Nichts wie raus nach Wannsee

Nichts wie raus nach Wannsee Foto: Tina Paare

Der Liedtext ist weltberühmt: „Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein. Und dann nichts wie raus nach Wannsee.“ Die Badehose sollten auch die Urlauber einpacken, die den Havelradweg in Angriff nehmen. Unzählige Badestellen laden zu einer Pause ein, verbunden mit einem Sprung ins kühle Nass. Und auch den Wannsee passieren die Radtouristen auf dem rund 250 Kilometer langen Abschnitt von Rheinsberg nach Brandenburg.

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Von unserem Redakteur Olaf Paare

Mit Bewegung, Kultur und Natur bietet der Havelradweg eine perfekte Mischung. „Wir haben schon einige Radwege befahren, aber solch eine Abwechslung noch nicht erlebt“, erzählt ein Radtourist aus Dortmund. Er ergänzt: „Und unsere Frauen sind begeistert, weil es so schön eben ist.“ In der Tat: Steigungen sind ein Fremdwort. Deshalb erfreut sich der Radweg auch bei Senioren und Familien mit Kindern großer Beliebtheit.

Vor allem die Nähe zum Wasser macht den Reiz des Havelradwegs aus. „Die Havel ist eine Aneinanderreihung von Seen“, sagt Dirk Haußels. Er ist Standort-Chef des Reiseveranstalters „Die Landpartie“ und erklärt: „In Brandenburg wird im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ wenig reglementiert.“ Baden ist nahezu überall erlaubt. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn kleine Fische am großen Zeh herumknabbern. Das ist im Döbert-Stich zu erleben. Er lockt an seinem Ufer mit vielen kleinen Nischen zum Verweilen.

Der Döbert-Stich gehört zum Ziegeleipark Mildenberg, dem Herzstück der ersten Teiletappe. Rheinsberg dient als perfekter Startpunkt, um den Havelradweg zu erkunden. Auch wenn die Stadt selbst nicht an der Havel liegt. Das Rheinsberger Schloss ist ein Juwel. In den Abendstunden lohnt ein Spaziergang durch den Schlossgarten. Die untergehende Sonne verleiht der Schlossfassade einen mediterranen Anstrich. Am nächsten Morgen werden die Räder gesattelt. Der Zubringer zur Havel führt durch Wälder, die Sonne blinzelt einem zu. Am Großen und Kleinen Wentowsee ist die Havel erreicht. Es lohnt sich, direkt einen Fuß ins Wasser zu strecken – entweder an einer malerischen Stelle oder einer öffentlichen Badeanstalt mit Liegewiese.

Die Strecke führt oftmals über Fahrradstraßen. Alte Landstraßen wurden für die Radtouristen hergerichtet und garantieren den Zweirad-Piloten Vorfahrt. Oftmals können die Radtouristen die Pisten sogar für sich allein nutzen. Der Havelradweg ist zwar gut erschlossen, aber längst nicht überlaufen. Er gehört noch zu den Geheimtipps unter den Fluss-Radstrecken.

Rund um den Ziegeleipark liegen malerische Seen. Es handelt sich um Stiche zum Abbau von Ton für die Ziegelproduktion, die nach dem Abbau mit Grundwasser vollgelaufen sind. Halb Berlin wurde mit Ziegelsteinen aus der Region errichtet. Seit dieser Zeit verfügt die Havel über ihren kanalähnlichen Charakter. Schließlich mussten die Materialien auf schnellstem Weg in die Metropole verfrachtet werden. Davon profitieren viele Hobbykapitäne, die die Havel auf dem Wasser erkunden.

Wenn sie Zehdenick erreichen, ertönt eine Glocke, und alle Radfahrer ziehen die Bremse. Dann erhebt sich nämlich die Zugbrücke, das Wahrzeichen des kleinen Städtchens. Kurz vor Oranienburg lohnt sich ein weiterer Stopp mit Blick auf das Treiben auf dem Wasser: Der mächtige Stau der Boote auf der Havel löst sich im Nu auf, wenn sich das gigantische Becken der Schleuse Lehnitz öffnet und die kleinen Boote förmlich verschluckt. Die Stadt Oranienburg lebt von Schloss und Schlossgarten, der zur Landesgartenschau 2009 herausgeputzt wurde und auch heute noch ein Hingucker ist.

Wenige Kilometer hinter Oranienburg kommen die Radfahrer auf den Mauer-Weg. Die Bundeshauptstadt ist erreicht, und damit wird die kuschelige Komfortzone des Radweges verlassen. Zahlreiche Richtungswechsel und vierspurige Straßen müssen speziell in Spandau bewältigt werden, dazu rüttelt einen das Kopfsteinpflaster gehörig durch. Wie angenehm ist es dagegen im Spandauer Forst, der die Rückkehr zur Gemütlichkeit des Radreisens beschert.

Und dann liegt er vor einem, der bekannteste Havelsee. Der Wannsee ist das Rückzugsgebiet der Berliner. Die Radtouristen nutzen die Fährüberfahrt von Kladow in den Berliner Stadtteil Wannsee für eine Verschnaufpause. Auf der anderen Seite angekommen, schlägt die Stunde der Kultur- und Geschichts-interessierten. Die Max-Liebermann-Villa und das Haus der Wannsee-Konferenz sind einen Abstecher wert. Es empfiehlt sich, anschließend nicht auf den offiziellen Radweg zurückzukehren, sondern bis zur Pfaueninsel am Wasser entlangzuradeln. Der Blick auf den Wannsee ist umwerfend, die Badestellen sind traumhaft. Potsdam ist nun fast erreicht, doch die kurze Fährfahrt hinüber zur Pfaueninsel sollten die Radler noch einschieben. Das dortige Schloss hebt sich ab, da es im Originalzustand erhalten ist und komplett aus Holz gebaut wurde.

In kaum einer anderen deutschen Stadt ist die Schlösser-Dichte so hoch wie in Potsdam. Natürlich ist der Park Sanssouci mit seinen vielen Prachtbauten und Kulturfinessen wie der Gemäldeausstellung der Hauptanziehungspunkt. Doch auch der Neue Garten ist eine Wucht. Auf den Hauptwegen lässt er sich klasse mit dem Rad erkunden. Das gilt auch für das holländische Viertel. Der Touristentrubel ist am südlich von Potsdam gelegenen Schwielowsee vergessen. Wenn die Sonne den Tag begrüßt, spiegelt sie sich herrlich auf dem Wasser. Der Sprung in den See vor dem Frühstück weckt nicht nur die Lebensgeister, der See ist auch eine Augenweide. Lediglich die Enten fühlen sich von den zweibeinigen Schwimmern gestört. Am Schwielowsee ist auch das Schlösschen Caputh beheimatet. Der ungewöhnliche Fliesensaal im Keller ist allein einen Besuch wert.

„Potsdam, Rheinsberg und die Insel Werder sind die drei Dinge, die ein Gast des Havelradwegs gesehen haben muss“, findet Haußels. In Sachen Werder ist der Havel-Experte, der zuvor viele Jahre in Bonn gelebt hat, allerdings befangen. Schließlich wohnt er in Werder. Die historische Inselstadt mit Kopfsteinpflaster, alten Gebäuden und einer Mühle entführt in eine frühere Epoche. Viele Cafés laden zu einer Stärkung ein. Die ist auch notwendig, denn bis Brandenburg sind es noch einige Kilometer. Das Gros der finalen Strecke wird auf einem gut ausgebauten Damm zurückgelegt. Auf der einen Seite die Havel, auf der anderen Seite die idyllische Landschaft mit ihrer unberührten Tierwelt. Selbst ein Biber lässt sich mit ein bisschen Glück an einer der Bade- und Raststellen blicken.

Brandenburg ist für viele Havelradweg-Besucher die Endstation. Das ändert sich ab dem 18. April. Brandenburg ist dann der Mittelpunkt der Bundesgartenschau. Erstmals wird das Großereignis nicht in einer Stadt und in einem Bundesland durchgeführt. Die Buga bezieht auch vier weitere Städte die Havel abwärts mit ein: Premnitz, Rathenow, Amt Rhinow und Havelberg. Viele Reiseveranstalter reagieren darauf und bieten Reisen bis nach Havelberg in Sachsen-Anhalt an. Dort fließt die 334 Kilometer lange Havel in die Elbe.