Der Zauber des Himmelsfeuers

Ein festgehaltener Augenblick eines langen, überirdisch schönen Schauspiels: Wie ein Lichtband steht das Polarlicht (Aurora Borealis) über dem schneebedeckten Hügel am Rande des Fischerdorfes Sommarøy in Nordnorwegen. Foto: Thomas Reinhardt
Ein festgehaltener Augenblick eines langen, überirdisch schönen Schauspiels: Wie ein Lichtband steht das Polarlicht (Aurora Borealis) über dem schneebedeckten Hügel am Rande des Fischerdorfes Sommarøy in Nordnorwegen. Foto: Thomas Reinhardt

Das Polarlicht in Norwegen ist ein überirdisch schönes Leuchtspektakel – Touristen aus aller Welt reisen dem Naturphänomen nach.

Lesezeit: 5 Minuten
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Von unserer Redakteurin Anke Mersmann

Als das Polarlicht endlich naht, kündigt es sich mit einer milchigen Schliere am klaren Nachthimmel über Nordnorwegen an. Anfangs nur wenig heller als die tiefdunkle Nacht, ist das nahende Licht kaum mehr als eine Ahnung. Im Bauch liegt ein vorfreudiges Kribbeln – doch der Kopf scheint noch nicht daran glauben zu wollen, dass den Abertausenden Sternen, die über der Bucht des Fischerörtchens Sommarøy am Atlantik funkeln, gleich die Show genommen wird, dass sich eines der magischsten Naturphänomene unserer Welt anschickt, den klaren, weiten Himmel als Bühne für sich zu beanspruchen: Aurora Borealis, die nördliche Morgenröte, das Polarlicht.

Es hat sich auf dieser Reise bislang rar gemacht. Zuvor bot der Himmel drei, vier Nächte lang nichts als Wolken, grau und dicht, wenn mal gerade kein Schnee draus herabfiel. In der Hafenstadt Narvik, 220 Kilometer nördlich des Polarkreises gelegen, türmte sich zwar wildromantisch der Schnee; doch er begrub mit jedem Zentimeter, der mehr aus den Wolken rieselte, die Hoffnung, dem Polarlicht bei seinem Tanz zusehen zu können.

Gleichwohl gilt Narvik, überhaupt ganz Nordnorwegen, als eine der Regionen der Welt, wo die Chancen am besten stehen, die flatterhaften Lichter zu sehen, die der Nacht von Gelb, Rot und Violett und vor allem von der Farbe Grün erzählen. Nordnorwegen liegt in der sogenannten Aurora-Zone, die sich über den Norden von Norwegen, Schweden und Finnland bis nach Nordrussland erstreckt, nach Alaska und Nordkanada bis nach Island. Das Polarlicht erleuchtet bevorzugt in diesem Ring den nächtlichen Himmel – wann und wo das Phänomen auftritt, lässt sich nur recht kurzfristig prognostizieren. Trotzdem machen sich Zehntausende von Touristen jährlich auf die Suche nach dem Polarlicht. Geduld, etwas Flexibilität und Glück gehören zu einer Sichtung dazu. „Man weiß nie, ob es kommt oder nicht“, sagt denn auch Ellen Kachel vom Nordnorwegen-Tourismus.

Im von Schnee und Sturm umtosten Narvik bleibt das Glück dieses Mal jedenfalls aus. Hilft nur ein Ortswechsel dorthin, wo gerade keine Schneewolken hängen. Weiter geht es in den Norden, nach Tromsø. 340 Kilometer Luftlinie liegt die Stadt mit der nördlichsten Universität der Welt vom Polarkreis entfernt mitten in der Aurora-Zone.

Und dort, in der Bucht am Rande des Dorfes Sommarøy, wo die Lichter Tromsøs weit entfernt liegen, dort zieht nach seinem zaghaft-milchigen Einstand das Polarlicht auf – dramatisch und überirdisch schön. Es fließt als grünlich-schimmerndes Lichtband heran. Es fächert sich auf, legt sich wie ein Nebel grünlichen Lichts über den Nachthimmel, spiegelt sich im Wasser der Bucht. Wirbel entstehen mit einem Mal, als ob ein mächtiger Wind in den leuchtenden Nebel hineinwehen würde. Ins Grün mischt sich Gelb, hier und dort ein leichter Hauch Rosa. Über einem der Schnee bedeckten Hügel am Rande der Bucht glimmt ein grünes Lichtband für Minuten, löst sich irgendwann ins Dunkel auf. Kurz darauf zittern und flackern dort einzelne Strahlen: Das Polarlicht tanzt wirklich, es verändert sich unablässig, strömt unentwegt, leuchtet mal hell, lässt nach, tanzt dann wieder munter weiter.

Es ist ein Schauspiel, das in der Bucht einige Dutzend Menschen ergeben beobachten. Es sind Touristen aus aller Welt, die diesen Ausflug zum Polarlicht über einen der vielen Anbieter gebucht haben, die in Tromsø auf Nordlicht-Exkursionen spezialisiert sind. Die Bucht wird regelmäßig angesteuert, sodass es sogar kleine, teils in den Hügel eingelassene Hütten zum Aufwärmen gibt. Irgendwann an diesem Abend ist das bitter nötig. Doch in diesem Moment, unter den magischen Lichtern der Nordens, zieht es niemanden ins Warme.

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Stille liegt über dem Ort. Ergriffenheit kommt ohne Worte aus. Es ist einfach zu schön, was sich am Himmel abspielt. Dann und wann ist ein „Ah“ und „Oh“ zu hören, mit der Zeit auch Flüstern und Lachen. Für eine Weile aber ist tatsächlich das Klacken der Kameraobjektive das lauteste Geräusch unter dem Himmelsfeuer: Ein Polarlicht zu bannen, ist für Hobbyfotografen eine Herausforderung und eine Ehrensache gleichermaßen. Und so stehen etliche Geräte auf Stativen im festgestapften Schnee, klackt es ein ums andere Mal – das Ergebnis hat teils einen verblüffenden Effekt: In manchen Aufnahmen wirken die Lichtspiele noch dramatischer als in natura. Dies hängt damit zusammen, dass der Kamerasenor weitaus farbempfindlicher ist, also ein wesentlich größeres Lichtspektrum einfangen kann, als das menschliche Auge wahrnimmt. Deshalb wirkt das Nordlicht auf Fotos manchmal grüner oder violetter, als es tatsächlich zu sehen ist. Doch das ist trockene Theorie, die der Magie des Augenblicks nichts anhaben kann. Wobei auch er sich natürlich nüchtern erklären lässt.

Das Polarlicht ist keine mystische Himmelserscheinung, auch wenn sich viele Legenden der Samen darum ranken. Diese besagen unter anderem, dass die Seelen verstorbener Jungfrauen aufsteigen und in die Lichter aufgehen. De facto entstehen sie, wenn elektrisch geladene Partikel der Sonne, genauer des Sonnenwindes, auf die oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen. Dort werden die Moleküle zum Leuchten angeregt. In welchen Farben sie leuchten, hängt davon ab, in welcher Höhe und in welcher Gasumgebung die Partikel auftreffen. Vom Magnetfeld der Erde werden sie zu den geomagnetischen Polen gelenkt – daher erklärt sich die strömende Bewegung des Polarlichts. Die Lichterscheinung ist auch am Südpol zu sehen, dort heißt sie Aurora Australis, Südlicht. Auf der Nordhalbkugel nennt man sie Aurora Borealis, Polar- oder Nordlicht.

Das leuchtet an diesem Abend über Stunden, bevor es mit einem milchig-grünen Glimmen abklingt. „Acht von zehn Punkten“, ordnet Touristikerin Ellen Kachel das Spektakel ein, sie strahlt. Die Deutsch-Norwegerin hat das Polarlicht schon unzählige Male gesehen, draußen, allein in der Natur – hin und wieder aber auch, wenn sie so banale Alltagsdinge tut wie den Müll hinauszutragen. „Selbst dann lasse ich mich von den Lichtern verzaubern“, sagt sie. Wer könnte es ihr verdenken.

Wissenwertes für Reisende

Anreise: Scandinavian Airlines fliegt täglich unter anderem von Frankfurt nach Oslo. Von dort gibt es auch Direktflüge mit der Lufthansa. Ab Köln/Bonn fliegt Norwegian dienstags, donnerstags und sonntags direkt in die norwegische Hauptstadt. Nach Harstadt-Narvik und Tromsø gehen nationale Linien wie etwa Widerøe.

Zielgruppe: Naturliebhaber

Beste Reisezeit: Nordlichter können das gesamte Jahr über auftreten. Beste Chancen, sie zu sehen, hat man zwischen September und März.

Unsere Ausflugstipps:

  • Das Kriegsmuseum in Narvik: In der Schlacht von Narvik vom 9. April bis 8. Juni 1940 hatte die deutsche Flotte immense Verluste, die Alliierten siegten. Dennoch besetzten die Deutschen die Stadt erneut.
  • Das Erlebniszentrum Pippira Siida für samische Kultur und Geschichte in Ballangen bei Narvik
  • Tromsø, mit etwa 70 000 Einwohnern die achtgrößte Stadt Norwegens
  • Ein Besuch im Polar Park in Bardu
  • Nordlichtsafari mit Tromsø Safari.


Unsere Autorin ist gereist mit Scandinavian Airlines und Widerøe und übernachtete in Narvik und Tromsø. Diese Reise wurde unterstützt von Visit Norway.

Weitere Informationen unter www.visitnorway.de