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Hattenheim

Jagd auf Südafrikas Spitzenkoch: Leibhaftige Begegnung am Rhein

Von Nicole Mieding
Blick hinter die Kulissen: Üblicherweise strahlt Reuben Riffel wie Südafrikas Sonne. Das Anrichten der Speisen verlangt jedoch vom gesamten Küchenteam ein Höchstmaß an Konzentration.
Blick hinter die Kulissen: Üblicherweise strahlt Reuben Riffel wie Südafrikas Sonne. Das Anrichten der Speisen verlangt jedoch vom gesamten Küchenteam ein Höchstmaß an Konzentration. Foto: Nicole Mieding

Bisweilen führt ein Umweg zum Ziel: Der Versuch, Südafrikas Starkoch Reuben Riffel in seiner Heimat zu treffen, geriet zur Safari. Drei Jahre später kocht er beim Rheingau Gourmet Festival. Dort entkommt er unserer Reporterin nicht mehr.

Lesezeit: 4 Minuten
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Manchmal spielt das Leben mit einem Hase und Igel. Man kommt an, aber der andere war zuerst da. Und ist schon wieder weg. Wie die tierische Fabel vom schlechten Timing verlief bislang der Versuch, Reuben Riffel zu begegnen. Der Koch, der als Jamie Olivers farbiger Nachfahre gehandelt wird, ist ein vielbeschäftigter Mann. Riffel hat sich hochgekocht aus armen Verhältnissen, heute ist er seine eigene Marke. Er hat eigene Kochshows, betreibt fünf Restaurants, einen Laden für Küchenzubehör, auf dem sein Name steht und das sich deshalb wie geschnitten Brot verkauft. In seiner Heimat ist Reuben Riffel ein Superstar. Für so einen macht man sich schon mal auf den Weg nach Südafrika.

Auf der Fährte des Starkochs durchs Südafrika

Rückblende. Knapp drei Jahre liegt die Reise zurück. Ziel: Südafrika mit allen Sinnen zu genießen. Wo ginge das besser als in der Kapregion und in den angrenzenden Weinbergen? Erste Anlaufstation ist Kapstadts Fünfsternehotel One & Only, wo Luvo Ntezo über einen riesigen Weinkeller herrscht. Er hat es vom Spüler zu Südafrikas erstem Chefsommelier mit schwarzer Hautfarbe gebracht. Was im Feinschmeckerrestaurant des Hotels auf den Teller kommt, verantwortet Reuben Riffel. 2011 hat er dort Gordon Ramsey abgelöst und ist seither Chefkoch und Namensgeber des „Reuben's“. Seine Signatur steht über der Tür, der Speisekarte und ist in die ledernen Tischsets geprägt. „Reuben war gestern da, um mit mir das neue Menü zu besprechen“, erzählt Ntezo, als wir im Gastraum bei einem Glas Pinotage mit Blick auf die Waterfront zusammensitzen. „Soweit ich weiß, ist er gerade in seinem Restaurant in Franschhoek.“ Nächste Station Franschhoek. Die Stadt in den Winelands hat sich zum Mekka für Feinschmecker gemausert und ist – Zufall oder Vorsehung – Reuben Riffels Geburtsort. 2004 hat er hier mit dem ersten eigenen Restaurant den Grundstein zu seiner Karriere gelegt.

Reuben Riffel bei seinem Gastauftritt im Rheingau.
Reuben Riffel bei seinem Gastauftritt im Rheingau.
Foto: Nicole Mieding

Empfangen werden wir freundlich, nur war der Weg vergeblich: Der Hausherr hat heute woanders zu tun, keine Chance, ihn zu treffen, erklärt seine Gattin und Managerin auf Nachfrage am Telefon. Unverrichteter Dinge führt die Reise weiter nach Paarl, wo wir im Weingut Diemersfontein die farbige Managerin Denise Stubbs kennenlernen. „Du willst Reuben treffen? Wir sind zusammen zur Schule gegangen und kennen uns aus Kindertagen – wenn du willst, ruf ich ihn für dich an“, sagt sie, zückt schon ihr Handy und wählt. „Sprachbox“, flüstert Denise und hinterlässt den Kennenlernwunsch einer deutschen Journalistin. Zwei Tage und viele Weingüter später schickt Denise eine SMS: „Reuben hat sich gemeldet, er war unterwegs in den Winelands und hätte jetzt Zeit, dich zu treffen“, lese ich im Auto, das mich zurück zum Flughafen fährt.

Auf Umwegen: Vom Kap ins Kronenschlösschen

Anlässlich des Rheinau Gourmet Festivals geben sich prominente Köche die Klinke in die Hand. Zum wiederholten Mal aus Südafrika eingeflogen in diesem Jahr: Stargast Reuben Riffel. Diesmal entkommt er nicht. Nach einem langen Winter soll er Gästen die Sonne auf den Teller zurückbringen. Die reisen teils von weit her an – wenn auch nicht ganz so weit wie Reuben Riffel. Viele schwelgen in Urlaubserinnerungen, während sie auf ihn und den Beginn seines Südafrika-Lunchs im Hotel Kronenschlösschen warten. Und dann steht er da plötzlich leibhaftig. In Kochjacke und mit einem Lächeln im Gesicht, das in den Raum strahlt, als hätte jemand das Licht angeknipst. Froh erzählt der Südafrikaner davon, wie er die Küche seines Landes als Botschafter um die Welt schickt: Sie soll auf einer Stufe mit anderen Landesküchen stehen, ihnen ebenbürtig sein und trotzdem nicht ihre Ursprünglichkeit verlieren. Es gehe vor allem um Einfachheit, darum, die Produkte um ihrer selbst willen ohne Verbiegen und Verfremden auf den Teller zu bringen, sagt er und verschwindet in die Küche, wo ein Tross von Hilfsköchen darauf wartet, vom Meister dirigiert zu werden. Die Gourmets sind gekommen, um den Tag zu genießen. Wer eine politische Botschaft hören will, muss bereit sein, zwischen den Zeilen zu lesen.

Afrikas neue Farbenlehre: Von schwarz-weiß zu bunt

Sich einem Land essend und trinkend anzunähern, ist eine angenehme Art des Kennenlernens. Man muss kein Kenners ein, um in Afrika guten Wein zu finden. Und die Küche des Landes ist genauso bunt wie sein Volk: Inder, Malaien, Buren und natürlich die Buschmänner: Jeder, der durchzog, hat seine Essgewohnheiten dagelassen. Wer es sich leisten kann, für den ist Südafrika das Schlaraffenland. Vor allem Deutsche machen von diesem Vorzug gern Gebrauch: Die Flugzeiten sind verträglich, die Zeitzone ähnlich, weshalb der Jetlag entfällt. Nicht zuletzt aufgrund seiner Kolonialgeschichte ist uns das Land kulturell näher als jeder andere Kontinent. Doch wer in einem der vielen Feinschmeckerrestaurants sitzt, die es in der Kapregion in ähnlicher Fülle gibt wie Sand im Atlantik, der merkt flott, das Gourmetvolk ist in der Regenbogennation fein säuberlich nach Farben sortiert: Weiß bestellt, Schwarz serviert. Zwar lebt Afrikas kulinarische Welt von Kontrasten. Dass Farbe nicht nebeneinander steht, sich mischt, Hierarchie und Hautfarbe nicht dasselbe ist, ändert sich erst allmählich.

Das Treffen: Eine leibhaftige Begegnung am Rhein

In der Küche in Hattenheim sitzt jeder Griff, die Kommandos sind knapp und leise. Es mache ihn wahnsinnig, wenn er eine Sache wiederholt erklärt und am Ende doch selbst Hand anlegen muss, erklärt Riffel, als er nach seinem viergängigen Menü leibhaftig auf einem Sofa im Rheintal sitzt. Er erzählt davon, dass seine Familie sich Restaurantbesuche nicht leisten konnte, arm war, aber nicht hungrig, weil sie sich selbst versorgte: Es wurden Schweine, Hühner und Ziegen geschlachtet, Brot buk man selbst, alles, was man zum Überleben brauchte, wuchs im Garten. So lernte der junge Reuben die Herkunft von Lebensmitteln und auch ihren Wert zu schätzen. Er hat das bis heute nicht vergessen und an seine Kinder weitergegeben. Die Liebe zu gutem Essen hat ihn als Koch groß gemacht, ein Star wollte er nie werden. Als professioneller Gastgeber habe er seine persönliche Scheu erst ablegen müssen, erzählt er. Dass er es als Farbiger nach ganz oben geschafft hat, verdanke er harter Arbeit: „Du musst doppelt so gut sein wie die anderen.“ Heute leistet er sich den Luxus, nicht mehr zu allem Ja sagen zu müssen. Und rät Jungköchen, die ihn fragen, wie man berühmt wird: „Lern doch erst mal, gut zu kochen!“ Dass Menschen weit reisen, um bei ihm eine Mahlzeit zu bekommen, lässt ihn bescheiden strahlen. „Du hast mich in Südafrika gesucht und darüber geschrieben, ehrlich? Kann ich den Artikel haben?“

Tafeln wie am Tafelberg – das Kap kulinarisch

Frucht trifft Schärfe, Säure auf Süße: Den fangfrischen Zackenbarsch hat Reuben Riffel mit Tamarinde glasiert, den Joghurt-Essig-Reis würzen Kokosnuss, Ingwer und Kurkuma. Ganz wie seine Heimat Südafrika lebt dieses Gericht von seinen Kontrasten.

„Hawequas“, Platz der Mörder, heißt die Rotweincuvée des Anwalts und Weingutsbesitzers Stéphane du Toit aus Paarl. Sie schleicht auf Samtpfoten daher, duftet nach Bergamotte, Earl Grey, Rosen, Schokolade – und ist alles andere als harmlos.

Gin aus Südafrika? Unbedingt! Der bernsteinfarbene „Amber“ der kleinen Destillerie Inverroche duftet nach der würzigen Blütenlandschaft der Kapregion: Gräser, Hölzer und Heidekräuter prägen die Fynbos-Vegetation. Ein Duftgarten, den man sich am liebsten hinters Ohrläppchen tupfen mag. Vorsicht ist angesagt: Beim Trinken steigert er Schluck für Schluck das Fernweh. nim

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