Trauer, Wut, Entsetzen: Es gab im Sommer 2016 und auch in den Jahren danach unzählige Reaktionen auf den Tod der 32-jährigen Sarah H., die bis Februar 2016 in Fischbach bei Idar-Oberstein lebte und dann nach Alt Rehse/Neubrandenburg zu ihrem damaligen, 51-jährigen Partner Axel G. zog. Die Frau, die in ihrem jungen Leben nicht viel zu lachen hatte, fiel auf der Suche nach der großen Liebe offenbar einer psychisch schwer kranken Persönlichkeit in die Hände und verstarb im Sommer 2016.
Sie glaubte an die große Liebe
Sarah H. konnte man als C-Promi bezeichnen: 2011 entdeckt sie in ihrem Postfach im früheren sozialen Netzwerk „Wer kennt wen“ eine Nachricht. Für eine TV-Kuppelshow suche man Kandidaten. Sarah H. fällt wegen ihrer Barbie-Sammelleidenschaft auf. Romantik, Zärtlichkeit, Liebe: Sarah ist begeistert. Nichts fehlt ihr mehr in ihrem trostlosen Leben als Regaleinräumerin und Außenseiterin, die oft gemobbt wird. Doch Sarah wird im Fernsehen gnadenlos vorgeführt, muss sich mit Männern treffen, die sie nicht mag – und sie wird auch in den sozialen Netzwerken verspottet.
In ihrem Heimatdorf trifft man sich zum Public Viewing, um über Sarah zu lästern. Stefan Raab verhöhnt sie bei „TV Total“. Mithilfe unserer Zeitung erfährt sie damals zumindest ein wenig Genugtuung, als Knebelverträge und fragwürdiges Vorgehen öffentlich werden: Viele Medien greifen das Thema auf. Sarah H. gibt dazu einige TV-Interviews. Sie findet neue Freunde, Trost und Unterstützung. Doch der Aufwind in ihrem Leben hält nicht lang. Sie vergräbt sich wieder in ihrer Barbie-Welt. Im Januar 2015 stirbt ihre Mutter, der Vater erkrankt schwer.
Im Herbst 2015 lernt sie Axel G. in dubiosen Internetforen kennen: Sie glaubt, die große Liebe gefunden zu haben. Doch dann kommt alles anders, die Ereignisse überschlagen sich: Am 23. Dezember 2015 steht Axel G. mit Sarah H. im Foyer des Amtsgerichts Idar-Oberstein. Axel G. verlangt, dass die gesetzliche Betreuung für seine Partnerin aufgehoben wird. Der frühere Amtsgerichtsdirektor Hans-Walter Rienhardt spricht kurz mit dem Alt Rehser, der aggressiv wird. Als der Wachtmeister ihn rauswerfen will, schlägt Axel G. nach ihm. Das Paar flüchtet mit einem Pkw: Ein Polizist stellt sich dem Wagen in den Weg. Nur durch einen Sprung zur Seite kann sich der Beamte retten. Ein erstes öffentliches Indiz für die womöglich als gefährlich einzustufende Persönlichkeit Axel G. Immer wieder im Fokus stehen die Behörden: Es gibt massive öffentliche Kritik mit Blick auf Versäumnisse, die die psychische Begutachtung von Axel G. und die gesetzliche Betreuung der früheren Fischbacherin betreffen.
Situation eskalierte
Im Februar 2016 zieht Sarah von Fischbach nach Alt Rehse. Eine toxische Beziehung mit wenigen glücklichen Momenten nimmt ihren Lauf: Sarah übernimmt die kruden und phasenweise von Reichsbürger-Gedankengut geprägten Ansichten ihres Partners. Im Lauf des Jahres 2016 eskaliert die Situation mehrfach: Sarah kommt zeitweise im Frauenhaus unter. Immer wieder rückt die Polizei an. Auch um 6 Uhr morgens an jenem 9. August 2016: Die Polizisten stehen vor dem Haus des nun Verstorbenen, dort spielt er nackt Trompete. Die Beamten nehmen Verwesungsgeruch und Ungeziefer wahr. Schließlich entdecken sie Sarahs Leiche.
Die Rechtsmedizin kann die genaue Todesursache nicht mehr nachweisen. Ein Geständnis, das Axel G. unmittelbar nach seiner Festnahme ablegte, ist nicht verwertbar: Man hat ihm offenbar Beruhigungsmittel verabreicht. Der Idar-Obersteiner Anwalt Damian Hötger, der die Nebenklage vertrat, kommentiert die folgenden Prozesse immer wieder: Es seien viele Fehler gemacht worden, sagt er. In einem ersten Urteil 2017 war Axel G. Haft wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Er war dagegen in Revision gegangen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und ordnete eine Neuverhandlung an. Es sei nicht hinreichend geprüft worden, ob der Beschuldigte zur Tatzeit vermindert oder möglicherweise vollständig schuldunfähig war. Ein zweiter Prozess war geplatzt, weil ein Richter erkrankt war und ein anderer Richter in Ruhestand ging.
Im folgenden Prozess forderte die Staatsanwaltschaft erneut eine längere Haftstrafe. Das Landgericht Neubrandenburg verhängte im Juni dieses Jahres wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung nur noch eine Geldstrafe von 1350 Euro (90 Tagessätzen zu je 15 Euro) gegen Axel G. Zudem stehe ihm eine finanzielle Entschädigung für die Zeit in U-Haft zu: ein Urteil, das in der öffentlichen Wahrnehmung für reichlich Empörung sorgte. Unterstützung erhielt Axel G. im Jahr 2019 von seiner neuen Ehefrau, die ebenfalls aus dem Kreis Birkenfeld stammt. Die junge Frau positionierte sich in den sozialen Netzwerken eindeutig und sah ihren Mann als Opfer von Justiz und Medien.
Vor wenigen Wochen verließ sie ihn aber: Die Beziehung war gescheitert – offenbar auch wegen des Drogenkonsums, der Axel G. zunehmend psychisch wie körperlich beeinträchtigte. Zu einer Überprüfung des jüngsten Urteils, wie von der Staatsanwaltschaft und Axel G. angestrebt, wird es nun nicht mehr kommen.