Dresden

Mit dem Raddampfer zu den Wundern der Elbe: Dresden hat die älteste Flotte Europas

Von Michael Defrancesco
Nicht nur die Elbschlösser können bei einer Fahrt mit dem Schaufelraddampfer besichtigt werden, sondern die Touristen unterfahren auch beliebte und bekannte Brücken: zum Beispiel das „Blaue Wunder“. Foto: Defrancesco
Nicht nur die Elbschlösser können bei einer Fahrt mit dem Schaufelraddampfer besichtigt werden, sondern die Touristen unterfahren auch beliebte und bekannte Brücken: zum Beispiel das „Blaue Wunder“. Foto: Defrancesco

Noch kurz vor der Abfahrt sind die Warteschlangen im Kassenhäuschen lang. Touristen kommen in Strömen, sehen die romantischen Schaufelraddampfer an den Anlegestellen liegen, blicken auf die Tafeln, auf denen die verschiedenen Touren vermerkt sind, und stellen sich an die Kassenschlangen an. Routiniert arbeiten die Angestellten die Anfragen ab – noch ist jeder mitgekommen, der mitfahren wollte.

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Es gibt kurze Touren für die Touristen, die nur wenig Zeit mitbringen. Es gibt lange Touren. Und: Es gibt den Klassiker, die Fahrt zu den Elbschlössern. Wer nicht am Ende in Pillnitz aussteigt, ist nach knapp vier Stunden wieder zurück in Dresden – vier Stunden, die wie im Flug vergehen.

Standesgemäß tutet die „Leipzig“. Die Leinen sind bereits los, das große Schiff driftet langsam vom Dresdner Ufer ab. Es ist ein sonniger Herbsttag, wir haben die Nachmittagsfahrt gewählt. Diese Fahrt hat Vor- und Nachteile. Nachteil: Man kann in Pillnitz nicht aussteigen und das Schloss besichtigen – denn man fährt quasi mit dem letzten Schiff. Es gibt in Pillnitz nur einen kurzen Aufenthalt von einer guten Viertelstunde. Doch da wir Pillnitz schon an einem anderen Tag besichtigt haben, profitieren wir vom einzigartigen Vorteil dieser Fahrt: Wir werden nach vier Stunden in den Sonnenuntergang hineinfahren und Dresden im Nachtlicht sehen.

Doch erst einmal genießen wir die Fahrt die Elbe hinauf. Der Schaufelraddampfer stampft und keucht und hat kein nennenswertes Tempo zu bieten. Ein Kanufahrer erkennt unsere Schwäche, legt sich in die Riemen und versucht, uns zu demütigen. Es gelingt ihm. Die „Leipzig“ verliert das Rennen, und der Kanufahrer zieht von dannen.

Doch schneller darf es gar nicht gehen, denn an Bord sind vor allen Dingen Schiffs- und Technikliebhaber. Denn im Gegensatz zu manch anderen Schiffen liegt bei der Dresdner Flotte das Herz offen: Man kann von oben in den Maschinenraum blicken und sieht begeistert zu, wie die Schaufelräder, die sich steuer- und backbord außen befinden, in Bewegung gesetzt werden. Bald ist das erste Elbschloss erreicht: Schloss Albrechtsberg. Es wurde zwischen 1850 und 1854 erbaut für Prinz Albrecht von Preußen. Nur wenige Minuten später passieren wir das zweite Schloss, das Lingnerschloss, in dem einst Karl August Lingner, der Erfinder des Odol-Mundwassers, wohnte. Und dann fehlt noch das Dritte im Bunde, Schloss Eckberg.

Doch nicht nur Schlösser und Maschinenräume gibt es auf der kurzweiligen Fahrt zu bestaunen, nein: Man fährt auch unter legendären Brücken hindurch. Zunächst passieren wir die Waldschlösschenbrücke – ganz genau, das ist die Brücke, die die Dresdner trotz Unesco-Protesten bauten, woraufhin das Elbtal den Weltkulturerbestatus verlor. Und kurze Zeit später geht es unter dem „Blauen Wunder“ hindurch. Diese Brücke wurde 1893 gebaut und ist eins der Wahrzeichen von Dresden. Es geht die Anekdote um, dass die „Dresdner Nachrichten“ 1936 in einem Beitrag schrieben, dass die Brücke ursprünglich mit einer Mischung aus Kobaltblau und Chromgelb grün angestrichen gewesen sei und sich die Gelbanteile durch Witterungseinflüsse verflüchtigt hätten – nur das Blau sei übrig geblieben. Diese Zeitungsente wurde für bare Münze genommen und geistert heute noch durch die Region.

Schließlich taucht am Horizont Schloss Pillnitz auf – majestätisch am Wasser der Elbe gelegen. Die „Leipzig“ begrüßt es mit fröhlichem Tuten, dann dreht das große Schiff auf der engen Elbe – gekonnt und ohne am Ufer anzustoßen – und legt an. Nach besagtem kurzen Aufenthalt heißt es dann wieder „Leinen los“ und zurück nach Dresden, das schon funkelnd und glitzernd in der Abenddämmerung wartet.

Eine Fahrt, die pure Entschleunigung ist – und fast nicht mehr zu genießen gewesen wäre, denn die Sächsische Dampfschifffahrt stand kurz vor der Pleite. Niedrigwasser, sinkende Passagierzahlen und Umsatzrückgänge hatten das Unternehmen in die roten Zahlen rutschen lassen. Im Sommer dieses Jahres wurde das Traditionsunternehmen, das seit 1836 besteht, in letzter Sekunde gerettet. Die Gesellschafter erklärten sich bereit, auf gewinnunabhängige Zahlungen zu verzichten, damit das Unternehmen ein Finanzpolster aufbauen kann. Wenn alles gut geht, dann können die Schaufelraddampfer auch weiterhin die Touristen aus aller Welt und nicht zuletzt auch die Einheimischen entzücken.

Sehen Sie ein Video unter ku-rz.de/schaufelrad

Von unserem Reisechef Michael Defrancesco