Käfer auf amerikanisch: 50 Jahre Chevrolet Corvair

Rotes Leder und viel Chrom
Rotes Leder und viel Chrom: Im Innenraum des Chevrolet Corvair kommt sofort ein nostalgisches Gefühl auf. Foto: dpa

Detroit. Der Chevrolet Corvair erinnert Menschen immer irgendwie an etwas – ohne dass diese sich auch nur entfernt an ihn selbst erinnern. Der vor 50 Jahren vorgestellte Corvair war mit seinem Boxermotor im Heck im Grunde die amerikanische Antwort auf den VW Käfer.

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Und dann sorgte er auch noch unfreiwillig dafür, dass im Automobilbau die Sicherheitsdiskussion erst wirklich einsetzte. Amerikanische Autos wurden in den 50er und 60er Jahren durchweg unter einem Begriff zusammengefasst – Straßenkreuzer. Ein Begriff, der nicht von ungefähr kam: Zu jener Zeit waren US-Autos meist wahre Blechgebirge. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten herrschte schließlich keine Enge auf den Straßen. Weitere Merkmale waren häufig wabbelweiche Fahrwerke und ein V8-Motor unter der Haube.

In den 50ern hatten diese Autos jedoch Konkurrenz bekommen. Europäische Modelle waren gefragt – und unter ihnen vor allem der legendäre VW Käfer. Der war bekanntlich das genaue Gegenteil eines Straßenkreuzers: Er war klein und wendig und hatte statt des V8 unter der Fronthaube einen luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotor im Heck.

Der Erfolg des Käfers sollte Auswirkungen auf den Autobau in den USA haben. Naheliegend wäre es gewesen, das übliche US-Auto einfach zu verkleinern und statt eines Achtzylinders einen Motor mit vier Zylindern unter die vordere Haube zu setzen. Doch vermutlich hat in jenen Jahren der eine oder andere Experte den Erfolg des deutschen Massenautos auch durch dessen technisches Konzept erklärt. Und das bestand eben aus Luftkühlung und Boxermotor im Heck.

Die amerikanische Umsetzung des Themas Käfer wirkte daher so, als hätte in Deutschland jemand versucht, den Käfer zum Straßenkreuzer zu machen. Der Ende 1959 gestartete Chevrolet Corvair besaß Luftkühlung und Boxermotor im Heck, galt als kompakt, überragte den 4,0 Meter langen Käfer jedoch um einen halben Meter. Statt vier Zylinder gab es deren sechs, und die Käfer-Hubräume von rund 1200 Kubikzentimeter verdoppelte man gleich mal mit. Bis zu 110 kW/152 PS waren möglich, später sogar 135 kW/183 PS. Auch dank eines Turboladers, der den Corvair zu einem der ersten Serienautos mit Turbo machte.

Chevrolet Corvair
Boxermotor im Heck: Die Entwickler des Chevrolet Corvair ließen sich beim Antriebskonzept ein wenig vom erfolgreichen VW Käfer i
Foto: dpa
Und dann war da noch das Design. Die Formgebung hatte sich vom US-Barock verabschiedet und eine ganz eigene Linie kreiert. Deren auffälligsten Merkmal war ein rundum verlaufender Karosseriefalz. Der wiederum ist der Grund dafür, dass vor allem in Deutschland der Corvair irgendwie bekannt wirkt – so, als wäre er einem schon mal irgendwo begegnet. Ist er aber in der Regel nicht. Vielmehr fand der eine oder andere europäische Designer diesen Blechknick schick und setzte ihn bei eigenen Entwürfen ein. Beispiele dafür sind die NSU Prinz aus der Zeit ab 1963 oder der «große» Karmann Ghia vom Typ 34.

Ein Name ist auf ewig mit dem Chevrolet Corvair verbunden: der des Verbraucherschutzanwalts Ralph Nader. Er widmete dem Auto Teile seines Buches «Unsafe At Any Speed». Darin warf der Anwalt dem Auto gefährliche Fahreigenschaften vor und wies in diesem Zusammenhang auf einige Unfälle hin. Es kann lange diskutiert werden, wie falsch oder richtig die Vorwürfe waren. Auf jeden Fall setzte mit ihnen die Sicherheitsdiskussion in Sachen Autos erst wirklich ein. Für die Verkaufszahlen des Corvair war das Thema aber nicht förderlich.

Zwar wurde bei den Autos des Modelljahrgangs 1965 die Hinterachse gegen die Aufhängung der Chevrolet Corvette ausgetauscht, doch das Vertrauen war dahin. Auch die Modernisierung des Blechkleids konnte die Nachfrage nicht anheizen. Dass die Konkurrenz ebenfalls «Kompaktmodelle» wie einen Ford Mustang an den Start brachte, sollte das Ende noch beschleunigen. Im Mai 1969 lief der letzte Corvair vom Band, immerhin gut 1,2 Millionen Exemplare waren entstanden. (Von Heiko Haupt)