Im französischen Aube prickelt nicht nur der Champagner

Edouard Guyot hat sich einen Traum erfüllt. Mit 22 Jahren kaufte er sich in der Champagne sein eigenes Schloss. Jetzt restauriert er es.
Edouard Guyot hat sich einen Traum erfüllt. Mit 22 Jahren kaufte er sich in der Champagne sein eigenes Schloss. Jetzt restauriert er es. Foto: Silke Müller

Wenn im französischen Weinanbaugebiet Côte des Bar im Département Aube die Lese beginnt, geht es geschäftig zu. Überall rollen die Traktoren durch die Dörfer, während die Menschen in den Weinbergen die Trauben ernten – allein mit der Hand. Denn Maschinen dürfen dabei in der Champagne nicht zum Einsatz kommen.

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Da ist Unterstützung gefragt. Und die erhalten die Winzer reichlich, vor allem von den Einwohnern des Départements. Eine von ihnen ist Marine Musset. Die 28-Jährige, die als Touristikerin arbeitet, ist an diesem Sonntag ganz früh aufgestanden. Seit 8 Uhr hilft sie im Weinberg bei der Traubenlese. „Ich mache mit, weil es mir Spaß bereitet. Die Stimmung ist einfach prima“, sagt sie. Als Beispiel nennt sie den gemeinsamen Imbiss, zubereitet von den älteren Dorfbewohnerinnen. Damit stärken sich die Helfer mittags im Weinberg. „Das ist eine ganz besondere Atmosphäre“, findet Marine.

Sie hilft in der Nähe des schmucken Ortes Les Riceys mit. Mit knapp 900 Hektar befindet sich in der Gemeinde das größte Weinanbaugebiet der ganzen Champagne. Groß ist auch die Anzahl der lokalen traditionsreichen Winzer wie Marie-Hélène und Didier Goussard oder auch Jacques Defrance. Seit vielen Jahrzehnten produzieren die Familien ihren eigenen Champagner oder auch den seltenen Rosé Le rosé des Riceys. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es überall in dem kleinen Dorf mit seinen stilvollen Bruchsteinhäusern und schmalen Gassen Verkostungen des prickelnden Rebensaftes gibt.

Guy Lazarotti ist einer der letzten Cadoles-Erbauer im Département Aube. Für die Schutzhütten in den Weinbergen wird kein Zement verwendet.
Guy Lazarotti ist einer der letzten Cadoles-Erbauer im Département Aube. Für die Schutzhütten in den Weinbergen wird kein Zement verwendet.
Foto: Silke Müller

Kennzeichnend für diesen Teil des Départements Aube sind auch die aus Kalksteinen mit dem französischen Namen „Lauze“ errichteten Schutzhütten. Die sogenannten Cadoles stehen in den Weinbergen. Früher dienten sie den Winzern als Schutz vor Hitze oder Kälte. Heute gehören sie zum Kulturerbe. Dass von den insgesamt 132 Hütten 12 noch besichtigt werden können, ist Guy Lazarotti zu verdanken. Der 71-Jährige und sein 46-jähriger Sohn sind die letzten Cadoles-Erbauer im Département. „Das Besondere ist, dass die Steine nur übereinandergelegt werden – ohne Zement“, sagt Guy. Er liebt es, durch seine Heimat zu wandern und altes Traditionsreiches zu bewahren. Deshalb hat er auf seinen zahlreichen Touren immer wieder Ausschau nach den Cadoles gehalten. „Seit 40 Jahren schreibe ich auf, wo sie zu finden sind“, sagt er. Mittlerweile hat er drei Rundparcours geschaffen, auf dem Wanderer sukzessive an den alten Schutzhütten vorbeikommen, die Lazarotti allesamt durchnummeriert hat. „Sechs Jahre habe ich dafür benötigt“, berichtet er. Da, wo es noch möglich war, hat er die Cadoles mit viel Liebe restauriert. Mindestens einmal im Jahr geht er alle Hütten ab und schaut nach, ob noch alles in Ordnung ist. „Leider kommt es immer wieder vor, dass Menschen auf die Cadole steigen und sie dadurch beschädigen“, sagt Guy. „Dabei betone ich immer wieder, dass man nicht draufklettern soll. Nicht zuletzt, weil es auch gefährlich ist“, ergänzt er. Manchmal werden Lazarotti und sein Sohn auch heute noch von Winzern beauftragt, Cadoles zu bauen. Rund einen Monat Zeit benötigen die beiden für eine Hütte und bis zu 27 Tonnen Steine. Dabei respektieren sie immer die historische Bauweise. „Einmal hat mich jemand angerufen und wollte eine Cadole aus Zement. Dem habe ich gesagt, er solle sich an jemand anderen wenden. Aber er wird niemanden gefunden haben, weil wir die letzten Cadoles-Erbauer hier in der Gegend sind“, sagt er.

Kulturerbe bewahren: Das hat sich auch Edouard Guyot auf die Fahnen geschrieben. Mit seinen 23 Jahren ist er bereits sein eigener Schlossherr. Um zu seinem Château de Vaux zu gelangen, geht es von Les Riceys nordwestlich in Richtung der mittelalterlichen Stadt Troyes durch grüne Natur, vorbei an kleinen Wäldchen und Sonnenblumenfeldern bis zu dem kleinen Ort Fourchère. Weit gefehlt, wer meint, ein intaktes mondänes Anwesen zu finden. „Als ich das Schloss im vergangenen Jahr gekauft habe, war es bereits seit 60 Jahren verlassen und vergessen. Durch die Witterung ist es zudem stark beschädigt worden“, sagt er und prognostiziert: „30 Jahre wird es wohl dauern, bis alles restauriert und wiederhergestellt worden ist.“ Allein für die anstehenden notwendigsten Arbeiten rechnet er mit Kosten in Höhe von 3 Millionen Euro. Kein Wunder also, dass der junge Schlossherr kein Geld hat, um Verstärkung einzustellen. Täglich ist er zwölf Stunden im Einsatz. „Noch mache ich alles allein. Es gibt nur ein paar Freiwillige und Dorfbewohner, die mir helfen“, sagt er.

Dass er wohl mehr als die Hälfte seines Lebens damit verbringen wird, das Gebäude mit einer Architektur aus dem 18. Jahrhundert wieder auf Vordermann zu bringen, schreckt ihn nicht ab. „Es ist dieses Lebensumfeld, das ich so mag. Das hat keinen Preis“, betont er. Er wollte schon immer ein Schloss kaufen, und als ihn ein Freund vergangenes Jahr auf das Anwesen aufmerksam gemacht hatte, ergriff er die Gelegenheit beim Schopfe. „So etwas ist einmalig, da musste ich zugreifen“, sagt er. Um seinen Traum zu finanzieren, musste der Jungunternehmer, der eine eigene Firma hat, einen Kredit bei der Bank aufnehmen. Geld für die notwendigen Arbeiten generiert er durch Crowdfunding und dadurch, dass er einen Teil des Anwesens für Festivitäten nebst Übernachtungsmöglichkeit vermietet.

Außerdem hat er in einem anderen zugänglichen Teil zahlreiche historische Spiele – meist aus Holz – aufgebaut, die Besucher gegen eine Eintrittsgebühr entdecken können. Rund 10 000 waren es im vergangenen Jahr", sagt er. Und die finden nicht nur Spiele, sondern weitere museal eingerichtete Räume. Und es gibt ein spannendes Quiz, bei dem der Gewinner eine Flasche Champagner gewinnt. Ob der wohl aus den Trauben produziert worden ist, die Marine einst geerntet hat?

Von unserer Redakteurin Silke Müller

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Wissenswertes für Reisende

Anreise: Aube en Champagne ist mit dem Zug (Direktverbindung ab Paris) oder dem Auto über die A 5 beziehungsweise A 26 zu erreichen.

Zielgruppe: Geeignet für Natur-, Kultur- und Weinliebhaber jeden Alters. Partytouristen kommen eher nicht auf ihre Kosten. 

Beste Reisezeit: zwischen Mai und November

Unsere fünf Ausflugstipps:

  • Troyes ist die einzige Stadt der Welt deren historisches Zentrum mit seinen schmalen Gassen Fachwerkhäusern die Form eines Champagnerkorkens hat. Es gibt viele Museen und zehn gotische Kirchen.
  • In Chaource gilt der gleichnamige Käse als eine Delikatesse.
  • Cidre kann im Pays d'Oth verkostet werden.
  • Eine nachgebaute Mühle aus dem 18. Jahrhundert gibt es in Dosches zu sehen.
  • Stranderholung und Wassersport sind im Seengebiet „Lacs de la Forêt d'Orient“ möglich.

Unsere Autorin hat übernachtet im Hôtel des Comtes de Champagne (Troyes) und im Hôtel le Marius (Les-Ricey-Bas). Die Reise wurde unterstützt vom Comité Départementale du Tourisme Aube en Champagne.