Rondane – die fast unberührte Wildnis Norwegens

Die Hütte Rondvassbu liegt im Herzen des norwegischen Nationalparks Rondane. Weil rundherum viele Gipfel locken, ist sie bei Wanderern besonders beliebt.
Die Hütte Rondvassbu liegt im Herzen des norwegischen Nationalparks Rondane. Weil rundherum viele Gipfel locken, ist sie bei Wanderern besonders beliebt. Foto: Katharina Dielenhein

Mitten in Norwegen ragen die über zweitausend Meter hohen Gipfel des Rondane auf. Wanderer fühlen sich in dieser weiten Wildnis rundum wohl.

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Von unserer Mitarbeiterin Katharina Dielenhein

Auf dem Foto, das Espen Rusten bei seinen Vorträgen am liebsten herumreicht, hält ein Ren seinen Kopf ganz nah an die Kamera. Von der extremen Scheu der Tiere ist auf diesem und auch auf den anderen Bildern nichts zu sehen. Die Rentiere vertrauen dem Fotografen, zeigen keinerlei Angst vor ihm. Kein Wunder, waren es doch keine Menschen, sondern die Rentiere selbst, die die Bilder aufgenommen haben. Es sind Fjellfies, also Selfies, die im norwegischen Gebirge, den „fjells“, entstanden sind. Die Rentiere tragen Kameras um den Hals. Und so entstehen wunderschöne Fotos, die die wilden Tiere mitten in ihrer Lebensrealität zeigen.

Doch die Kameras nehmen nicht nur Fotos auf, sondern auch GPS-Daten. Diese Informationen sind ein Gewinn für die Wissenschaft. Sie geben Aufschluss über das Verhalten der letzten wilden Rentierherden Europas, die heute in Rondane und Dovre, zwei der 44 norwegischen Nationalparks, leben. Fotos und Daten werden halbstündlich an das norwegische Wildrentierzentrum Nord in Hjerkinn geschickt. Dort sitzt Espen Rusten, Ranger, Nature Interpreter und Umweltpädagoge, mit seiner Kollegin Heidi Ydse und wertet die Informationen aus.

„Norwegen trägt in Sachen Naturschutz eine große internationale Verantwortung“, erklärt Ruspen. „Wir haben das europäische Erbe, das wilde Rentier zu schützen.“ Um diesem Erbe gerecht zu werden, wurde das Gebiet 1962 unter Naturschutz gestellt und der Nationalpark Rondane gegründet: zum Schutz einer Art, von der es in Europa nur noch circa 2000 bis 4000 wilde Exemplare gibt. Im Gründungsjahr war die Fläche etwa 400 Quadratkilometer groß. 2003 wurde Rondane um weitere 600 Quadratkilometer vergrößert. All das für den Schutz des wilden Rentiers.

„Rentiere sind sehr schwierige Wesen“, weiß Ruspen. „Sie brauchen viel Platz und die richtigen Temperaturen. Sie haben in Europa eine lange Wanderung hinter sich, sind weitergezogen, wenn das Klima sich zu ihrem Nachteil veränderte oder die Menschen Gefahr brachten. Aber jetzt können sie nicht weiter ausweichen.“ Weil die Tierart so scheu ist, betreten Rentiere keine Gebiete, die von Menschen bewohnt werden. Ihre Furcht ist sogar so groß, dass sie keine Straßen kreuzen, die von menschlicher Hand angelegt worden sind. Selbst dann nicht, wenn die Wege stundenlang von niemandem betreten oder befahren worden sind.

Dieses extreme Verhalten bringt viele Herausforderungen für das Land Norwegen mit sich. „Der Nationalpark Rondane hat neben dem Artenschutz noch eine zweite Funktion: Er soll den Menschen die Möglichkeit bieten, die Natur dieses Landes zu erfahren. Und die Aufgabe von uns Rangern ist es, die Balance zwischen diesen beiden scheinbar widersprüchlichen Aufgaben zu finden.“ Das Erfahrbarmachen der Natur sei vor allem für Kinder wichtig, sagt Ruspen. „Wir vertrauen ihnen die Zukunft unserer Erde an. Also müssen wir ihnen auch beibringen, wie wichtig es ist, sich um sie und ihre Natur zu kümmern.“

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Rondane – das ist unberührte Wildnis inmitten von Norwegen: zehn Zweitausender, funkelnde Seen und weites Gebirge, das mal flach und mal steiniger ausläuft. Ein tiefes Tal durchschneidet den Nationalpark von Norden nach Süden, das zum Teil von einem fjordähnlichen See gefüllt wird, dem Rondvatnet. Wandern, klettern, Kajak fahren, zelten, fischen und jagen – all das ist theoretisch im Nationalpark Rondane möglich. Als Norweger braucht man lediglich eine Genehmigung, um in der Jagdzeit jagen und ganzjährig fischen zu dürfen. Touristen hingegen haben es da etwas schwerer: Sie dürfen nur auf privatem Grund jagen, gegen mitunter hohe Geldsummen.

Für eine Jagd im Nationalpark selbst bekommen sie keine Genehmigung. Wandern, Zelten sowie die Nutzung der Wasserwege hingegen sind in Rondane uneingeschränkt möglich. Um den Schutz des Rentiers und den Nutzen des Parks für den Menschen in Einklang zu bringen, sind ausreichend Wanderpfade markiert. Sich an diesen zu orientieren, ist allerdings keine Pflicht. Denn wie in anderen skandinavischen Ländern herrscht auch in Norwegen das Jedermannrecht, das Einwohnern und Touristen erlaubt, sich frei in der Natur zu bewegen. Die eingezeichneten Wege sind, will man sehr genau sein, eine Wegempfehlung, einhergehend mit der Bitte, den Naturschutz durch Rücksichtnahme zu unterstützen.

Doch selbst wer eine mehrtägige Wandertour plant, findet keinen Grund, die markierten Trails zu verlassen. In ganz Rondane hat der Den Norske Turistforening (DNT), der norwegische Verein für Bergwandern, ein Streckennetz gekennzeichnet. Die Wege sind mit einem roten T versehen, das nicht zu übersehen ist. Dass unerfahrene Wanderer sich verlaufen, soll so ausgeschlossen werden. Trotzdem empfiehlt der DNT Wanderern, einen Kompass und eine Karte bei sich zu tragen. Die Trails führen die Wanderer sicher durch die unberührte Natur Rondanes, eines der schönsten Wandergebiete Norwegens. Sie verbinden außerdem auf kürzestem Wege die Hütten miteinander, in denen Wanderer, die das Zelt zu Hause gelassen haben, am Abend unterkommen.

Die höchstens zweistöckigen Hütten fügen sich nahtlos in das idyllische Landschaftsbild ein. Betrieben werden die Hütten ebenfalls vom DNT. In der Sommersaison, von Ende Juni bis Mitte September, sind sie bewirtschaftet, in der Wintersaison, zwischen Ende Februar und Mitte Mai, ist ein Teil der Hütten zusätzlich zur Selbstbewirtschaftung zugänglich. Die Schlüssel verwaltet der Wanderverein. Das Basislager Rondvassbu ist der optimale Startpunkt für individuelle oder geführte Streifzüge in die Berge Rondanes. Am Südende des Sees Rondvatnet gelegen, dient es vielen Wanderern entweder als täglicher Start- und Endpunkt für eintägige Touren oder als Start in ein mehrtägiges Abenteuer durch die Schönheit von Norwegens Bergen. Für welchen Weg man sich auch immer entscheiden mag, auf dem Gipfel von Rondslottet, Sotrronden, Vinjeronden oder Digerronden ist alle Anstrengung vergessen. Und belohnt wird man mit Ausblicken, die man so schnell nicht wieder vergisst.

Wissenswertes für Reisende

Anreise: SAS Scandinavian Airlines und Lufthansa fliegen von Frankfurt oder Düsseldorf täglich nonstop nach Oslo-Gardermoen. Von dort gelangt man mit dem Auto (etwa vier Stunden), dem Zug (etwa dreieinhalb Stunden, NSB) oder dem Bus (circa fünf Stunden, NorWay Bussekspress) nach Otta. Von dort geht es mit dem Lokalbus oder einem Taxi weiter nach Rondane.

Infos: Da Norweger über sehr gute Englischkenntnisse verfügen, kommt man mit dieser Sprache überall weiter, vor allem in touristisch erschlossenen Gebieten wie Rondane. Viele Einwohner sprechen zusätzlich Deutsch.

Reisezeit: Der Winter dauert in Norwegen sehr lange, noch im Mai kann man in einigen Regionen Ski laufen. Vor Ende Juni sollte daher keine Wanderung begonnen werden. Üblicherweise öffnen die Hütten am letzten Wochenende im Juni, dann sind auch alle Brücken wieder montiert. Die Wanderzeit endet im Oktober. In Rondane sind die Hütten zur Selbstbewirtschaftung in der Zeit der Rentierkalbung vom 1. Mai bis zum 10. Juni immer geschlossen.

Unsere Autorin ist gereist mit Lufthansa/SAS Scandinavian Airlines, hat übernachtet in unterschiedlichen, privat geführten Hütten des Den Norske Turistforening und wurde unterstützt von Nasjonalparkriket.