Albanien: Durch das schöne Land der Skipetaren

„Wohin geht die Reise? Albanien?“ Vorstellungen von diesem Land hatte ich, ehrlich gesagt, keine. Balkan, nicht besonders gut beleumundet und irgendwie mehr als 40 Jahre von der Weltkarte verschwunden – wegen des durchgeknallten Diktators Enver Hodscha, einem Stalinisten, der mit allen Staaten brach und Albanien vollständig isolierte. Davon aber später mehr. Zunächst zum Heute: Die Albaner können sehr stolz sein, denn ihre Heimat wurde vor zwei Wochen beim „World Countries Award“ in Tirana zum „Besten Land der Welt“ gewählt. Die Albaner wurden außerdem mit dem begehrten Titel „Nettestes Volk des Planeten“ geehrt. Wer jemals in Albanien war, wird das kaum verwundern.

Lesezeit: 8 Minuten
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Saranda im Süden liegt an einer herrlichen Bucht. In Sichtweite liegt die Insel Korfu. Im ausgebauten Hafen legen inzwischen viele Kreuzfahrtschiffe an.
Saranda im Süden liegt an einer herrlichen Bucht. In Sichtweite liegt die Insel Korfu. Im ausgebauten Hafen legen inzwischen viele Kreuzfahrtschiffe an.
Foto: Kampmann

Von unserem Redakteur Jochen Kampmann

Denn aus heutiger Sicht, vor allem aus touristischer, hatte die jahrzehntelange Isolation durchaus Vorteile. Albanien ist – noch – nicht touristisch vermurkst, die Gastfreundschaft kein aufgesetztes Geschäftsmodell. Albanien ist ein Geheimtipp, ein Schatzkästchen für Naturliebhaber und Kulturreisende oder einfach nur Erholungssuchende. Manche sagen: wie die Schweiz – allerdings mit Meer. Der Vergleich hinkt keineswegs.

Schneebedeckte Berge und blühende Täler, kristallklares Wasser, bewundernswerte Sakralbauten, historische Stadtkerne, antike Freiluftmuseen – und eine fantastische Küste nie allzu weit entfernt: ein Traum. Der weltweit größte Verlag für Reise- und Sprachführer „Lonely Planet“ erklärte Albanien 2011 zur internationalen „Top-Destination“. „Albanien bietet vor allem günstige Preise, Gastfreundschaft, hervorragendes Essen und ein ausgesprochen pulsierendes Nachtleben“, so der australische Verlag. Als „neue mediterrane Liebe“ werde das Land nicht mehr lange abseits des Touristenrummels bleiben. Massentourismus mit allen seinen Nachteilen wollen allerdings kluge Albaner verhindern.

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Wer sich für das Land interessiert, sollte sich mit dessen Geschichte auseinandersetzen. Denn die erklärt vieles, wenn nicht sogar das meiste. Albanien hat eine sehr lange Vergangenheit, die in der Regel wenig glücklich war und meist auf Besatzung und Unterdrückung hinauslief. Außerdem: 500 Jahre osmanischer Herrschaft haben ihre Spuren hinterlassen, aber nicht jene verdecken können, die bereits Jahrtausende vorher bestanden.

Von den Illyrern der Antike, als deren Nachfahren sich die Albaner betrachten, über Griechen und Römer zu den Venezianern und den Kriegen des 20. Jahrhunderts. Republika e Shqipërisë nennt sich der Staat offiziell. Skipetaren sagen wir dazu im Deutschen – legendär geworden durch Karl Mays Orientzyklus mit Kara Ben Nemsi und der Romanfolge „Durch das Land der Skipetaren“. Shqipe heißt „Adler“.

Der entscheidende Umbruch kam nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Diktator Enver Hodscha. Das kleine Land mit nicht einmal drei Millionen Einwohnern kooperierte zunächst nur mit der Sowjetunion und China und sonderte sich dann unter Hodschas Regime komplett vom Rest der Welt ab. Zugleich wurde ein umfangreiches, auf Partisanenkampf basierendes Verteidigungsprogramm angekurbelt, das ein gewaltiges Anhäufen von Waffen, darunter auch chemischen, und eine der modernsten Abhöranlagen umfasste.

Im Skanderbeg-Museum in Kruja wurde Nationalheld Georg Kastrioti Skanderbeg (Skanderbeg heißt Herr Alexander – in Anspielung auf Alexander den Großen) ein Denkmal gesetzt.

Jochen Kampmann

In der Zeit der Diktatur von Enver Hodscha wurden Hunderttausende kleiner Bunker im Land gebaut. Dieser hier ist im „Blockviertel“ von Tirana zu sehen, ein schickes Viertel mit Kaffeehäusern, schicken Bars und guten Restaurants.

Jochen Kampmann

Ohrid, eine Stadt am gleichnamigen See in Mazedonien, ist Weltkulturerbe und berühmt für seine Altstadt, die vielen Kirchen, Klöster und Moscheen. Der Ohridsee ist Millionen Jahre alt.

Jochen Kampmann

Das Antike Theater von Ohrid.

Jochen Kampmann

Liegt malerisch oberhalb des Ohridsees: Die Kirche des Heiligen Johannes von Kaneo aus dem 13. Jahrhundert.

Jochen Kampmann

Die wunderschöne Ethem-Bey-Moschee in Tirana blieb von der „Kulturrevolution“ 1967 verschont und blieb unzerstört.

Jochen Kampmann

Jochen Kampmann

Berat gehört zu den ältesten Städten Albaniens und ist eine Reise wert. Der Stadtteil Mangalem zieht sich den Hügel zur Burg hinauf. Die Häuser stehen sehr dicht, die Fassaden zum Tal haben alle große Fenster. Dem Viertel verdankt deshalb die Stadt ihre Bezeichnung „Stadt der tausend Fenster“.

Jochen Kampmann

Apollonia ist die größte und wichtigste der 30 Städte der ganzen antiken Welt, die zu Ehren des Gottes Apollon benannt wurden. Im 9. Jahrhundert ist das Kloster Shën Meri in den Ruinen der Stadt gegründet worden. Im 14. Jahrhundert wurde die bis heute existierende Klosterkirche errichtet.

Jochen Kampmann

Detailaufnahme der Klosterkirche.

Jochen Kampmann

Butrint, genannt das kleine Troja, liegt am malerischen Butrintsee.

Jochen Kampmann

Die große Basilika in Butrint wurde im frühen 6. Jahrhundert erbaut.

Jochen Kampmann

Jochen Kampmann

“Blaues Auge“ heißt die wasserreichste Quelle des Landes. Sie entspringt in einem Naturschutzgebiet nördlich des Badeorts Saranda.

Jochen Kampmann

Blick über die steinernen Dächer der Altstadt von Gjirokastra ( auf Deutsch „Silberburg“). Die Stadt ist Weltkulturerbe.

Jochen Kampmann

Gjirokastra ist berühmt für seine balkanisch-osmanischen Bürgerhäuser und seine Festung.

Jochen Kampmann

In Kruja schlug Skanderbeg vor rund 500 Jahren sein Hauptquartier auf im Kampf der Albaner gegen die Osmanen.

Jochen Kampmann

Innerhalb der Burganlage von Kruja finden sich auch Reste eines Derwischklosters.

Jochen Kampmann

Blick auf die Festung in Kruja.

Jochen Kampmann

In Durres, etwa 627 vor Christus gegründet, findet sich das größte Amphitheater auf dem Balkan mit herrlichen Mosaiken aus römischer Zeit.

Jochen Kampmann

Kaum einer kam raus aus Albanien, kaum einer rein. Autos gab es nur für Parteifunktionäre, die meisten Straßen glichen Feldwegen. Dafür war das Land übersät mit mehreren Hunderttausend Betonbunkern, weil stets eine Invasion der Nachbarn befürchtet wurde. Es sind eigenartige, kleine Rundbauten, in denen sich zwei Menschen verkriechen konnten, um den Feind zu bekämpfen. Ob die Furcht begründet war?

Mit dem Nachbarland Jugoslawien war Hodschas Clique zerstritten, mit Griechenland befand sich Albanien offiziell immer noch im Kriegszustand. Und gegenüber der Küste liegt Italien, das 1939 bereits Albanien überfallen hatte. Glücklicherweise war keiner der Feinde so richtig an Albanien interessiert. Kurz: Wenn es ein Land in Europa gab, das einem weißen Fleck auf der Weltkarte glich, dann war das Albanien. Als der Diktator Hodscha am 11. April 1985 endlich starb, dauerte es noch Jahrzehnte, bis sich das Land einigermaßen in der Gegenwart eingefunden hatte. Erst 1992 wurde das kommunistische Regime endgültig gestürzt, und eine Massenauswanderung der Albaner begann. 1995 wurde Albanien Mitglied des Europarats, der Kosovokrieg brachte dann in wenigen Tagen mehr als Hunderttausend flüchtende Kosovo-Albaner ins Land.

Inzwischen ist Albanien eine parlamentarische Republik, Mitglied der Nato und traditionell eng mit Deutschland verbunden. Nun ja, zunächst mit der DDR, nach der albanischen Wende allerdings mit dem wiedervereinten Deutschland. Deutsche, „Germani“, genießen Wertschätzung. Deren Arbeit auch. Wer wirklich viele Mercedes 220 sehen will: In Albanien sind sie eine Art Volkswagen. Oder am Wochenende in der Hauptstadt Tirana: ein Korso deutscher Luxuskarossen.

Butrint mit seinen Ausgrabungen wird
Butrint mit seinen Ausgrabungen wird „kleines Troja“ genannt.
Foto: Kampmann

Beginnen wir aber endlich die Rundreise durch das schöne Land der Skipetaren – und zwar in Tirana. Der moderne Flughafen „Mutter Teresa“ – sie war eine Albanerin – liegt außerhalb der Stadt; im Zentrum ist man, je nach Verkehrslage, in gut 30 Taxi-Minuten. Modern, der Verkehr chaotisch wie in den meisten Großstädten, pralles Leben, schicke Geschäfte – und Sehenswürdigkeiten. Wobei: Sozialistische Bauten beherrschen einen Teil des Zentrums, das Nationalmuseum beispielsweise oder der Kulturpalast, der auch eine Oper beherbergt. Nun werden Kulturfreunde nicht wegen „großer Oper“ oder internationaler Bühnenstars nach Albanien reisen. Obwohl das Land große Künstler hervorgebracht hat und hervorbringt. Aber auch gute Fußballer. Das wissen die Schweizer nur zu gut. Aber auch in Deutschland ist seit dem ersten Treffer bei der Fußball-EM Shkodran Mustafi ein Begriff. Er ist hier geboren, seine Eltern sind Albaner aus Gostivar in Mazedonien.

Aber zurück zum Kulturangebot: Überall im Land gibt es viel Musik. Das Nationale Folklorefestival beispielsweise, das alle fünf Jahre in Gjirokastra ausgetragen wird (zuletzt 2015), ist ein Ereignis. Ausgetragen wird es auf der Burg über der Stadt mit Tausenden Teilnehmern und Besuchern. Gjirokastra mit seinem historischen Zentrum ist Weltkulturerbe. Hier stehen bemerkenswert schöne Häuser, deren Dächer mit Steinen gedeckt sind und den balkanisch-osmanischen Stil repräsentieren. Aus dieser Stadt stammen der wohl bekannteste albanische Schriftsteller, Ismail Kadare, aber auch der Diktator Enver Hodscha. Sein Elternhaus ist ein Museum und zeigt, wie eine wohlhabende Familie Anfang des 20. Jahrhunderts lebte. Einen Hinweis auf Hodscha allerdings gibt es in dem sehenswerten Haus nicht.

Weltkulturerbe ist auch Berat – genannt die Stadt der 1000 Fenster. Auch sie liegt im Schutz einer Festung, auch sie verfügt über ein selten einheitliches Stadtbild. Die weißen Häuser sind in Reihen auf Terrassen übereinander angelegt. In der ehemaligen Marien-Kathedrale ist das Nationalmuseum Onufri untergebracht, das dem berühmtesten Ikonenmaler Albaniens, Onufri, gewidmet ist. Seit 1547 arbeitete er in Berat. Legendären Ruhm erlangte er durch die Verwendung eines besonderen rötlichen Tones bei seiner Malerei, der von keinem anderen Ikonenmaler reproduziert werden konnte.

Berat, die Stadt der 1000 Fenster, mit dem gelungenen Beispiel eines kleinen, eleganten und familiengeführten Hotels
Berat, die Stadt der 1000 Fenster, mit dem gelungenen Beispiel eines kleinen, eleganten und familiengeführten Hotels „Rezidencia Desaret“.
Foto: Kampmann

Szenenwechsel vom osmanischen zum christlich-orthodoxen Erbe. In Albanien sind Religionsgemeinschaften gleichberechtigt. In Tirana beispielsweise liegen die katholische Paulskathedrale, die orthodoxe Auferstehungskathedrale und die schöne Ethem-Bey-Moschee dicht beieinander. Wer sich für ganz außergewöhnliche orthodoxe Gotteshäuser interessiert, kommt in Ohrid am riesigen Ohridsee auf seine Kosten. Die Stadt liegt im Nachbarland Mazedonien und wird als Jerusalem des Balkans bezeichnet.

Denn es gibt dort, so heißt es, 365 Kirchlein, Kapellen und Kirchen in der Stadt, für jeden Tag eine. Hier sind Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert zu sehen, in 3-D, weil so ganz anders als die üblichen „Statuen“ in der orthodoxen Malerei. Da sind Menschen zu sehen, die knien, stehen, liegen – ungewöhnlich für die christlich-orthodoxe Kirche. Und umwerfend viel Blau wurde verwendet – aus feinst gemahlenem Lapislazuli. Das bedeutet: sehr kostspielig. Sie sehen das auch in unseren Kirchen und Schlössern. Das mittelalterliche Ohrid war ein geistiges Zentrum des Christentums in Südosteuropa.

Zwischendurch wird es Zeit, Erholung und Kunstgenuss in Einklang zu bringen, was unkompliziert und völlig entspannt möglich ist – wie so vieles in diesem Land. Es geht ans Mittelmeer. Albanien liegt an der Adria und am Ionischen Meer. Nicht weit von Tirana liegt Durrës, wichtigste Hafenstadt des Landes und im 7. Jahrhundert v. Chr. gegründet. Badeurlaub mit antikem Amphitheater und einem sehenswerten Museum? Kein Problem. In Apollonia gibt es die Ruinen einer antiken Großstadt, die etwa 60 000 Einwohner zählte.

Und weiter südlich Vlora, wo 1912 die Unabhängigkeit Albaniens vom Osmanischen Reich erklärt wurde. Ein schöner Badeort an den sich – man höre und staune – die Albanische Riviera anschließt. Eine wunderbare Küste bis nach Saranda und zur griechischen Grenze. Hier muss man „das kleine Troja“ sehen, die antike Stadt Butrint und das „Blaue Auge“, eine Karstquelle mitten in einem Naturschutzgebiet. Wasser, so klar wie die anderen vielen (Trinkwasser-)Quellen des Landes.

Über Albanien ins Schwärmen zu geraten, ist einfach, zu erzählen gibt es viel. Weil es viel zu sehen und zu erleben gibt. Und besseren Kaffee als in Italien. Nach einem ersten Besuch bleibt nur eins übrig: wieder hinfahren. Ich mache es. Wenn es klappt, noch in diesem Jahr. Also: Wir treffen uns in Albanien oder Takohemi në Shqipëri.

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Wissenswertes für Reisende

Anreise: Mit dem Flugzeug geht es schnell und bequem nach Tirana, dem einzigen Flughafen des Landes. Frankfurt–Tirana wird von Air Adria und Lufthansa angeboten. Direktflüge auch von Düsseldorf.

Zielgruppe: Albanien ist Reiseland für alle Altersgruppen. Menschen mit Behinderungen dürfen allerdings keinen westeuropäischen Standard erwarten. Helfende Hände gibt es aber immer. Raucher können aufatmen: Zigaretten kosten etwa 1,25 Euro das Päckchen.

Beste Reisezeit: Die Küste hat Mittelmeerklima. Die Sommer sind heiß, im Winter ist es mild und regnerisch. Im Bergland gibt es hohe Temperaturschwankungen und im Winter viel Schnee.

Unsere fünf Ausflugstipps:

  • Kruja mit Skanderbeg-Museum
  • Berat mit seiner balkanisch-osmanische Altstadt und Burg
  • Gjirokastra: Museumsstadt mit balkanisch-osmanischen Bürgerhäusern und Festung
  • Saranda – Badeort am Ionischen Meer
  • Butrint ist ein Muss in Albanien

Unser Autor hat eine siebentägige Rundreise mit Phoenix Reisen gemacht und flog mit Air Adria.

Die Reise wurde unterstützt von Phoenix Reisen.