Eine „Brücke in die Freiheit” soll er sein: Der sogenannte offene Vollzug gilt im Gefängnis als sinnvolle Maßnahme, um Insassen vor der endgültigen Entlassung Schritt für Schritt wieder auf ein Leben ohne Mauern vorzubereiten. Trotzdem bleibt in Rheinland-Pfalz rund die Hälfte der verfügbaren Haftplätze dieser Art ungenutzt: Die Auslastung im offenen Vollzug lag zuletzt bei rund 46 Prozent. Das teilte das Justizministerium in Mainz auf Anfrage der Rhein-Zeitung mit.
Insgesamt sind den Angaben zufolge 3,7 Prozent aller Häftlinge im Land Freigänger: einer von 27 Gefangenen. Und das, obwohl Häftlinge, JVA-Bedienstete und Justizminister Herbert Mertin (FDP) gleichermaßen in einem aktuellen RZ-Podcast die Vorteile des offenen Vollzugs loben. Den Podcast hören Sie auf Plattformen wie Spotify und Apple Podcast oder direkt hier:
Minister und Insassin im Interview
„Der Strafvollzug hat nicht nur die Freiheitsentziehung zu vollstrecken, sondern er muss auch versuchen, Defizite zu beheben, sodass eine Person am Ende der Haftstrafe wieder in die Gesellschaft zurück integriert werden kann”, betont Mertin im Podcast „Freigängerin”, der 50. Folge der Reihe RZInside. Zudem schildert Carolin Bucksteeg, stellvertretende Leiterin der JVA Koblenz, ihre Erfahrungen aus der Praxis.
RZ-Redakteur Finn Holitzka begleitet im Podcast außerdem eine Insassin der JVA Koblenz, die aus ihrem Leben als Gefangene in der OVA (Offene Vollzugsabteilung) berichtet. Die wegen Betrugsdelikten einschlägig vorbestrafte 37-Jährige arbeitet tagsüber in ihrem Ladengeschäft im Kreis Altenkirchen, die Nacht muss sie dagegen im Gefängnis verbringen.
Ein prominentes Beispiel für diese Art der Gefängnisstrafe ist der Fall Uli Hoeneß: Der langjährige Fußballmanager musste 2014 wegen Steuerhinterziehung in Haft und verbüßte einen Großteil seiner Strafe als Freigänger. Heute tritt er als Ehrenpräsident des FC Bayern München wieder regelmäßig öffentlich auf. Doch nicht bei jedem Delinquenten greift das System von Strafe und Wiedereingliederung so wie bei dem bestens vernetzten Sportmillionär vom Tegernsee.
Was der offene Vollzug bringt
Auffällig ist auch: Laut kriminologischen Studien werden Freigänger wesentlich seltener nach Rückfällen erneut inhaftiert als vergleichbare Gefangene aus dem geschlossenen Vollzug. Entsprechend machte sich etwa die niedersächsische Justizministerin dieses Jahr bereits für eine Ausweitung des offenen Vollzugs stark. In Rheinland-Pfalz ist man dagegen zurückhaltend.
Das hat womöglich auch mit einem schlagzeilenträchtigen Mordfall aus der Region zu tun: Das sogenannte Limburger Urteil gab einst zwei rheinland-pfälzischen JVA-Mitarbeitern eine Mitschuld daran, dass ein Insasse auf Freigang 2015 eine junge Frau getötet hatte. Obwohl die Gefängnismitarbeiter später vor dem Bundesgerichtshof freigesprochen wurden, bleibt der Fall in den Köpfen, wie im Podcast ausführlich nachzuhören ist.
Der Podcast
„Freigängerin – Leben zwischen Freiheit und Knast” behandelt als Doku-Podcast in 49 Minuten diese und weitere Aspekte des offenen Vollzugs auf spannende Art und Weise – mit Interviews, Einordnungen und seltenen Eindrücken aus dem Leben einer Gefangenen. Hören können Sie die neue Sendung auf allen gängigen Podcast-Plattformen wie Spotify, Apple Podcasts und Co. sowie auf rhein-zeitung.de/podcast.