 4 Millionen Euro

400 Familien und Einzelpersonen aus dem Ahrtal werden ab sofort durch HELFT UNS LEBEN, die Benefizaktion unserer Zeitung, mit jeweils 10 000 Euro unterstützt. Damit schüttet HELFT UNS LEBEN insgesamt 4 Millionen Euro aus. Die Summe speist sich aus den Spendengeldern, die die Leserinnen und Leser der Rhein-Zeitung und ihrer Heimatausgaben sowie diejenigen befreundeter Regionalzeitungen in den zurückliegenden Wochen und Monaten zugunsten der Flutopfer gesammelt haben, sowie (zum geringen Teil) aus einer Zuführung aus vorhandenem Guthaben der Aktion.

Damit werden alle Spenden vollständig und ohne Abzug ausgezahlt. Die 400 Empfänger sind aus einer Vielzahl von Anträgen an HELFT UNS LEBEN durch den Vorstand der Initiative ausgewählt worden. 160 von ihnen wohnen in Bad Neuenahr-Ahrweiler, 160 in der Verbandsgemeinde Altenahr, 60 in Sinzig und 20 in der Verbandsgemeinde Adenau. Sie alle werden nun zur Abwicklung der (wenigen) Formalien angeschrieben. Da die Initiative ehrenamtlich arbeitet, kann die Abwicklung noch einige Wochen dauern. „Aber bis Dezember kommt das Geld überall an“, verspricht Vorsitzende Manuela Lewentz-Twer.