Reise durch Norwegen: Mit dem Mountainbike die Region Valdres erkunden

Einsamkeit und eine Natur, die den Atem raubt: Der Norden Norwegens ist so unbeschreiblich schön wie still. Radler fahren durch Landschaften, die Ölgemälden gleichen.
Einsamkeit und eine Natur, die den Atem raubt: Der Norden Norwegens ist so unbeschreiblich schön wie still. Radler fahren durch Landschaften, die Ölgemälden gleichen. Foto: Mirjam Moll

Die Freiheit erreicht man mit einer Fairchild Metroliner. Die kleine Propellermaschine fliegt die Strecke zwischen der Hauptstadt Oslo und dem weiter nördlich gelegenen Gebirgsdorf Fagernes. Der Landeplatz auf der kleinen Hochebene lässt keine großen Linienflugzeuge zu. Zudem nutzen nur wenige die Verbindung.

Lesezeit: 6 Minuten
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Von unserer Reporterin Mirjam Moll

Die Fluggesellschaft North Fly überlegt, die Strecke einzustellen. Dabei ist der kleine Flughafen auf der Hochebene für die gebirgige Region Valdres, von Oslo binnen einer halben Flugstunde zu erreichen, ein wichtiger Zugangspunkt. Man hofft auf Touristen in jenem Gebiet, das größtenteils einer Bilderbuchlandschaft gleicht – noch.

Unsere Reise führt uns an den Vinstri. Auf der kobaltblauen Oberfläche des schier unendlichen Sees spiegelt sich die Kulisse des Jotunheimen-Gebirges wider, dessen Spitzen auch im Spätsommer noch mit Schnee bedeckt sind. Bis im Juni gleicht der See selbst einer schneebedeckten Ebene, nur in den Sommermonaten bleibt er vom Eis befreit. Die Ufer des Vinstri sind umgeben von hellgrünen Wiesen. Kühe und Schafe grasen auf den Hügeln und Ufern, kein Zaun hält sie zurück. Kleine purpurrote Farmen mit schneeweißen Fensterrahmen schmiegen sich an die kleinen Buchten des Sees. Es ist eine Idylle, die ihre Besucher ihren Alltag vergessen lässt.

Auf dem Mjolkevegen wird der Anblick freilaufender Kühe schnell zur Gewohnheit. Sie genießen die freie Natur der Sommermonate, bevor sie im Winter in ihre Ställe im Tal zurückkehren müssen.
Auf dem Mjolkevegen wird der Anblick freilaufender Kühe schnell zur Gewohnheit. Sie genießen die freie Natur der Sommermonate, bevor sie im Winter in ihre Ställe im Tal zurückkehren müssen.
Foto: Mirjam Moll

Erreichen kann man sie nur über einen unbefestigten Privatweg, typisch für die weniger besiedelten Gegenden des Landes. Die Anwohner finanzieren sie selbst – und verlangen Wegzoll. Radfahrer dürfen die Sandpisten kostenlos nutzen. Sie sind es auch, die man nach Valdres locken will: auf den Mjolkevegen – den Milchweg.

Zwischen Vinstra, einem Städtchen circa 80 Kilometer nordwestlich von Lillehammer, und Gol, 190 Kilometer von Oslo entfernt, verläuft die insgesamt 250 Kilometer lange Route. Radfahrer beäugen die Vierbeiner mit großer Neugierde. Platz muss man sich auf den größtenteils unbefestigten Wegen aber selbst verschaffen. Sie führt am Vinstri vorbei über den Jotunheimvegen. Dort, am Ufer des Sees liegt die Haugseter Fjellstue (zu deutsch Berggasthof). Das Hauptgebäude ist bereits 140 Jahre alt, der Umgang ist herzlich, die Küche typisch für die Region. Es gibt Forelle, frisch aus dem See, gefolgt von, wie könnte es anders sein, einem Rentierfilet.

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Die Uhren ticken in diesem alten, aber urgemütlichen Gasthof noch etwas anders: Kurz nach 23 Uhr gehen die Lichter aus. Denn die Fjellstue muss ihren Strom selbst produzieren, mittels Dieselgenerator. Damit er nicht überhitzt, wird er bis zum Morgen ausgeschaltet. Gestärkt von einem deftigen Frühstück mit frisch gebackenem, saftigem Brot, zu dem in der Region traditionell nicht nur Käse und Wurst, sondern auch eingelegte Forelle angeboten wird, steigen wir auf unsere Räder. Kühe spazieren immer wieder am Wegrand entlang – oder stehen mitten auf ihm. Neugierig beäugen sie die Truppe Mountainbiker, die sie passiert.

Norwegen präsentiert sich entlang des Radweges von Vinstra nach Gol von seiner schönsten Seite. Auf 250 Kilometer Länge lernen die Radler auch die traditionelle Küche des Landes kennen.
Norwegen präsentiert sich entlang des Radweges von Vinstra nach Gol von seiner schönsten Seite. Auf 250 Kilometer Länge lernen die Radler auch die traditionelle Küche des Landes kennen.
Foto: Mirjam Moll

Es gibt hier viele kleine Farmen. Die Bauern ziehen mit ihrem Vieh in den wenigen warmen Sommermonaten hierher. Ihre Milch ist dann besonderes fett. Mit ihr stellen die Landwirte den landestypischen Braunkäse her. Durch das lange Einkochen der Molke karamellisiert der darin enthaltene Milchzucker – und verleiht dem Käse seinen süßlichen Geschmack und die goldene bis hellbraune Farbe.

Bei einem Halt an einer der kleinen Bergfarmen wird uns Rakfisk angeboten – in Salzlake und mit Ammoniak fermentierte Forelle, die geschmacklich etwas an geräucherten Lachs erinnert. Mit einer Papiertüte voller kleiner dünner Teiglappen, belegt mit Rakfisk und bestrichen mit dickem Sauerrahm, marschieren wir den Berghang hinauf. Dort, mit Blick über das grüne Tal, essen wir unsere kleine Mahlzeit direkt aus der Hand.

Es geht in Richtung Beitostølen, einen kleinen Wintersportort oberhalb des Sees. Der norwegische Biathlonchampion Ole Einar Bjørndalen besitzt hier eine hytte (Hütte) – circa 30 Betten stehen dort auch Touristen zur Verfügung. Wenn Bjørndalen in Beitostølen trainiert, übernachtet er meist im örtlichen Hotel. Innerhalb von 50 Jahren ist der Ort zu einem Biathlon- und Langlaufressort geworden.

Besucht wird er vor allem von Norwegern. Viele von ihnen besitzen in der Region aber auch ihre eigenen Sommerfarmen. 1,2 Millionen solcher Ferienhäuser gibt es in Norwegen – bei knapp mehr als fünf Millionen Einwohnern.

Mit dem Mountainbike durch die Natur.
Mit dem Mountainbike durch die Natur.
Foto: Mirjam Moll

Der Wunsch des ortsansässigen Hotelleiters ist es deshalb, den Wintersportort auch im Sommer zu einem attraktiven Touristenziel zu machen. Längst haben sich große Sportgeschäfte angesiedelt, eine Showkäserei gibt es gleich nebenan. Die Idylle der Region ist hier längst gebrochen. Und bald sollen mehr kommen. Mit E-Bikes will man auch die körperlich weniger fitten Besucher zu einem Sommerurlaub in der Region animieren. Für Kinder lockt ein Kletterpark, die Rodelbahnen dürfen sie mit speziellen Bobs auch ohne Eis hinuntersausen.

Doch ein Urlaub in Norwegen ist teuer: Die Lebenshaltungskosten in dem skandinavischen Staat liegen fast 55 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Eine gute Flasche Wein zum Abendessen im Restaurant wird da zu einem kostspieligen Vergnügen. Denn auch die Hotels sind auf das von der Regierung verwaltete Vinmonopolet angewiesen. Nur dort können Einheimische Wein kaufen. Die Flaschen gibt es nicht zu sehen. Sie werden wie in einer Apotheke über den Tresen verkauft – staatlich kontrollierter Alkoholkonsum. In den kleinen Farmen brennen einige Bauern deshalb ihren eigenen Schnaps: Aquavit wird aus Kartoffeln gebrannt. Im Laden kostet er ein Vermögen.

Nach einer Nacht in Beitostølen brechen wir zu unserer nächsten Etappe auf. Wir passieren den höchsten Punkt des Mjolkevegen – auf 1300 Meter Höhe bläst ein eiskalter Wind. Die Baumgrenze liegt in Norwegen bei 900 Metern. Auf dem kahlen Hochplateau wächst nur widerstandsfähiges festes Gras. Die Gipfel der umliegenden Berge sind schneebedeckt, durch die feuchte Luft scheinen sie wie in einen Schleier gehüllt. Steil führt der unbefestigte Weg auf der rückwärtigen Seite hinab ins Tal. An einer kleinen Farm machen wir halt für eine kurze Stärkung. Es gibt Kaffee und Lappa – kleine, luftige Pfannkuchen mit einem Klacks Sauerrahm und Erdbeermarmelade darauf. Unten am See, dem Vangsmjøsa, dürfen auch Touristen angeln – mit einer Angellizenz, die man am örtlichen Campingplatz erhält. Ein Bus bringt uns und unsere Räder wieder hinauf in die Berge. Oben auf der Hochebene starten wir unsere nächste Etappe. Über kleine Hügel, vorbei an kleinen Seen gewinnt man beinahe den Eindruck, durch ein Tal zu fahren. Die schiere Weite der Hochebene lässt diesen Trugschluss zu. Wir fahren weiter bis nach Vaset.

In einer kleinen Fjellstue schlagen wir unser Nachtquartier auf. Man serviert uns rømmegrøt – ein typisches Gericht, das geschmacklich an Béchamelsoße erinnert. Der Brei aus mit Mehl eingedicktem, warmem Sauerrahm wird mit Zimt und Zucker gegessen. Der ursprünglich kleine Betrieb ist inzwischen von 10 auf 300 Betten angewachsen – über drei Generationen. Die Tradition verlangt, dass ein Familienbetrieb, ist er einmal aufgebaut, von der eigenen Sippschaft fortgeführt werden muss. Sie führt aber auch dazu, dass die Eigentümer die einst kleinen, charmanten Hütten zu immer größeren Übernachtungsstätten umbauen. Ihr ursprünglicher Charme droht dabei verloren zu gehen.

Unsere letzte Etappe führt uns über weitere endlose Weidenlandschaften wieder hinab bis unter die Baumgrenze. Wir fahren weiter, bis die Bäume wieder weniger werden. Ein frisch angelegter Weg führt uns einen steilen Bergkamm hinauf – bis an den Rand eines Skigebiets. Es ist das Ende des Mjolkevegen. Hier, am Storefjell, unweit von Gol, ist ein riesiger Hotelkomplex entstanden, der fast ständig erweitert wird. Vier Brüder führen es gemeinsam. In der nächsten Generation wird nur einer der Söhne das einst kleine Berghotel übernehmen. Zu groß ist der Zwist zwischen den heutigen vier Managern. Bis dahin soll das Hotel aber noch weiter wachsen. Mehr Touristen will man auch hier. Das Land sei schließlich groß genug. Noch liegen in seinen Gipfeln und Tälern aber diese unendlichen Weiten. Sie duften nach Freiheit.

Wissenswertes für Reisende

Anreise: ab Frankfurt mit KLM oder Air France oder ab Düsseldorf mit KLM via Amsterdam, in Oslo weiter mit Air Norway nach Fagernes

Zielgruppe: Die Bikeschaukel ist geeignet für Radfahrer, die sich auch vor der ein oder anderen steilen Steigung nicht scheuen

Beste Reisezeit: Juli und August

Unsere fünf Ausflugstipps:

  • Baden im eiskalten, aber umso erfrischenderen Vinstri
  • Klettern im Jotunheimen-Gebirge – für diejenigen, die sich das noch nicht zutrauen, gibt es auch einen Kletterpark in Beitostølen
  • Radfahren auf dem Mjolkevegen – zahlreiche Etappen von leicht bis mittelschwer sind möglich
  • Wandern in den Hochebenen von Valdres
  • Gebrauch vom norwegischen „Allmannsrecht“ machen und an einem der Bergseen ein Zelt aufschlagen

Unsere Autorin ist gereist mit KLM und Air Norway und hat übernachtet im Haugseter Fjellstue am Vinstri, im Radisson Blu in Beitostølen, im Gomobu Fjellstue in Vaset und im Storefjell Hotel bei Gol.

Diese Reise wurde unterstützt von Innovation Norway.